Aus der IT-Ecke hört man oft den Vorwurf, Hersteller und Vertriebsorganisationen von Unterhaltungselektronik-Produkten würden ihre Händler zu Richtpreisen zwingen. Wer sich nicht daran halte und unter dem Preis verkaufe, werde nicht mehr beliefert, heisst es. IT Reseller ist der Sache nachgegangen mit einer Umfrage, an der sich über 60 UE-Händler beteiligt haben. Fazit: Nicht ganz die Hälfte (45 Prozent) der befragten Händler erhalten von ihren Lieferanten Preisvorgaben und halten sich auch daran oft aus Angst, nicht mehr beliefert zu werden. Ein knappes Drittel (29 Prozent) hält sich nicht an die Abmachungen und gestaltet die Preise nach eigenen Vorstellungen.
Beispiel Tetora
Oft wird in diesem Zusammenhang Tetora, die Einkaufsorganisation der EP- und Expert-Händler, genannt. Die Machenschaften der Organisation grenzten an illegale Preisabsprache, von einem kartellartigen Bündnis ist die Rede. Dass man bei der Einkaufsgemeinschaft Preisabsprachen mit den Händlern mache, verneint Tetora-Direktor Walter Züst: «Es wäre schön, wenn man Preise festlegen könnte, aber leider geht das nicht, denn man wäre sofort im Fokus der Wettbewerbskommission», sagt Züst im Gespräch mit IT Reseller. Züst macht aber klar, dass man versuche, sich gegen den durch die Transparenz des Internet verursachten Preiszerfall zu wehren. So werden gewisse ausgewählte, hochpreisige Produkte wie etwa Plasma-TVs und DVD-Recorder, die naturgemäss grösseren Erklärungsbedarf beim Kunden erfordern und bei denen Dienstleistungen angeboten werden können, im sogenannten VIP-Sortiment zusammengefasst.
Nicht im Internet
Der Tetora-Händler verpflichtet sich vertraglich, die Ware nicht im Internet anzubieten. Dass man gleichzeitig verlange, die Ware nicht unter den empfohlenen Preisen im Laden zu verkaufen, verneint Züst: «Ob sich der Handel an die Preisempfehlungen hält, ist letztlich seine Sache.» Auch widerspricht er der Behauptung, es würden Händler benachteiligt oder von der Einkaufsgemeinschaft ausgeschlossen, wenn sie unter den empfohlenen Preisen anbieten. «Ob und wer Ware bekommt, wenn nicht genug verfügbar ist, entscheiden bei Streckengeschäften nicht wir, sondern die Hersteller», beschwichtigt er. «Wir wollen aber ganz einfach den Handel im Internet und den damit verbundenen Preiszerfall nicht noch zusätzlich fördern. Wenn ein Händler nicht mehr beliefert wird, dann höchstens deshalb, weil er seine Rechnungen nicht bezahlt hat.»
Der Trick mit den Inseraten
Woher kommt also die Behauptung der Preisvorschriften? Ein ungenannt bleiben wollender EP-Händler packt aus: «Bei den VIP-Produkten wird der Preis vorgeschrieben. Wenn man darunter verkauft, erhält man nichts mehr geliefert», sagt er. Um sich nicht Preisabsprachen vorwerfen zu lassen, bediene sich Tetora eines Tricks: «Ausser dass man die VIP-Geräte nicht im Web anbieten darf, muss man sich auch schriftlich dazu verpflichten, dass bei diesen Geräten ausschliesslich Tetora für die Gestaltung der Inserate zuständig ist.» Damit verhindere die Organisation, dass die betreffenden Produkte zu tieferen Preisen als vorgeschrieben angeboten werden. Auch im Laden dürfe man die Geräte nur mit den vorgeschriebenen Preisen beschriften, sagt er. Dennoch könne man natürlich nicht abschliessend kontrollieren, ob ein Händler nicht doch ab und zu einem Kunden einen Preisnachlass gewährt. Immerhin: Mindestens zweimal im Jahr bekomme er von der Tetora unerwarteten Besuch. Vertreter der Einkaufsgemeinschaft würden regelmässig in den Ladengeschäften kontrollieren, ob VIP-Produkte mit zu tiefen Preisen beschildert sind.
Schutz für Hersteller und Händler
Von den rund 2000 EP- und Expert-Händlern, die wir angeschrieben haben, machten nur 12 an der Umfrage mit. Lediglich zwei davon sagten aus, es bestünden Vorgaben bezüglich Einhaltung der Verkaufspreise. Der oben genannte Händler ist der einzige, der gegenüber IT Reseller diese Praktiken offenlegte. Er sagt aber ganz klar, dass dieses Vorgehen Sinn mache: «Es geht nicht nur darum, dass die Hersteller höhere Preise verlangen können. Durch die Absicht, für gewisse Qualitätsprodukte die Preise hoch zu halten und sie nicht im Internet anzupreisen, erhalten auch kleine Händler die Chance, weiter im Geschäft zu bleiben.»
Hans Gfeller, Geschäftsführer bei EP:Gfeller, sagt ganz offen: «Ich halte mich zum grössten Teil an die Abmachungen. Es gibt aber ab und zu und immer häufiger Kunden, die sich schon im Internet informiert haben. Wir finden dann meistens einen Kompromiss.» Und Hansjörg König, Inhaber von König Ascona, meint: «Richtpreise vor allem bei B&O befürworten wir. Wir befürchten, dass ein Kunde ohne eine Preisliste sich keine Vorstellung über den Wert eines Geräts machen kann Garagen verkaufen den Wert von Autos viel besser.»
Die Nicht-Tetora-Welt
IT Reseller hat aber nicht nur Händler befragt, die bei Tetora einkaufen. Rund weitere 1000 haben wir zusätzlich angeschrieben. Auch bei diesen gibt es Teilnehmer, die Vorschriften von Herstellern einhalten müssen, wenn es um die Höhe der Preise geht. Die Strafe für Missachtung der Vorgaben ist die gleiche: Schlecht oder nicht mehr beliefert zu werden. Interessant ist, dass aus der Nicht-Tetora-Ecke viel mehr Händler offenbar die Vorschriften der Hersteller nicht beachten respektive nicht beachten können. «Wir halten uns nicht an die Abmachungen, weil es die Konkurrenz auch nicht mehr macht», sagt einer. Und ein anderer: «Verpflichtungen werden immer umgangen!»
Eine andere Sache als die verbindlichen Preise sind die empfohlenen Verkaufspreise. Diese könne man im Fotohandel sowieso in den meisten Fällen nicht durchsetzen, sagt Markus Säuberli von der Photo Vision. Und Markus Marolf von Radio Keiser sagt: «Ohne Rabatte haben wir keine Chance gegenüber den Internetanbietern.»
Zurück in die Zukunft
Dass im Web oft Produkte auftauchen, die günstiger angeboten werden, als sie Händler einkaufen können, kann mit dem Einkaufsvolumen erklärt werden. So erklären es sich 42 Prozent der Befragten. Für den galoppierenden Preis- und Margenzerfall machen die meisten Händler aber Graumarktprobleme oder vornehmer ausgedrückt Parallelimporte und Direktimporte verantwortlich. Rund drei Viertel glauben, dass hier der Grund für die tiefen Preise zu finden ist, die ihnen das Leben so schwer machen. Kein Wunder, denn diese Ware taucht dann im Internet wieder auf. Im Internet, wo es keine Ladenmiete zu zahlen gibt, keine Beratung angeboten wird und entsprechend auch kein Fachpersonal bezahlt werden muss. Im Internet, das ausschliesslich Informationen liefert, aber keine Dienstleistungen. Und wie sieht Tetora-Chef Züst die Entwicklung des UE-Handels im allgemeinen? Wird der Fachhandel vom Internet verdrängt? «Den UE-Fachhandel wird es auch in zweihundert Jahren noch geben. Klar ist die Branche von einer gewissen Überalterung betroffen, da viele UE-Händler in den sechziger Jahren begonnen haben und heute im Pensionsalter sind. Die Läden, deren Inhaber keine Nachfolger finden, werden verschwinden. Wenn sich einer aber gut darstellt, die notwendigen Dienstleistungen erbringt, seine Kosten im Griff hat und die Debitoren einkassiert, kann er gut überleben», resümiert der Tetora-Chef. (mh)