PC-Markt wächst auch 2013 nicht
Quelle: Weissbuch

PC-Markt wächst auch 2013 nicht

Branchenkenner Robert Weiss hat sich mit «Swiss IT Reseller» über den Schweizer PC-Markt unterhalten und seine Einschätzungen fürs laufende Jahr abgegeben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2013/03

     

Robert «Röbi» Weiss gilt als Urgestein in der Schweizer IT-Szene und hat sich unter anderem mit der Publikation des Weissbuchs – der jährlichen Erhebung des Schweizer Hardwaremarktes – einen Namen gemacht. «Swiss IT Reseller» hat mit Weiss über seine Einschätzungen zum hiesigen PC-Geschäft gesprochen.

«Swiss IT Reseller»: Wie hat sich der Schweizer PC-Markt im letzten Jahr entwickelt?
Robert Weiss:
Wenn man den klassischen PC-Markt ohne Tablets betrachtet, dann schlecht. Die Stückzahlen gingen im zweistelligen Prozentbereich zurück, und vor allem bei den mobilen Rechnern gab es erneut einen starken Einbruch.

Und wo sehen Sie die Gründe dafür?
Ganz klar bei den Tablets. Eigentlich wollten die Hersteller mit den Ultrabooks ja ein Gegenstück zu den Tablets etablieren. Die technologischen Eigenschaften eines Ultrabooks sind denen von Tablets ja sehr ähnlich – sie starten rasch auf, sind leicht und dünn und durchaus auch leistungsfähig. Ich bin selbst etwas erstaunt, dass sich Ultrabooks nicht besser verkaufen. Vielleicht hat der Konsument den Unterschied zwischen dem Ultrabook und dem herkömmlichen Notebook noch nicht verstanden. Für ihn ist ein Ultrabook lediglich ein teures Notebook.

Also wäre es die Aufgabe des Handels, das Ultrabook-Prinzip den potentiellen Kunden zu erklären, damit diese die Vorteile sehen?
Das ist so. Doch bis jetzt ist das nicht gelungen.


Wie sehen Sie die Marktentwicklung fürs laufende Jahr? Wird der PC-Markt wieder wachsen, und wenn ja, werden eher der Consumer- oder der Business-Bereich das Wachstum antreiben?
Zuerst einmal bin ich der Meinung, dass die Aufteilung des Marktes nach Consumer und nach Business immer schwieriger wird. Dies hängt mit der Bring-your-own-Device-Thematik zusammen. Die Anwender nutzen bei der Arbeit und zuhause dasselbe Gerät. Die Unterscheidung, ob das nun ein Consumer- oder ein Business-Gerät ist, kann man kaum mehr machen.
Wird das auch einen Einfluss darauf haben, wie die Hersteller die Geräte konzipieren und vermarkten?
Je höher der Anteil an mobilen Geräten wird – und dieser Anteil wird weiter steigen –, desto stärker wird die Grenze zwischen Home- und Business verschwinden. Nehmen wir Smartphones als Beispiel: Früher war die Aufteilung klar: Blackberry und Windows Phones waren für Business-User, der Rest für den Consumer. Heute gibt es keine Business- und Consumer-Smartphones mehr. Diese Entwicklung sehe ich auch bei mobilen Rechnern. Hinzu kommt: Lange zählten im Mobile-Bereich die günstigen Geräte zum Consumer-Segment, während die teuren, leichten Notebooks fürs Business waren. Das hat aber plötzlich gedreht, die Hersteller haben günstige Linien für Unternehmensanwender gebracht, und die hübschen, teuren Geräte wurden zuhause verwendet.


Und wie sehen Sie die Entwicklung für 2013 unabhängig von der Unterscheidung zwischen Consumer und Business?
Lässt man den Tablet-Markt weg, muss man wohl davon ausgehen, dass sich der mobile PC-Markt auch in diesem Jahr nicht steigern wird. Tablets werden Notebooks auch 2013 das Wasser abgraben. Und auch für den Desktop-Bereich bin ich eher skeptisch. Die Unternehmen sind nach wie vor daran, auf Windows 7 zu migrieren – und für Windows 7 reichen in der Regel die Geräte, die bereits in den Firmen stehen.

Ist denn die Migrationswelle auf Windows 7 noch nicht abgeschlossen?
Nein, keineswegs. Deshalb sind auch die Windows-8-Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. Die Firmen kaufen vielleicht schon Lizenzen für Windows 8, tun dies aber auf Vorrat, um von besseren Konditionen profitieren zu können. Migriert wird nach wie vor primär von Windows XP auf Windows 7. Entsprechend gross ist der Gap zwischen verkauften und tatsächlich installierten Windows-8-Lizenzen.

Kommen wir nochmals zurück auf Ultrabooks: Glauben Sie, dass die Gerätekategorie den Durchbruch in diesem Jahr schaffen kann?
Ultrabooks sind verhältnismässig teuer, das ist nach wie vor ein Problem. Allerdings werden die Preise herunterkommen. Deshalb glaube ich, dass Ultrabooks innerhalb des mobilen Notebook-Marktes ihren Anteil steigern werden. Aber das Wachstum bei den Ultrabooks wird nicht ausreichen, um den gesamten mobilen PC-Markt wachsen zu lassen. Die Tablet-Konkurrenz ist zu gross.


Sprechen wir ein wenig über die einzelnen Hersteller: Lässt man Tablets aussen vor, ist Lenovo weltweit die Nummer 1. Glauben Sie, dass Lenovo auch in der Schweiz an die Spitze kommen kann?
Die Schweiz ist im PC-Bereich ein HP-Land, bedingt auch durch den starken Channel. Doch Lenovo gewinnt in der Schweiz an Bedeutung, und ich bin der Meinung, dass dies vor allem mit der Produktqualität zusammenhängt. Lenovo baut hervorragende Geräte und der Thinkpad-Brand wird in den Köpfen der Konsumenten noch immer mit IBM in Verbindung gebracht. Gerade im Business-Bereich hilft das.

Sie haben HP angesprochen: Wie weit leidet HP noch unter der Geschichte rund um den Verkauf der PC-Sparte? Hallt das bei den Händlern noch immer nach?
Einen Gefallen hat sich HP mit der Geschichte sicherlich nicht getan, denn die Händler, die vorher nur auf HP gesetzt haben, haben sich inzwischen ein zweites Standbein geschaffen. So ist beispielsweise oft Lenovo zum Zug gekommen. HP möchte sich ähnlich entwickeln wie damals IBM. IBM ist den Weg in Richtung Service-Anbieter konsequent gegangen, hat zuerst die Druckersparte verkauft, dann die PC-Sparte, und so weiter – die Geschichte kennen wir. HP aber getraut sich diesen Weg nicht so konsequent zu gehen.


Wenn wir bei diesem Thema sind: Auch Dell möchte sich als Dienstleister positionieren. Wie sehen Sie die Position von Dell im PC-Markt Schweiz?
Bei Dell fällt mir auf, dass sich das Unternehmen seit rund anderthalb Jahren völlig anders verhält als früher – gerade in der Schweiz. Dell Schweiz kommuniziert viel offener, bemüht sich darum, Marketing-Budgets ins Land zu bringen und näher zum Kunden zu gehen. Zudem hilft die Partnerschaft mit Alltron und grundsätzlich der Vertrieb via Channel beim PC-Absatz.

Einer der grossen Verlierer der letzten Jahre ist Acer. Glauben Sie, dass Acer die Trendwende schafft?
Als Gianfranco Lanci – der heute ja bei Lenovo ist – Acer verliess, ging wahnsinnig viel Retail-Know-how verloren. Ich glaube nicht, dass Acer nochmals das Gewicht im Retail zurückgewinnen kann, das das Unternehmen einmal hatte. Acer wurde ins zweite Glied zurückgestuft und wird dort bleiben. Der Schweizer PC-Markt wird auch in absehbarer Zukunft von HP, Lenovo, Apple und Dell dominiert werden. Den Rest werden Acer, Asus, Samsung, Sony und Toshiba unter sich aufteilen.


Sprechen wir abschliessend noch ein wenig über Geräteklassen. Wohin gehen die PC-Trends in diesem Jahr?
Im Desktop-Bereich sind All-in-Ones sicher ein Trend und man wird eine Reihe neuer Geräte sehen. Im Business-Umfeld sehe ich eine Entwicklung Richtung Small Clients – also schlanken, energieeffizienten Geräten. Im mobilen Umfeld wird, wie schon gesagt, die Bedeutung von Ultrabooks zunehmen. Ich glaube an dieses Konzept. Bei den Tablets erwarte ich keine allzu grossen Entwicklungsschritte mehr – auch deshalb, weil das Verhältnis zwischen Leistung, Gewicht und Akku-Lebensdauer heute schon sehr ausgeglichen ist. Ich glaube aber, dass die Bedeutung von Tablets im Geschäftsumfeld zunehmen wird. Ein Tablet mit einer externen Tastatur sowie den entsprechenden Apps kann schon heute ein Notebook im Geschäft ersetzen. Einen Trend, den ich für die kommenden zwei Jahr zudem sehe, ist das Thema Augmented Reality beziehungsweise den sogenannten Second Screen. Die Entwicklung geht dahin, dass mehrere Informationsebenen übereinander gelegt werden. Das kann beispielsweise mit Geräten wie Google Glasses geschehen oder mit zusätzlichen Informationsebenen auf dem PC-Bildschirm. Beispiele sieht man schon heute in der Automobilindustrie mit den Head-up-Displays. Diese Entwicklung im IT- und CE-Umfeld wird spannend zu beobachten sein. (mw)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welchen Beruf übte das tapfere Schneiderlein aus?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER