Die Gilde der Assemblierer hat sich bereits frühzeitig entweder von der Abhängigkeit von
Microsoft oder der der PC-Hersteller emanzipiert und bietet ihre eigenen Media-Center-PCs an. Die einen bauen Entertainment-PCs selbst, die anderen greifen, wie es sich bereits bei herkömmlichen PCs bewährt hat, auf Barbone-Systeme zurück, die hinterher mit der entsprechenden Software bestückt werden. Bei den Media-Center-Lösungen erhoffen sich die Schweizer Assemblierer in den kommenden fünf Jahren ein grosses Wachstum.
Komplizierter als angenommen
Doch Media Center sind nicht so einfach assemblierbar, wie es scheint. Einfach ein Barbone nehmen, die Komponenten einstecken, das Betriebssystem installieren und dann ein funktionierendes Media Center zu erwarten, funktioniert in der Praxis nicht wirklich. «Man braucht sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um ein Media Center stabil laufen zu lassen», sagt Mesut Güngör, Geschäftsführer von
Prime Time Media Entertainment, gegenüber IT Reseller. Die Liestaler beschäftigen sich als einziges Unternehmen in der Schweiz ausschliesslich mit Media Centern. Prime Time hat den ersten Prototypen im November 2003 zum Laufen gebracht und arbeitet seither ständig an der Kompatibilität und Stabilität der Systeme. Prime Time assembliert selbst, greift aber auch auf Barbone-Systeme (Intel) zurück. Das Geschäft mit den Entertainment-PCs läuft für Prime Time laut eigener Aussage nicht schlecht. Das Unternehmen versendet täglich mindestens ein System, Tendenz steigend, so Güngör. «Leider kommt es immer wieder vor, dass unsere Konkurrenz in Tests schlecht abschneidet und somit ein schlechtes Licht auf alle Media-Center-PCs wirft», beklagt sich Güngör. Die eigenen Systeme liefen bis jetzt ohne Probleme. Die Nachfrage seitens der Kunden steige zur eigenen Überraschung rapide, sagt Güngör.
Erst sensibilisieren
Doch was hält Kunden noch davon ab, sich ein Media Center zuzulegen? Wie Gartner in einer Studie fest-
hält (IT Reseller berichtete), sind die Geräte noch zu kompliziert und werden zudem von den Herstellern und dem Channel schlecht vermarktet. Die Benutzer müssen mit der Idee des Media Centers erst vertraut werden. Noch schreckt die komplexe Technologie den Otto Normalverbraucher ab. Zudem wird Heimelektronik über den Preis verkauft, und dieser ist bei den neuen Systemen noch zu hoch.
Beim Deitinger Assemblierer Litenet beispielsweise ist denn auch die Nachfrage nach Media-Center-PCs noch extrem schleppend – pro Monat etwa drei bis vier Geräte – und die Endkunden zeigen noch längst nicht das erwartete Interesse. Betriebswirtschaftlich betrachtet lohnt sich das Zusammenbauen von Media Center PCs für Litenet noch nicht. «Vermutlich wissen potentielle Kunden nicht, dass es ein solches Gerät überhaupt gibt», konstatiert Sven Nuspel, Geschäftsführer Litenet. «Ausserdem sind die Kosten zu hoch.»
Und Pascal Ray, CEO
Reycom, fügt an: «Sicherlich ist es so, dass die Kunden zuerst auf die Möglichkeiten der Media-Center-Geräte sensibilisiert werden müssen. Ein Media Center muss man erleben, um es zu begreifen.» Oder wie sagte ein anonym bleiben wollender Assemblierer während der Orbit-iEX gegenüber IT Reseller: «Media-Center-PCs sind noch nicht wirklich aus den Kinderschuhen und im Moment noch etwas für Freaks.» Er selbst sehne sich manchmal nach einer hundsgemeinen Stereoanlage und einem normalen Fernseher zurück.
Reycom zumindest konnte aufgrund der steigenden Nachfrage und leicht günstigeren Komponentenpreisen soeben den Preis für ein Modell seiner Media-Center-Reihe senken.
Interesse steigt
Anders sieht das Andreas Müller, Country Manager bei
Medion Schweiz. «Die Geschäfte mit Multi Media Center laufen für uns hervorragend», frohlockt er. Der PC-Hersteller und Aldi-Hoflieferant fertigt eigene Systeme, kauft auf Kundenwunsch aber auch zu. Müller unterscheidet allerdings zwischen klassischen Multimedia-PCs mit der
Microsoft Media Center Edition und/oder der eigenen Home-Cinema-Lösung und Wohnzimmer-PCs. In letzterem Bereich befindet sich Medion erst in der Aufbauphase. «Für das Jahresendgeschäft liegen jedoch bereits sehr grosse Bestellungen vor», so Müller.
Ähnlich sieht es Hans Fuchs von Fuchs Computer Electronics, Einsiedeln. Zwar sei der Anteil der Entertainment-PCs am Gesamt-Consumer-Geschäft noch relativ klein, doch das Interesse seitens der Kunden sei definitiv vorhanden und steige ständig.
Vertriebskanal Fachhandel
Bis auf
Medion, dessen Geschäftsmodell auf den Retail ausgerichtet ist, sind sich alle Beteiligten einig, dass Media Center über den Fachhandel vertrieben werden sollten. «Media Center muss man erleben können», sagt Pascal Rey,
Reycom. «Die Systeme müssen vom Spezialisten erklärt und installiert werden.»
Auch Prime Time Entertainment ist derzeit in Gesprächen mit Distributoren und Unterhaltungselektronik-Fachhändlern.
Im Retail fehlt es in der Regel an geschultem Personal. Mit einer guten Beratung durch den Fachhandel hingegen lassen sich auch Folge- und Lösungsgeschäfte generieren. Denn der Verkauf eines Media-Center-PCs zieht nicht selten die Installation kompletter Home-Netzwerke inklusive TV-Anschluss nach sich. Der Fachhandel baut somit die Kundschaft von morgen für weitere digitale Produkte auf.
Eine Formsache
Wie sich nicht jeder das gleiche Sofa in die gute Stube stellen würde, gehen auch die Geschmäcker der Kunden hinsichtlich Entertainment-PCs auseinander.
Im Vordergrund stehen Design und eine einfache Bedienung. Bevorzugt werden kompakte, leise Geräte, die ins Wohnzimmer passen. Ein Gerät, das an einen PC erinnert, hat da keinen Platz.
Allerdings ist die momentane Artenvielfalt im Media-Center-Dschungel nicht wirklich weltbewegend. Die meisten Systeme gibt es entweder im Videorecorderformat oder in Würfelform. Die dominierenden Farben sind schwarz, weiss und silber. Bei der Form würden beide Varianten gleichermassen gefragt mit leichter Tendenz zu den flachen Geräten. Bei der Farbe steht, wie seit ein paar Jahren bei den Autos, Silber an erster Stelle. (sk)