Vorwärts mit Open Source

Bei IT-Projekten werden Open-Source-Technologien zusehends als Alternative evaluiert. Dienstleister tun gut daran, sich das Know-how zuzulegen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/16

     

Linux gewinnt mit einem derzeitigen Anteil von 27 Prozent immer noch an Bedeutung bei den Betriebssystemen, wie eine aktuelle Studie von Join-­Vision sagt. Dies gehe vor allem auf Kos­ten von Unix und seiner Derivate sowie der Mainframes, während ­Windows mit knapp unter 60 Prozent konstant bleibe.
Diese Entwicklung spiegelt sich bei den Programmiersprachen wider: ­Dominierten in den 90er-Jahren noch PL/I, Cobol und Assembler in der Mainframe-Entwicklung sowie C und C++ im Midrange-Bereich, gewinnen heute Java, Java Script und PHP deutlich an Einfluss.
Auch in der Schweiz wurde Open-Source-Software (OSS) in den letzten Jahren wichtiger. Selbst Grossunternehmen sehen in OSS eine ernsthafte Alternative zu kommerzieller Software, wie die im Frühjahr vorgestellte Open-Source-Studie von Cambridge Technology Partners (CTP) zeigt: Gemäss den Ergebnissen setzen bereits 76 Prozent der befragten Schweizer Top-100-Unternehmen Open-Source-Software strategisch ein.

OSS wird Mainstream

Am Open Source Summit 2006 hat Gartner seinen Enterprise-Kunden die klare Empfehlung gegeben, sich mit Open Source zu beschäftigen. Laut dem Marktforschungsunternehmen steigt der Anteil von Open-Source-Software am Gesamtmarkt sehr schnell: Von 7 Prozent oder 12 Milliarden Dollar im Jahr 2005 auf 15 Prozent oder fast 42 Milliarden bis 2010, wie die Marktforscher prognostizieren. Bis im Jahre 2010 soll OSS bei mindestens 80 Prozent aller Global- 2000-Firmen auch bei unternehmenskritischen Applikationen zum Einsatz kommen. Open Source, wurde gesagt, sei Mainstream geworden und könne nicht mehr ignoriert werden.
Gartner empfiehlt daher, bereits heute formale Policies und Guidelines für Management, Evaluation, Einsatz und Support von Open-Source-Software zu definieren und -Komponenten in ihre Entwicklungsprojekte einzubeziehen, um die Projektkosten und -laufzeiten zu verkleinern.
Untermauert werden diese Prognosen durch die Entwicklung bei den Datenbanken. Zwar dominieren nach wie vor die grossen, kommerziellen Anbieter den Markt. Doch immer öfter ist auch My SQL in Unternehmen zu finden. Die Open-Source-Datenbank soll inzwischen rund sechs Millionen Mal installiert sein, und mit Ingres, Postgres oder Berkeley DB drängen weitere Open-Source-Datenbanken auf den Markt, die teilweise bereits auf eine gute Reputation unter Grossanwendern bauen können.
Allerdings ist festzuhalten, dass die Marktanteile gerade bei Open Source Datenbanken schwer zu schätzen sind. Branchenbeobachter messen traditionell die Lizenzumsätze, was bei quelloffenen Programmen natürlich nicht greift. Die Anzahl der aus dem Internet heruntergeladene Programme eignet sich ebenfalls nur bedingt als Messgrösse, da jedermann beliebig viele Kopien beziehen kann. Stellt man auf die Anzahl der von IT-Abteilungen gepflegten Open-Source-Datenbanken ab, dürfte deren weltweiter Anteil wohl irgendwo zwischen 5 und 10 Prozent liegen.

Konkurrenz für das Konventionelle

Open-Source-Projekte beginnen die Kreise der Software-Industrie zu stören. Nur gerade das Internet habe die Software-Industrie stärker durchein­andergewirbelt als OSS, formuliert eine Studie von Gartner. Die Analys­ten sagen darin voraus, dass der Anteil traditioneller Programme von 95 Prozent in 2004 auf 80 Prozent im Jahr 2009 sinken werde. Den Anbietern proprietärer Software seien bereits im Jahre 2004 rund 5,64 Milliarden Dollar wegen OSS durch die Lappen gegangen. Für das Jahr 2009 rechnet Gartner mit Verlusten von mehr als 47 Milliarden Dollar. Beim Einsatz von OSS fliesst typischer­weise fast die Hälfte der Investments in firmeninterne Projekte. Das mache ziemlich genau die 47 Milliarden aus, die den Anbietern proprietärer Software im Jahre 2009 verloren gehen, meint Gartner.
Die klassischen Lizenzmodelle geraten damit zunehmend unter Druck: Da es bei preiswerter oder kostenloser Software keinen Zwang zum Schutz der Lizenzinvestition gibt, kommen die Dienstleister nur über ihr Integrations-Know-how ins Geschäft. Die Open-Source-Anbieter entwickeln daher neue, tragfähige Geschäftsmodelle, wie Service-Abonnements und Open-Source-spezifische Beratung, Anpassung, Integration und Management. Längerfristig werden sie dazu übergehen, schon im Vorfeld OSS-Komponenten zu integrativen Lösungen zusammenzufassen. Das werde, so Gartner, dazu führen, dass der Gesamtmarkt wächst, vor allem aber der KMU-Bereich.
Für die grossen Anbieter sei es meist zu aufwendig, sich auf die Bedürfnisse kleinerer Firmen einzustellen. Diese sind zwar nicht weniger anspruchsvoll, geben aber weit weniger Geld aus. Hier sieht Gartner die grössten Chancen der Open-Source-Anbieter. Als Beispiel dienen die Web-Server-Farmen: Durch Einsatz kostenloser Open-Source-Software wurden diese erschwinglich und ermöglichten den heutigen, breiten Markt von mittelständischen Web-Hostern.

Flexibilität durch offene Standards

Nicht weniger wichtig als der finanzielle Aspekt sind Flexibilität und Funktionsvielfalt. Hier sorgen offene Standards und moderne Design-Konzepte in der Regel für die nötige Flexibilität, und bei Betriebssystemen, Entwickler-Werkzeugen, Middleware und Office-Programmen kann man sich kaum über mangelnde Funktionalität beschweren. Dennoch ersetzen Unternehmen in der Regel bewährte Lösungen nicht einfach, weil es güns­tigere Alternativen gibt. Normalerweise tauschen sie funktionierende Systeme erst aus, wenn es damit ernsthafte Probleme gibt. Dazu kommt, dass auch Kultur und Prozesse der IT-Abteilung an Open Source angepasst werden müssen. Gartner stellt jedoch fest, dass sich immer mehr Open-Source-spezifische Management-Strategien etablieren: OSS findet am leichtesten über neue Projekte mit ausgereiften Produkten wie etwa Web-Servern Eingang in die Unternehmen. Die Erfahrungen der entsprechenden Teams führen dann oft zu weitergehenden Projekten.

Business-Anwendungen kommen

Nach Ansicht der Analysten ist der Markt für quelloffene Alternativen bei den Betriebssystemen und Entwicklungsumgebungen schon sehr reif, während er bei den Geschäftsanwendungen noch am Anfang steht. Doch bis 2010, so die Erwartung der Analysten, werden Grossunternehmen 80 Prozent der Investitionen für Infrastruktur-Projekte und 25 Prozent der Ausgaben für Geschäftsanwendungen in quelloffene Software stecken. Dienstleister und Software-Anbieter, denen es nicht gelinge, OSS in ihr Portfolio zu integrieren, kämen in Gefahr, mit ihren Geschäftsmodellen ins Hintertreffen zu geraten.
Konzerne wie IBM, Novell und Sun haben das bereits erkannt. Sie nutzen OSS sowohl intern, um Kosten zu senken, als auch extern, um mehr Umsatz zu generieren. Bei IBM etwa sollen derzeit 600 Programmierer an 40 Standorten an Linux-Entwicklungen arbeiten, und IBM-Vizepräsident Scott Handy, zuständig für Linux und Open Source, versprach an der Linux World in San Francisco: «Wir werden unser Engagement in der Open-Source-Gemeinde durch die Ausweitung der Entwicklungsarbeit verstärken.» Er kündigte an, dass IBM anhand der mit Linux, Eclipse und Apache gesammelten Erfahrungen mit weiteren Projekten neue Geschäftsfelder erschliessen werde. Konkret nannte er das Apache-Projekt Geronimo, Middleware-Produkte und Entwicklungswerkzeuge auf Eclipse-Basis, Grid Computing, freie Storage-Projekte wie Aperi, offene Hardware-Architekturen und die Förderung des Open-Source-Einsatzes bei Kunden durch Beratung und Services. Gleichzeitig bekräftigte IBM sein Engagement in den Bereichen Kernel-Entwicklung, Virtualisierungstechniken, Integration des Cell-Prozessors und Security. (fis)


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