IT-Distributoren zeigen sich gegenüber Social Media zurückhaltend

Obwohl Social Media auch im Business-Umfeld immer mehr Einzug hält, geben sich insbesondere IT-Distributoren in diesem Bereich noch eher bedeckt. «Swiss IT Reseller» hat bei den Distributoren nach den Gründen für diese Zurückhaltung gefragt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2013/09

     

Beobachtet man die Entwicklung der sozialen Medien, stellt man fest, dass die neue Kommunikationsform auch im Business-Umfeld immer mehr Einzug hält. Da überrascht es doch einigermassen, dass ausgerechnet in der IT-Branche die Unternehmen dem Trend relativ skeptisch gegenüberstehen. Zwar nehmen sich Reseller dem Thema immer mehr an, doch im Umfeld der Distributoren ist eher wenig Bewegung auszumachen. «Swiss IT Reseller» hat diesen Umstand zum Anlass genommen, sich bei den Distributoren nach den Gründen für die Zurückhaltung zu informieren.

Facebook wird eher privat genutzt


«Eine Herausforderung für die Distribution liegt sicher darin, dass sie in der Regel nicht mit dem Endkunden kommunizieren will und soll», führt Kevin Ahlers, Marketingverantwortlicher bei Tech Data, an das Thema heran. Und er ergänzt: «Social-Media-Plattformen sind naturgemäss sehr offen und die Ansprache der gewünschten Zielgruppe ist nur beschränkt kontrollierbar.»
Bei einigen Plattformen scheint dieses Problem allerdings stärker ausgeprägt zu sein als bei anderen. So bestätigen alle befragten Distributoren durchs Band, dass Facebook sich im B2B-Bereich weniger eignet, als beispielsweise die Business-Plattformen Xing und Linkedin, aus denen den Aussagen der Distributoren zufolge tatsächlich ein Mehrwert gezogen werden kann. Tabea Zuberbühler-Henke, PR-Verantwortliche bei Studerus, erklärt diesen Umstand damit, dass die Menschen auf Facebook eher privat unterwegs sind. Facebook eigne sich somit besser für die Präsenz einer Consumer-Marke als für die Präsenz eines Distributors selbst, der verschiedene Marken gegenüber seinen Business-Partnern vertrete.
Diese Überzeugung teilt auch Martin Kost, Experte im Bereich soziale Medien und Inhaber der Social-Media-Agentur Standout: «Facebook wird tatsächlich eher zu privaten Zwecken verwendet als andere Netzwerke und eignet sich deshalb eher für B2C-Modelle als für den B2B-Bereich.» Xing und
Linkedin seien derweil in erster Linie Plattformen für die Pflege von beruflichen Netzwerken, was für B2B-Unternehmen seiner Erfahrung nach erfolgsentscheidend sein könne. «Eine direkte Ansprache von potentiellen neuen Business-Partnern über Xing oder Linkedin ist dann besonders erfolgsversprechend, wenn man dem Gegenüber interessante Informationen und Inhalte bieten kann. So entstehen Dialoge, die zu neuen Partnerschaften führen können», weiss Kost.

Twitter: Geniales Tool oder überbewertet?


Während sich die Distributoren im Wesentlichen darüber einig sind, dass Facebook in ihrer Branche eine eher geringe Bedeutung zukommt, scheiden sich bei Twitter die Geister. Sven Müller, Consultant bei Zibris, bezeichnet Twitter als geniales Tool, das ihm dabei hilft, sich innert kürzester Zeit eine Übersicht über Informationen zu Herstellern und Produkten zu verschaffen, welche für seinen Job relevant sind. Er könne deshalb nicht verstehen, weshalb so wenige Leute mit Twitter arbeiten. Genau die gegenteilige Meinung vertritt derweil Damian Suter, CEO des Marketingkommunikationsunternehmens Captiva: «Ich bin immer wieder erstaunt, welcher Stellenwert Twitter zugesprochen wird. Denn in der Praxis stelle ich fest, dass die schiere Menge an Informationen beziehungsweise Tweets für Business-Leute schlicht nicht handelbar ist.»
Martin Kost kommentiert diese gegensätzlichen Auffassungen mit der Tatsache, dass in der IT-Branche überdurchschnittlich viele Professionals auf Twitter vertreten sind. «Das Potential liegt weniger beim Verbreiten von Marketing-Botschaften, sondern in der schnellen Eins-zu-Eins-Kommunikation», erklärt er. Zudem lassen sich auf Twitter seinen Angaben nach die Stimmungen im Web zu bestimmten Themen gut monitoren.

Der Vorteil der Reseller


Die Aussage, dass Facebook sich besser dazu eignet, Endkunden anzusprechen, wirft die Frage auf, ob Reseller gegenüber den Distributoren im Bereich der sozialen Medien eine bessere Ausgangslage geniessen. Die Meinungen diesbezüglich gehen wiederum auseinander. Während Thomas Maurer, CEO von Ingram Micro, sowie Damian Suter von Captiva die Frage mit «Ja» beantworten, relativiert Tabea Zuberbühler-Henke von Studerus die Aussage etwas: «Es kommt ganz auf die Plattform an. Social Media ist ein weiter Begriff. B2B-Unternehmen wollen sich gegenüber ihren Business-Kunden primär als Dienstleister positionieren. Reseller mit dem Zielgruppenfokus Endkunden – sprich Privatkunden – haben möglicherweise auf den ersten Blick eine einfachere Ausganglage, da sie ihre Kunden auf den grossen Plattformen wie Facebook und dergleichen leichter erreichen.» Auch Kevin Ahlers von Tech Data glaubt, dass es Reseller «insofern einfacher haben, als dass sie unbeschränkt mit Endkunden kommunizieren können und allfällige Streuverluste kaum ins Gewicht fallen». Sven Müller von Zibris ist indessen der Ansicht, dass es sich nicht um ein Reseller- oder Distributor-Problem handelt, sondern die Social-Media-Bemühungen oftmals am dafür mangelnden Bewusstsein im Business-Umfeld scheitern.

Die Frage nach den Ressourcen


Neben der Frage, ob Distributoren in der Lage sind, über die verschiedenen Social-Media-Plattformen die für sie relevante Zielgruppe anzusprechen, beschäftigt die Befragten vor allem auch das Thema Ressourcen. Denn wie der Marketingverantwortliche von Tech Data, Kevin Ahlers, erklärt, erfordert der erfolgreiche Einsatz von Social Media ein beträchtliches Investment an Zeit und Ressourcen. «Weil Social Media die traditionellen Kommunikationsmittel nicht ersetzt, sprechen wir hier über den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten», führt er aus. Und Captiva-CEO Damian Suter gibt zu bedenken: «In der Regel steht Firmen ein bestimmtes jährliches Kommunikationsbudget zur Verfügung. Dieses wird durch das Aufkommen neuer Kommunikationskanäle nicht grösser. Folglich findet ein Verteilungskampf um die vorhandenen Mittel statt.» Nicht ganz so kritisch eingestuft wird die Situation von der PR-Verantwortlichen von Studerus, Tabea Zuberbühler-Henke, die argumentiert, dass die sozialen Medien zwar einen hohen Personalaufwand mit sich bringen, die Kosten pro Kontakt dafür aber oftmals geringer ausfallen als bei der klassischen PR.

Die Schwierigkeit, den Erfolg zu messen


Was Zuberbühler-Henke hingegen als problematisch ansieht, ist die Schwierigkeit, den Aufwand für die jeweiligen Social-Media-Aktivitäten im Voraus zu planen. Diese Aussage geht in eine ähnliche Richtung wie diejenige von Zibris-Consultant Sven Müller, der die Schwierigkeit, den Erfolg der Aktivitäten zu messen, sowie das mangelnde Know-how bezüglich der Pflege der Auftritte auf den einzelnen Plattformen als weitere Gründe für die Zurückhaltung der Distributoren im Bereich Social Media anführt.
Social-Media-Spezialist Martin Kost rät den Distributoren an dieser Stelle zu kostenlosen Social Media Tools wie Hootsuite, die zu mehr Effizienz im Bereich der sozialen Medien führen und Unternehmen beim Moni-
toring ihrer Aktivitäten unterstützen sollen. Wichtig sei zudem, vor dem Aufsetzen seines Auftritts auf einer Social-Media-Plattform eine Strategie definiert zu haben, in der festgelegt wird, mit welchen Inhalten die jeweiligen Zielgruppen auf den verschiedenen Kanälen angesprochen werden sollen.
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Punkten nennt Damian Suter von Captiva als weitere Hürde den Umstand, dass im Bereich der klassischen Marketing-Kommunikation unzählige versierte Dienstleistungsanbieter existieren, die ihre Kunden umfassend bedienen, während diese Entwicklung im Bereich der sozialen Medien noch in den Kinderschuhen steckt. «Viele Fragen wie: ‹Wo liegen die richtigen Schnittstellen mit und zu externen Partnern?› oder ‹Was muss firmenintern geschehen?› sind im Gros der Firmen noch nicht geklärt. Werden dann erste Gehversuche gemacht, ist das Risiko gross, dass sich nach der ersten Euphorie Ernüchterung einstellt», geht er näher auf die Problematik ein. Laut Kost kann die Social-Media-Strategie eines Unternehmens auch extern entwickelt werden. Das Community Management sollten die IT-Distributoren jedoch besser intern durchführen.

Der Klang der Zukunft


Darauf angesprochen, ob ihr Unternehmen in nächster Zeit vermehrt auf Social Media setzen möchte, antworteten die meisten Distributoren eher zurückhaltend. So erklärt Tabea Züberbühler-Henke, dass man bei Studerus derzeit gerade evaluiert, ob sich eine Social-Media-Präsenz für das Unternehmen lohnen würde. Die Voraussetzung hierfür seien jedoch eine klare Strategie sowie klar definierte Kommunikationsziele. Damit Zibris seine Bemühungen im Bereich Social Media verstärkt, müsse laut Sven Müller erst einmal das Bewusstsein im Business-Umfeld geschärft werden.
«Noch sind erst zehn Prozent unserer Mitarbeiter aus der Generation Y. Aber jedes Jahr steigt der Anteil dieser jungen, gut vernetzten und sehr kommunikativen Mitarbeiter. So verwenden viele junge Leute E-Mail-Accounts lediglich dazu, sich bei verschiedenen Plattformen einwählen zu können. Der Rest der Kommunikation erfolgt dann über Whatsapp, Facebook, Twitter, iO-App und Skype», erklärt der CEO von Ingram Micro, Thomas Maurer, ab-
schliessend. «Es kann gut sein, dass Ingram Micro eines Tages ein Enterprise-Social-Media-Produkt verwenden wird. Hier liegt die Betonung auf Enterprise, was eben bedeutet, dass die Kommunikation mit den Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern den Geschäftsführungspflichten entspricht.» Eine Voraussetzung sei hierzu entsprechend die Professionalisierung der Social-Media-Tools für den B2B-Bereich. So zum Beispiel im Bereich der Aufbewahrungs- und Archivierungspflicht von Geschäftskorrespondenz.

Verlagerung in Richtung Online-Versand


Martin Kost zufolge könnte jedoch bald der Zeitpunkt kommen, wo sich auch für die Distributoren eine Auseinandersetzung mit dem Thema Social Media nicht mehr vermeiden lässt. Denn: «Spannend ist, wie sich die Verlagerung des Marktes in Richtung Online-Versand auswirkt. Distributoren brauchen eine Strategie, wie sie sich im veränderten Markt positionieren können.» Demnach sollten Distributoren mit direktem Online-Versand Social Features wie Bewertungsmöglichkeiten und Share-Buttons für Facebook und Twitter einbinden. Denn im Online-Vertrieb spiele Mundpropaganda eine wichtige Rolle.
Im Rahmen dieses Ratschlages weist Kost ausserdem darauf hin, dass sich für B2B-Unternehmen auch ein Produkte-Blog lohnen könnte, auf dem sich Business-Partner über die Produkte informieren und allenfalls «ihre Begeisterung durch Facebook oder Twitter mit ihren Netzwerken teilen» können. Zudem helfe ein derartiger Blog, via Google besser gefunden zu werden.
Weitere Ratschläge für den erfolgreichen Einsatz von Social Media im Unternehmen findet man auf den nächsten vier Seiten, auf denen Reseller Brack.ch und Distributor Datastore über ihre persönlichen Erfahrungen mit den sozialen Medien berichten. So verrät Brack.ch beispielsweise, was beachtet werden muss, um möglichst geeignete Plattformen für seinen Social-Media-Auftritt auszusuchen, während Datastore ausführt, weshalb sich ein Facebook-Auftritt trotz der Zweifel auf Seiten der befragten Distributoren auch für diese Branche lohnt.
(af)


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