Michael Kägi empfängt uns im Ladenlokal im Zürcher Viadukt. Der heute 46-Jährige trägt ein T-Shirt, kurze Hosen und Sneakers. Er hat viel zu erzählen, denn seine Karriere als Serien-Unternehmer beginnt bereits Ende der 80er Jahre während des Studiums zum Lebensmittelingenieur an der HTL. Die Studenten konnten damals über die Hochschule einen PC zu günstigen Konditionen kaufen. Für Kägi war dieser jedoch nicht leistungsfähig genug, weshalb er einen aus Einzelteilen zusammenstellte. Mit seinem Freund Dominik "Knick" Brunner, der bei einer Bank arbeitete, witterte er sogleich die Chance, daraus ein Geschäft zu machen. Schon im Jahr darauf kauften viele Studenten die PCs von ihrer Firma, welche die Komponenten von überallher bestellte, vornehmlich aber aus Asien. Michael Kägi setzte diese dann selbst zu Rechnern zusammen. Er erzählt die Geschichte trocken, aber mit einem verschmitzten Lächeln. Sein Lebenslauf ist seither gespickt mit solchen Anekdoten. In jungen Jahren war das Geschäft sein Leben, wie er sagt. Sieben Tage die Woche zu arbeiten habe ihm nichts ausgemacht. Heute sieht er vieles anders.
Die Ruhe nach dem Sturm
Der Verkauf seiner 1994 in Erlenbach gegründeten und auf mobile Dienstleistungen spezialisierten Firma Minick an Swisscom im Jahr 2006 hat ihn und 16 weitere Leute zu Millionären gemacht. Mit Klangwandel hat er sich deshalb einen Traum erfüllt, "eigentlich ein Hobby", wie er sagt. Michael Kägi müsste nicht mehr arbeiten, dennoch steht er wenn nötig selbst im Ladenlokal und berät Kunden, die stilvolle DAB+-Radios kaufen wollen oder ganze Multiroom-Anlagen. Wieso er das macht? "Ich liebe Musik. Ich höre am Tag bis zu 15 Stunden Musik und kenne praktisch jedes Genre." Die Idee dazu hatte er, wie so oft in seinem Leben, in einer aussergewöhnlichen Situation, nämlich während einer Reise in die Südsee, die er mit seiner Frau nach dem Ausstieg bei Minick unternahm. Was er damals nicht wusste, war, dass er bald Vater werden würde. Seine erste Tochter kam dann fast zeitgleich mit der Eröffnung des neuen Geschäftes zur Welt. Dies führte zu einem inneren Konflikt. "Es liegt scheinbar nicht in meiner Natur, Dinge nur als Hobby zu betreiben", weshalb er im Jahr nach der Gründung von Klangwandel alles daran setzte, den Laden auf Erfolgskurs zu bringen. Schliesslich wurde dies neben seiner neuen Rolle als Vater zu viel. Heute ist sein Leben anders, er sei in erster Linie Familienmensch. In Bezug auf das Geschäftsleben sagt er: "Ich habe das Gefühl, ich sei satt, ich brauche nichts mehr." Auch seine Einstellung zu materiellen Gütern hat sich verändert. Früher hatte er drei Autos, heute fährt er Fahrrad. Er habe gemerkt, dass zu viel Geld einen korrumpieren könne. Er sei selbst auf der Kippe gestanden. Als er einst das nötige Kleingeld beiseite hatte, bestellte er einen Prospekt der Automarke Jaguar. Er kaufte sich allerdings nie einen, denn er merkte, dass er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, mit einem solchen Wagen herumzufahren. Auch die Ökologie hat einen hohen Stellenwert für ihn. So macht er bewusst keine Kurztrips mit dem Flugzeug und sein Rückzugsort ist ein Haus im Bündnerland, das auf 1500 Metern über Meer liegt, in Reichweite der Natur.
Im Herzen Unternehmer und Visionär
Trotz der Veränderungen in seinem Leben ist Michael Kägi im Herzen ein Entrepreneur geblieben. Neben seinem Engagement bei Klangwandel ist er noch immer im Verwaltungsrat von Bitforge, einer auf die Entwicklung von digitalen Spielen und Apps spezialisierte Firma, die er mitgegründet und aufgebaut hat. Ausserdem hat er 2013 mit seinem Cousin ein Unternehmen namens Coloryoursound ins Leben gerufen, das bunte textile Hüllen für Sonos-Lautsprecher herstellt und vertreibt. Nicht mehr zu arbeiten würde für ihn nicht in Frage kommen. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, eine gewisse Balance zu halten, wenn man nicht mehr arbeitet. Die Arbeit gibt einem schliesslich viel zurück." Einen Job annehmen würde er dennoch nicht, auch wenn er manchmal von alten Weggefährten noch Angebote erhalte. Er war schon immer sein eigener Chef und wird es wohl auch bleiben.
Michael Kägi wirkt jedoch nicht wie ein getriebener Unternehmer, der auf der Suche nach dem nächsten Kick ist. Im Gegenteil, er strahlt Ruhe aus. Er selbst sagt über sich, es brauche viel, bis er aus der Ruhe komme. Früher jedoch dürfte sein Leben hektischer gewesen sein. Jeder neue Kunde spornte ihn und seine Mitstreiter an, noch besser zu werden. "Es ging nie ums Geld an sich, sondern um den nächsten Abschluss. Wir wollten wachsen, hatten grosse Visionen." Ende der 90er Jahre liess er verlauten, sie wollten mit Minick das nächste Microsoft werden. So gesehen seien sie kläglich gescheitert. Er lacht. Misserfolge erachtet er als wichtig für die persönliche und berufliche Entwicklung. Als sein Unternehmen 1995 die virtuelle Stadt Minick City erschuf, in der man mit dem eigenen Avatar zum Beispiel in einen Pizzaladen schlendern, dort die eigene Postleitzahl eingeben und Produkte eines lokalen Pizzakuriers auswählen konnte, der die Bestellung dann per Fax erhielt und auslieferte, war das Projekt seiner Zeit weit voraus und vielleicht auch deshalb finanziell nicht erfolgreich. Dies als Rückschlag zu empfinden, liegt aber nicht in Kägis Naturell. Er ist ehrgeizig. Als er einmal einen Lauf über 100 Kilometer nach 90 Kilometern abbrach, korrigierte er dies bei der nächsten Teilnahme und lief die Strecke zu Ende.
Es geht um Tod und Leben
Er ist der Ansicht, dass sich meistens eine Lösung finden lässt, wenn man danach sucht. Ihm ist aber auch klar geworden, dass man gewisse Dinge akzeptieren muss, ohne etwas dagegen tun zu können, so etwa den Krebstod seines Vaters im letzten Jahr. Auch hat er seit längerer Zeit einen Tinnitus. Statt diesen zu bekämpfen, hat er ihn akzeptiert und gelernt, damit umzugehen. Trotz seines beruflichen Palmarès und seiner hochtrabenden Visionen ist Michael Kägi bescheiden. Er ist sich seiner Fähigkeiten und seines Erfolges bewusst, trägt diese aber nicht zur Schau. Seinen grössten Coup landete er denn auch nicht mit einem Geschäftsabschluss, sondern vor über zehn Jahren, als er die Frau heiratete, die er nur wenige Wochen zuvor in Kiev kennengelernt hatte: "Es war die radikalste Entscheidung meines Lebens", sagt er bestimmt. Sie haben zwei Kinder. Auch deshalb denkt er fieberhaft darüber nach, wie er sein Geschäft durch die nächste Transformationsphase manövrieren kann. Langweilig wird ihm sicher nicht.
Michael Kägi
Michael Kägi ist 1970 in Erlenbach am rechten Ufer des Zürichsees geboren und aufgewachsen. Während des Studiums zum Lebensmittelingenieur hat er sein unternehmerisches Talent entdeckt. Mit einem Freund importiert er PC-Komponenten und baut damit Rechner zusammen, die er verkauft. 1994 gründet er die Firma Minick, die er 2006 an Swisscom veräussert. Nach einer längeren Auszeit, während der er viel reist, gründet er 2009 das Musikfachgeschäft Klangwandel in Zürich. Das Reisen und sein Haus im Bündnerland nutzt er um abzuschalten. Michael Kägi ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
(luc)