Mehr Geld mit bestehenden Kunden

Mit der Verzahnung von Mysap mit den Office-Applikationen und der Ankündigung von Analyse-Werkzeugen für jeden Mitarbeitenden im Unternehmen verfolgt SAP vor allem ein Ziel: Bei bestehenden Kunden soll noch mehr Lizenzumsatz durch zusätzliche Benutzer generiert werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/09

     

Nach wenigen Stunden an der Sapphire-Konferenz in Kopenhagen möchte man meinen, die Welt der Business-Software bestünde einzig und allein noch aus SAP. So gewaltig trifft einen die Ankündigungswalze, die CEO Henning Kagermann (Bild) und Cheftechnologe Shai Agassi auf die rund achttausend nach Dänemark gereisten Kunden, Partner, Journalisten und Analysten loslassen.
Mit typischem Understatement und unverwechselbar deutschem Akzent macht Kagermann in seiner Eröffnungsrede eine kleine Sensation publik: Die Kooperation zwischen SAP und Microsoft wird zu einer richtigen Software-Allianz ausgebaut. Unter dem Markennamen Mendocino wollen die Unternehmen künftig Software entwickeln, die erstmals im vierten Quartal dieses Jahres erhältlich sein wird. Damit sollen sich die beiden bislang getrennten Welten bei den Kunden zusammenführen lassen: So wird es möglich sein, direkt aus der gewohnten Office-Umgebung von Microsoft hinaus Prozesse im Mysap-System auszulösen und Daten ohne Informationsbrüche auszutauschen.

Positive Reaktionen

Kunden wie Partner reagierten positiv auf diese Ankündigung. Die vertiefte Zusammenarbeit mit Microsoft hat ihren Ursprung wohl in den erfolglos verlaufenen Fusionsgesprächen des letzten Jahres: Während ein vollständiger Zusammengang inzwischen vom Tisch ist, wurde dabei erkannt, dass man sich in gewissen Bereichen nicht konkurrieren soll, sondern verstärkt zusammenwachsen muss. Microsoft hofft darauf, mit Mendocino Grossunternehmen, die ja in Europa nahezu allesamt SAP-Kunden sind, bei der Office-Stange zu halten. Für SAP bedeutet die Neuerung, dass ihre ERP-Suite bei bestehenden Kunden künftig von viel mehr Mitarbeitenden benutzt werden wird, was den Verkauf spezieller Mendocino-Lizenzen ankurbeln wird. Dass Microsoft eine ähnliche Integration von Office mit der hauseigenen Mittelstands-Software Navision anstrebt, ist für Leo Apotheker, die Nummer zwei im SAP-Vorstand, kein Problem: «Wir haben wiederholt gesagt, dass wir in gewissen Bereichen zusammengehen und uns in anderen konkurrieren. Mendocino bedeutet auch nicht, dass wir uns vor Microsoft hinlegen. So gut geht es denen im Business-Bereich nämlich nicht», sagt er zu IT Reseller.

Business Intelligence für die Massen

Auch die zweite grosse Ankündigung, die Cheftechnologe Shai Agassi bei seinem Auftritt an der Sapphire machte, zielt unter dem Strich darauf ab, dass SAP bei ihren bestehenden Kunden mehr Lizenzen verkaufen kann: Unter dem Titel «Business Intelligence für die Massen» zeigte Agassi mit Flash-Elementen grafisch aufgepeppte Analyse-Werkzeuge, die seiner Ansicht nach von «hundert Prozent» der Mitarbeitenden in den Unternehmen eingesetzt werden sollen. Noch nicht klar ist allerdings, wieviel man dafür wird berappen müssen, dass jedermann diese Analytical Dashboards von seinem Arbeitsplatz aus nutzen kann.
Sowohl Kagermann als auch Agassi betonten, dass man sich auf der im letzten Jahr angekündigten Roadmap mit dem Ziel der für das Jahr 2007 angestrebten Voll-Service-orientieren Architektur im Zeitplan befinde. Rund 4000 Netweaver-Projekte würden derzeit weltweit laufen. Für SAP ist es jetzt der nächste logische Schritt, Netweaver zur Business-Process-Plattform zu machen. Damit sollen Unternehmen vorkonfigurierte Prozesse nutzen und diese über verschiedene Systeme hinweg verbinden können. Per sofort stehen laut Agassi 500 Muster-Enterprise-Services zur Verfügung, mit denen die Kunden herumspielen können und sollen, um den Anschluss nicht zu verpassen: «Die Zeit, mit der Einführung einer Enterprise Software Architecture (ESA) zu beginnen, ist jetzt. Warten Sie nicht zu lange», mahnte Agassi fast bedrohlich am Ende seiner Keynote. Wenn SAP-Kunden diese neuen Technologien und Architekturen einführen, bedeutet dies auch Arbeit für die Partner: «Gefragt sind allerdings andere Kompetenzen als das Einstellen von Tabellen wie vor zehn Jahren», sagt SAP-Boss Kagermann zu IT Reseller. Mit dem Marsch in Richtung Enterprise Services gebe es aber viele Möglichkeiten für ISVs, Software auf der Basis von vorgefertigten Komponenten zu entwickeln, was aber nicht bedeute, dass Systemintegratoren arbeitslos würden – denn implementiert werden müsse eine ESA beim Kunden genauso, meint Kagermann abschliessend.

Wenig Neues von Business One

Eher ruhig war es in den Keynotes und an der Pressekonferenz rund um die Mittelstandslösung Business One. Agassi stellte zwar in Aussicht, dass auch dieses Produkt im Rahmen von Mendocino an die Office-Welt wird andocken können. Einen genaueren Zeitpunkt für einen entsprechenden Release gab er aber nicht. Auf Zweifel am Erfolg von Business One reagierte Apotheker, der zweitmächtigste Mann bei SAP, dann eher ungehalten: «Global gesehen ist Business One ein erfolgreiches Produkt und wir werden es weiterentwickeln und anbieten. Damit hat es sich», sagt er zu IT Reseller. Nach Auskunft von Hansruedi Kuster, Marketingleiter von SAP Schweiz, gibt es heute in der Schweiz 150 laufende Business-One-Installationen. «Seit dem Release 2004, der Ende des letzten Jahres ausgeliefert wurde, verkaufen unsere Partner im Schnitt ein Business One pro Arbeitstag, weshalb wir mit zusätzlichen 200 Installationen bis zum Ende dieses Jahres rechnen dürfen», so Kuster in Kopenhagen zu IT Reseller. Nicht voll zufrieden hingegen scheint man bei SAP Schweiz mit dem Engagement einiger Business-One-Partner zu sein: «Wir haben total 10 Sales & Service-Partner, von denen drei sehr gut verkaufen», sagt Kuster. Diese seien die MTF-Gruppe, OBT und Steffen Informatik. Keinen Hehl macht Kuster aus seiner Enttäuschung darüber, dass RedIT nach anfänglichem Enthusiasmus einen Axapta-Partner übernommen hat und jetzt in eine andere Richtung marschiert: «Im Channel-Build für Business One hat es für uns einige weniger angenehme Aha-Erlebnisse gegeben», räumt er ein. Man wolle den Channel jetzt aber bewusst klein halten, damit der Markt nicht überbevölkert werde. (bor)

Schweizer Partner und Kunden: Reaktionen von der Sapphire

Für Pavel Stacho vom Berner Systemintegrator Sybor ist es erfreulich, dass SAP an der im Jahr 2001 eingeschlagenen Marschrichtung festhält: «Mit ihrer Service-orientierten Architektur ist SAP grundsätzlich dazu bereit, ihre angestammten Kundenlager wie Finanzen und Rechnungswesen wie auch ihre angestammten Produktgebiete zu verlassen», so Stacho am Rande der Sapphire in Kopenhagen zu IT Reseller. Man fokussiere offenbar heute viel mehr auf das Kerngeschäft seiner Kunden und weniger auf Management- und Support-Prozesse und adressiere die ganze IT. «Ob es die Firma aber schafft, beim CEO erfolgreich zu werden und nicht mehr nur beim CFO, so wie früher, muss sie erst beweisen.» Sehr erfreulich findet Stacho auf alle Fälle die Erkenntnis, dass die hehren Ziele ohne die Partner nur schwer erreichbar sind. Bezüglich der Kooperation mit Microsoft hat Stacho aber gemischte Gefühle: «Mich erstaunt ein wenig, dass man das jetzt nach -einem ähnlichen Versuch vor acht Jahren wieder probiert. Die Nachhaltigkeit wird sich weisen müssen», so Stacho.
Positiver sieht dies Marcel Richard von Cirrus Consulting: «Mendocino gefällt mir, weil SAP jetzt auf eine Oberfläche andockt, die wirklich häufig benutzt wird. Das trägt viel zur Vereinfachung der Masken und der Verbesserung der Usability bei», so Richard. Auch die übrigen Ankündigungen scheinen Richard beeindruckt zu haben: «Für mich ist SAP daran, die bestehenden Lücken zu füllen und ihre Versprechungen im Rahmen der Roadmap umzusetzen.» Zudem spüre man bei den SAP-Mitarbeitenden wieder eine Energie und Begeisterung, die man in den letzten zwei Jahren vermisst habe. Die Basis glaube offenbar wieder daran, was das Management erzähle.
Positives Echo auch von Schweizer Kunden, die IT Reseller an der Sapphire treffen konnte: «Wir fahren beim Bund seit 2002 auf dieser Strategie. Es freut uns deshalb natürlich zu sehen, dass man daran festhält, denn das schützt unsere bisherigen Investitionen», sagt Peter Künzi, SAP-Verantwortlicher beim Bundesamt für Informatik und Technologie (BIT). Zufriedenheit auch bei Rene Meyer, der als Portfolio-Manager SAP/AM bei Swisscom IT Services tätig ist: «Wir werden unsere eigene Plattform, diejenige für die Swisscom-Gruppengesellschaften und für neue Kunden wie Tamedia und Swiss in die Richtung einer Enterprise-Service-Architektur weiterentwickeln», sagt Meyer. Netweaver stelle dabei den Kern zukünftiger ERP- und Business-Suite-Lösungen dar. Auch von der angekündigten strategischen Partnerschaft zwischen SAP und Microsoft (Mendocino) ist Meyer beeindruckt: «Auf so etwas haben SAP-Benutzer seit R/3 gewartet». (bor)


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