Dass IT in seinem Leben eine grosse Rolle spielen wird, zeichnete sich bei Renato Stalder, Geschäftsführer von
Soreco, schon früh ab: Sein erstes Geld verdiente er bereits als Teenager mit einer selbst programmierten Software für einen Minigolfclub. Geboren 1970, gehört er zur Generation, die mit dem Commodore C64 aufwuchs. Seinen ersten eigenen PC ergatterte er für 5500 Franken – damals war das ein Schnäppchen, denn das Gerät hätte eigentlich das Doppelte gekostet. Stalder arbeitete jedoch zu dem Zeitpunkt bereits für IBM, was ihm günstige Konditionen verschaffte.
1992 geriet IBM in eine Schieflage. «6 Milliarden Dollar Verlust in einem Jahr – heute schaffen das Banken ja in wenigen Minuten, aber damals war das sehr aussergewöhnlich», führt Stalder aus. In den folgenden Jahren wurde weltweit eine sechsstellige Zahl von Angestellten entlassen. Die Abteilung von Renato Stalder stand ebenfalls auf der Abschussliste. Aus der Not heraus übernahm sein damaliger Chef mit 13 anderen IBM-Mitarbeitern – darunter auch Stalder –
Soreco, ein Joint Venture von IBM und Walter Rentsch (später Canon Schweiz). «Damals fand ich die Situation überhaupt nicht lustig. Rückblickend aber muss ich sagen: Der Wechsel war das Beste, was mir passieren konnte», ist Stalder überzeugt.
Bei Soreco habe man sich zu Beginn ins Zeug gelegt «mit einer Energie, wie sie wohl nur ein Start-up haben kann». Dem jungen Unternehmen, das von Beginn weg auf HR und Finanzsoftware spezialisiert war, kamen zwei Dinge entgegen: Die Einführung der Mehrwertsteuer Mitte der neunziger Jahre führte dazu, dass Finanzsoftware sehr gefragt war und das Unternehmen auf 50 Mitarbeiter wuchs; etwas später verschaffte die bevorstehende Millennium-Problematik dem Softwarehaus eine Menge Aufträge.
Hilfreicher Perspektivenwechsel
Renato Stalder, der sich noch nie als Hardcore-Programmierer sah, arbeitete bei
Soreco zunächst im Verkauf. «Ich gehörte zu denen, die den Entwicklern sagten: Was ihr entwickelt, kann man gar nicht verkaufen. Sie entgegneten: Was ihr verkauft, kann man gar nicht entwickeln», so der 44-Jährige. Seine «grosse Klappe» habe dann dazu geführt, dass man ihn zum Entwicklungsleiter ernannt habe, obwohl er selbst nach eigener Einschätzung gar nicht entwickeln konnte. Geschadet hat es dem Unternehmen offensichtlich nicht. Seit 2003 ist Stalder als Geschäftsführer tätig, zwischen 2007 und 2010 war er zudem auch Hauptaktionär. Der Verkauf sei das, was ihm am besten gefallen habe unter all seinen Tätigkeiten. Der Kontakt mit Kunden und der Aussenwelt sage ihm zu. Verkaufen sei auch heute noch Teil seiner Arbeit, das gehöre immer in irgendeiner Form dazu.
Als völlig missglückt bezeichnet Stalder den Versuch, einen Geschäftsteil in die Ukraine auszulagern. Er erkannte, dass das Problem im Graben zwischen den Schweizern («wir hier») und den ausländischen Angestellten («die dort») lag, zog die Lehren daraus – und im zweiten Versuch klappte es. Heute arbeitet 40 Prozent der Belegschaft in Vietnam. Der wohl wichtigste Grund, warum es jetzt klappt: «Es gibt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.» Diese kommt durch den regen Austausch auf gleicher Höhe und eine veränderte Arbeitsmethodik zustande. Bemerkenswert: Jeder Projektleiter muss sein Projekt vor Ort in Vietnam vorstellen.
Beruf und Freizeit gehen Hand in Hand
Das kommt nicht von ungefähr, denn Reisen ist Stalders Leidenschaft, und er ist überzeugt, dass jeder Mensch in der Welt herumkommen sollte – so auch seine Mitarbeiter. «Man weiss dann zwar immer noch nicht, wie die Welt funktioniert, aber man ist sich dessen wenigstens bewusst. Der Horizont erweitert sich», erklärt er. Stalder selbst hat es in letzter Zeit vor allem nach Asien gezogen. Das einzige asiatische Land, das er noch nie bereist hat, ist Burma. Sein privates Interesse für andere Kulturen scheint ihm beruflich bei seinen Offshore-Bemühungen entgegenzukommen. So habe man Vietnam aufgrund einer Kulturanalyse ausgewählt, erklärt Stalder. Er ist der Ansicht, dass die vietnamesische Kultur gut mit der schweizerischen harmoniert, während die indische Kultur besser zur amerikanischen passe.
Stalder zieht keine so scharfe Grenze zwischen Berufs- und Privatleben, wie viele andere dies tun. «Mein Ziel ist immer ein Job gewesen, der so viel Spass macht, dass diese strikte Trennung gar nicht nötig ist. Als Folge davon arbeite ich sicher mehr als die klassischen 40 Stunden pro Woche, aber dafür fällt mir die Arbeit auch weniger zur Last.» Man nimmt ihm das ohne weiteres ab. Der gebürtige Berner macht – ganz dem Klischee entsprechend – einen alles andere als gestressten Eindruck. Er sei zunehmend ruhiger geworden, im Vergleich zu früheren Jahren.
Ausserdem sei er auf jeden Fall ehrgeizig, beschreibt Stalder sich weiter, jedoch seien ihm Anstand und Respekt vor anderen genauso wichtig wie persönlicher Erfolg. Unter Managern gelte dies vielleicht nicht als positive Eigenschaft, meint er, und vermutet, dass ein rücksichtsloser Manager die Firma zu schnellerem Wachstum hätte bringen können. Auf die Unternehmenskultur unter seiner Leitung führt er dafür die geringen Mitarbeiterfluktuationen zurück, die auch für die Kunden positiv seien. Unter dem Strich glaubt Stalder, dass sein Stil durchaus Erfolg bringt.
Renato Stalder
Renato Stalder ist 1970 geboren und in der Stadt Bern als einziges Kind einer Hausfrau und eines Versicherungsangestellten aufgewachsen. Stalder brach zwar das Gymnasium ab, absolvierte jedoch eine Berufsmatura und schloss später den MBA (Master of Business Administration) ab. 1989 stieg er bei IBM ein. Seit 1994 ist er ununterbrochen bei
Soreco tätig, zuerst im Verkauf, ab 1998 als Entwicklungsleiter, ab 2003 als Geschäftsführer. Stalder ist liiert, aber nicht verheiratet und lebt heute im Kanton Solothurn.
(dl)