Die sechste Version des Internet-Protokolls soll manche Nachteile des heute gebräuchlichen IPv4-Protokolls wettmachen: Die Sicherheit wird durch die Integration von IPsec erhöht.
Eine Priorisierung von Paketen ist von Hause aus möglich und das Routing wird schneller und flexibler. Vor allem aber ermöglicht IPv6 dank der 128-Bit- statt der bisherigen 32-Bit-URLs eine Vervielfachung der knapp werdenden IP-Adressen.
Die Basis für das erste, weltweite Forschungs-IPv6-Netzwerk bildet das europäische 16 mal 10 Gigabit-Netz Géant. Daran sind 43 Länder von Island bis zum Kaukasus angeschlossen. Bei der globalen Vernetzung sind ausserdem das US-Internet2, das russische Freenet sowie Forschungsnetzwerke in Kanada, Lateinamerika, Japan, Korea und China dabei.
In Australien werden zurzeit zwei 10 Gigabit-Unterseekabel in Betrieb genommen, so dass in Kürze auch der fünfte Kontinent mit von der Partie sein wird.
Die EU lässt sich ihr IPv6-Netz jährlich rund 50 Millionen Euro kosten. An das Hochleistungsnetzwerk ist jeder einzelne Forscher und jeder Student der beteiligten Institutionen – allein bei Géant sind es 3500 – direkt angebunden. «Wir arbeiten zurzeit daran, dass jeder Teilnehmer sofort automatisch Zugriff auf seine lokale Arbeitsumgebung an seiner Heimuniversität hat», sagte Géant-Chef Dany Vandromme. Die Wissenschafter sprechen stolz von einer Wiederherstellung des End-to-End-Prinzips im Internet.
Zögern bei den Providern
Doch das von den Forschern so hoch gelobte End-to-End-Prinzip reicht als Argument für kommerzielle Investition nicht aus. Auf dem freien Markt tut sich trotz mancher Lippenbekenntnisse zu IPv6 noch nicht allzuviel.
Eine weltweite Umstellung würde die Umkonfigurierung von mehr als hundert Millionen Computern bedeuten. Eine gewaltige Sache, auch wenn der Code, mit dem man einen Rechner in eine IPv6-Netz einbinden kann, bereits fest in Windows XP, MacOS X, Linux und andere Unix-Varianten eingebaut ist, und neue Router von
Cisco das Protokoll ebenso beherrschen wie die Telefone von
Nokia.
Einmal mehr steht die Frage von Huhn und Ei im Raum: Nokia-CTO Pertti Korhonen warnt die Carrier davor, auf eine Killerapplikation zu warten, die sich erst entwickeln könne, wenn die Infrastruktur da sei.
IPv6-Taxis
Als erster kommerzieller Provider hat die japanische NTT IPv6 ins Programm aufgenommen. Im Land der aufgehenden Sonne sind mit IPv6 ausgerüstete Autos als Taxis unterwegs. Die Zentrale kann so deren Einsatz besser steuern und die Fahrer werden ständig über Verkehrs-, Wetter- und Auftragslage auf dem Laufenden gehalten.
In Europa beabsichtigt die spanische Telefonica, schon bald IPv6 für Geschäftskunden anzubieten. France Telecom hingegen hat ihr Versprechen, das ganze IP-Netz noch 2004 IPv6-fit zu machen, in Brüssel relativiert und sprach nur noch von einer «proaktiven Beteiligung an der Einführung von IPv6».
Trotz des Zögerns insbesondere auch amerikanischer Player, scheint die Umstellung aber mit dem neuen, weltweiten Forschungsnetz einen wichtigen Schritt voranzukommen. (fis)