E-Government im Vormarsch (siehe ITR 017): Das bedeutet ganz konkret ca. 3000 Gemeinden in der Schweiz, die gegenwärtig oder in naher Zukunft verstärkt in ihre IT-Strukturen investieren, um sich dem Internetzeitalter anzupassen.
Der Gemeindemarkt wurde lange geprägt von wenigen grossen Firmen, die Gesamtlösungen anbieten können, zum Beispiel
NCR, Ruf, Dialog (Eine Dicom-Tochter), Rimo Bedag, W&W. Daneben existieren in vielen Gemeinden Einzellösungen. In die Szene ist in letzter Zeit Bewegung geraten, NCR hat die Entwicklung eingestellt, Allpublic (Ex Rimo Bedag) und W&W wurden von der
Ruf Gruppe aufgekauft.
Es ist schwierig für ein neues Unternehmen, in diesem «geschützten» Markt zu florieren, in dem intime Branchenkenntnisse, enge, langjährige Kundenbeziehungen und ein solides Image von immenser Wichtigkeit sind.
Ein Newcomer im Bereich Software für öffentliche Verwaltungen ist die 1996 gegründete Neue Software Technologie Gemeinden (Nest) GmbH, welche die gleichnamige Gemeindelösung entwickelt. Gesellschafter sind die St. Galler Innosolv, die Krienser KMS, und die Sesam AG, Wängi.
Die Bezeichnung «Newcomer» ist insofern unzutreffend, als die drei Firmen schon vorher in diesem Bereich tätig waren.
Partnernetz statt Generalunternehmen
Im Gegensatz zu anderen Unternehmen der Branche, wollen die «Nest»-bauer keine Generalunternehmer sein. Stattdessen bilden sie zusammen mit dem Softwarepartner
Abacus und den Vertriebspartnern OBT, Talus und Unicare ein enges Netzwerk.
Die Geschichte von Nest beginnt 1996. Die drei Firmen hatten auf der gleichen Plattform Module entwickelt, die zusammen eine umfassendere Lösung darstellten. Die drei gründeten Nest, worin sie als Gesellschafter fungieren, behielten aber jede für sich ihre Unabhängigkeit. Die Gemeindelösung «Nest» wird seither zusammen entwickelt, unter Verwendung der gleichen Realisierungsrichtlinen und Produkte.
Als Vorteil des Partnerschaftsmodells bezeichnen sie, dass die Kernkompetenzen für verschiedene Bereiche der Lösung weiterhin bei den spezialisierten Firmen bleiben.
Die Abacus AG, auf der Suche nach Möglichkeiten im Gemeindebereich zuzulegen, wählte Nest 1997 als Partner. Zusammen mit den Fibu-Lösungen von Abacus entstand nun eine wirkliche Gesamtlösung für Gemeinden.
Gemeinsam mit den Vertriebspartnern kann das Nest-Netzwerk den Kunden heute ein weitreichendes Angebot, bestehend aus Hardware, Software, Implementation, Support, Service und Schulung anbieten.
Die Erfolgsgeschichte ist durchaus beeindruckend: In 129 Gemeinden mit ca. 820’000 Einwohnern ist «Nest» momentan im Einsatz. Die Speziallösung I/SE für Energierechnungen, 1999 eingeführt, ist bis heute 110mal installiert worden. Die Kantone AI, GL, LU, NW, OW, SZ, TG, SH, UR setzen die «Nest» Steuerlösung ein.
Nest-Vertreter im Gespräch
An der Orbit traf sich ITR mit Erwin Buchegger, Leiter Marketing/Vertrieb und Mark Müller, Leiter Finanzen. Hier einige Auszüge aus ihren Aussagen:
Zielkundschaft: «Unsere Lösung ist zusammen mit grösseren Gemeinden konzipiert worden. Aber Gemeinden jeder Grösse können von dieser umfassenden Gesamtlösung profitieren.»
Partner: «Unsere Vertriebspartner konzentrieren sich ebenso wie wir auf den öffentlichen Bereich. 3000 Gemeinden sind kein Massenmarkt, und die Anzahl der Gemeinden nimmt eher ab. Diese Partnerschaften haben sich absolut bewährt. Nest kann sich dadurch optimal der Weiterentwicklung der Software widmen.»
IT-Beschaffung bei der öffentlichen Hand: «Die Körperschaften in der Schweiz sind auf jeder Ebene autonom. Jede Gemeinde, jeder Kanton entscheidet unabhängig von den anderen. Der Trend zu gemeinsamen Evaluationen und lokalen Rechenzentren verstärkt sich aber trotzdem. Projekte müssen immer öfter nach einheitlichen Submissionsrichtlinien ausgeschrieben werden. Diese orientieren zunehmend an den WTO-Vorschriften.»
Softwareunterschiede zum Businessbereich: «Die Unterschiede sind nicht sehr gross.
Abacus hat eine Lösung im Finanz- und Rechnungswesen für KMU und für die öffentliche Hand. Auch die Trends sind vergleichbar. B2C heisst bei uns vor allem «Government to Citizen». Ein Bereich der bei «öffentlicher» Software sicher kritischer ist, ist der Datenschutz, und allgemein die Datensicherheit. Der Bürger erwartet wie unsere Kunden absoluten Datenschutz und Datensicherheit.»
E-Government in Zukunft: «Das Ziel muss sein, Medienbrüche noch besser zu vermeiden. Der Datenfluss ist am effizientesten, wenn Zwischenschritte auf Papier oder E-Mail nicht mehr nötig sind. Das muss auch gelten, wenn jemand den Wohnort wechselt.
Um die Interoperabilität zu gewährleisten planen wir daher auch Schnittstellen zu Lösungen von interessierten Stellen.
Routineprüfungen können ebenfalls von der Software übernommen werden. Wir entwickeln zum Beispiel ein spezialisiertes Expertensystem, das Steuereingaben überprüft, und den Menschen nur noch bei Problemen alarmiert. Eine Eigenheit unseres Marktes ist es, dass wir manchmal Lösungen schon anbieten könnten, aber vor der Einführung auf die gesetzlichen Grundlagen warten müssen.»
ASP: «Das wird auch für Gemeinden immer wichtiger werden. Bei den ca. 50 Nest-Kunden, welche die Lösung im Rechenzentrum betreiben, wird das Hosting fast ausschliesslich von anderen Verwaltungen übernommen, das heisst Kantone hosten für Gemeinden, grössere Gemeinden für kleinere Gemeinden usw. Die Daten bleiben so bei den Verwaltungen.» Anmerkung ITR: Konkurrenten wie die Ruf-Gruppe treten selbst als ASPs auf. (hjm)