Gabriela Keller geht achtsam mit Worten um, strukturiert ihre Sätze. Doch die 47-Jährige, die im Juli 2016 zum CEO von Ergon ernannt wurde, folgt in ihrem Leben keinem strikten Plan. Bereits Mitte der 80er-Jahre kommt sie mit Computern in Berührung. Zum einen an der Kantonsschule Wiedikon, die über mehrere Macintosh-Rechner verfügt, aber auch zuhause, da ihr Vater ebenfalls ein solches Gerät besitzt. Sie strahlt, wenn sie von ihren ersten Programmierversuchen in Pascal erzählt und vom kleinen Pixel-Elefanten, dem sie mit Code Leben eingehaucht hat.
Naturwissenschaftliche Themen liegen ihr, eine klare Vorstellung davon, was sie später beruflich machen will, hat sie jedoch nicht. In ihr reift aber der Gedanke, Informatik zu studieren. "Es war einfach ein Gefühl. Nach der Matura habe ich mich direkt an der ETH eingeschrieben." Es ist die tiefe Leidenschaft für das Programmieren, die sie vorantreibt, denn das Studium ist anspruchsvoll. "Die ersten Wochen waren schlimm. Ich kam aus einem humanistischen Gymnasium. Wir haben mit der Mathematik dort unten aufgehört, an der ETH ging es da oben los", sie verdeutlicht den Unterschied mit einer Handbewegung.
"Ich hatte trotzdem das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Das Studium hat mir Freude bereitet und ich habe es auch auf Anhieb durch alle Prüfungen geschafft – auch wenn mich noch Jahre nach dem Abschluss jeden Herbst zur Prüfungszeit ein ungutes Gefühl beschlich", gesteht sie unumwunden. "Ich würde diesen Weg aber jederzeit wieder einschlagen." Obwohl ihr Leben sehr dynamisch ist, gibt es dennoch zwei Dinge, die fest darin verankert sind und die sie massgeblich geprägt haben. Neben ihrer Geschichte bei Ergon ist dies vor allen Dingen die Beziehung zu ihrem Partner.
Die Partnerschaft als tragende Säule
Seit 26 Jahren ist Gabriela Keller mit dem Architekten Jürg Gabathuler liiert und lebt mit ihm in Wollerau, wo dieser aufgewachsen ist. Sie betrachtet die Gemeinde am Zürichsee als ihre Heimat. So war sie während zehn Jahren Präsidentin der Kulturkommission. Das kommt nicht von ungefähr, Gabriela Keller ist eine Ästhetin und an Kultur und Design interessiert.
"Ich fühle mich hier zuhause. Wollerau ist nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, nur ein Domizil zur Steueroptimierung – es gibt eine sehr gut funktionierende Dorf-Gemeinschaft", sagt sie lachend. Gleichzeitig schlägt ihr Herz für Zürich und sie würde auch gern in der Stadt leben, aber das Pendeln habe auch Vorteile. Sie schätze die Zeit im Zug bis zum Bahnhof Enge und von dort auf dem Fahrrad auf dem Weg zu ihrem Büro. Der Heimweg sei für sie dann ein erstes Abschalten nach dem Arbeitstag.
Als Ausgleich treibt sie wenn immer möglich Sport, meistens zu Fuss, auf den Skiern oder auf dem Fahrrad und geniesst die Zeit mit ihrem Partner – auch auf Reisen. Sie waren schon auf dem Kilimandscharo und in Südamerika, sind aber auch gern in der Schweiz unterwegs. Diese wertvolle Zeit ist im letzten Jahr etwas weniger geworden. Zwar hätten sie in der Firma Jahresarbeitszeiten, an die sich auch die Geschäftsleitung zu halten habe, ihre neue Funktion bringe aber mit sich, dass man nicht jede Stunde akribisch protokolliere.
Der Weg an die Spitze
Nach dem Studium bekam Gabriela Keller eine Assistenzstelle an der ETH, merkte jedoch schnell, dass die wissenschaftliche Arbeit ihr nicht zusagte. Als sie von einem ehemaligen Studienkollegen von der Firma Ergon hörte, bewarb sie sich und bekam 1994 eine Stelle als Software-Entwicklerin. Ergon war zu dieser Zeit noch im Elternhaus des Gründers Theodor Graf einquartiert und Gabriela Keller die fünfzehnte Mitarbeiterin. Heute programmiert sie nicht mehr. "Ich habe mich schon lange vom ersten Jobprofil wegentwickelt." Dennoch ist sie noch immer für ihren ersten Kunden tätig, den Pharmariesen Roche, den sie beratend begleitet.
Wie viele ihrer heute rund 270 Mitarbeiter ist sie schon lange bei Ergon. Hat sie denn nie mit dem Gedanken gespielt, zu neuen Ufern aufzubrechen? "Das wurde bisher nicht nötig, denn die Firma selbst hat sich in den vielen Jahren stark verändert. Ich habe hier viel erlebt, konnte mich weiterentwickeln und kann heute auf dieser Basis aufbauen." Die Funktion als CEO hat sie aber nicht konsequent angestrebt. Zwar sei schon 2010 die Frage im Raum gestanden, ob sie einmal die Führung übernehmen solle. Damals wurde ein mehrjähriger Prozess zur Verjüngung des Management-Teams initiiert. Es sollte dann aber noch fünf Jahre dauern, bis sich diese Veränderung konkretisierte. In dieser Zeit war für Gabriela Keller stets klar, dass es kein Problem wäre, wenn sie nicht an die Spitze von Ergon berufen würde.
Der Mensch steht im Vordergrund
Der Teamgedanke ist ein wichtiger Pfeiler ihrer langen Karriere. Auf die Frage, welche Highlights sie in dieser Zeit erlebt habe, antwortet sie ohne zu zögern: "Die Leute. Man kann sich zur Mittagszeit irgendwohin setzen und schon sprudelt es los. Die Vielfalt der Mitarbeiter ist grossartig, nicht nur in Bezug auf die Arbeit. Viele haben spannende Hobbies und es gibt immer etwas zu erzählen." Erst als Zweites nennt sie erfolgreiche Projekte und zufriedene Kunden als weiteren Höhepunkt. "Ich bin wahrscheinlich auch nicht die wichtigste Person hier, dieses Gefühl habe ich wirklich nicht", sagt sie weiter.
In ihrer Beziehung zur Firma ist für sie eine gewisse innere Unabhängigkeit zentral. "Ich war immer unabhängig, das haben mir meine Eltern so mitgegeben." Wenn es etwas gibt, das Gabriela Keller bereut, dann nur, dass sie die Schweiz nie für längere Zeit verlassen hat, denn Offenheit und die Fähigkeit, den Blick über den Zaun zu wagen, erachtet sie als wichtig.
Gabriela Keller
Gabriela Keller wurde 1969 als einzige Tochter zweier Lehrer in Zürich geboren und wuchs im Kreis 3 und später im Säuliamt auf. Sie besuchte die Kantonsschule Wiedikon und studierte danach an der ETH Informatik. 1994 erhielt sie eine Stelle als Software-Entwicklerin bei Ergon, blieb der Firma bis heute treu und verantwortete fast zehn Jahre lang Marketing und Personalwesen, bevor sie im Juli 2016 zur CEO ernannt wurde. Zum Ausgleich sitzt Gabriela Keller gerne auf ihr Fahrrad, läuft, flitzt mit den Skiern über die Pisten oder reist. Sie hat ausserdem eine Vorliebe für Architektur und Design.
(luc)
(Quelle: Ergon Informatik)