In vielen Teilen Europas blickt die Jugend einer ungewissen Zukunft entgegen. Obwohl gut ausgebildet, fehlt es an qualifizierten Jobs. Die Zahlen nehmen bisweilen schwindelerregende Höhen an. Spitzenreiter sind Griechenland und Spanien mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 55 Prozent. In der gesamten EU beträgt die Quote über 20 Prozent. Viele Regierungen befürchten soziale Unruhen, werden kurz- und mittelfristig keine Lösungen gefunden, um den jungen Menschen neue Perspektiven zu eröffnen. Von Zahlen wie in der EU sind wir in der Schweiz mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 3,5 Prozent weit entfernt. Doch auch bei uns wurde im vergangenen Jahr eine Zunahme verzeichnet. Obwohl wir uns nach wie vor in sicheren Gewässern wähnen, sind die Warnsignale aus der Finanzbranche deutlich zu hören. Diese sollten wir ernst nehmen.
Nachwuchsprobleme trotz Bedarf
Trotz trüber Wirtschaftsprognosen klagen verschiedene Branchen in der Schweiz über mangelnden Nachwuchs, da sich die jüngere Generation nicht für die entsprechende Fachgebiete interessiert. Ganz vorne mit dabei ist die IT-Branche. Eine in diesem Jahr vom Berufsverband ICT-Berufsbildung Schweiz herausgegebene Studie zeigt, dass ohne Gegenmassnahmen bis 2020 rund 25’000 ICT-Fachkräfte fehlen werden. Am stärksten betroffen ist der Bereich Software-Entwicklung. Gelingt es nicht, die Abwärtsspirale zu stoppen, werden laut dem Verband ganze ICT-Dienstleistungszweige ans Ausland verloren gehen. Als einer der grössten Schweizer Software-Unternehmen sind wir nicht nur in der Pflicht, sondern es ist uns ein zentrales Anliegen, diesen Missständen entgegenzuwirken. Dabei stellt sich mir mit selbstkritischem Blick auf die IT-Branche die Frage, was denn in den letzten Jahren schief gelaufen ist.
Sinkendes Interesse
Als in den 80er-Jahren Niederlassungen grosser amerikanischer IT-Firmen wie Pilze aus dem Boden schossen, herrschte bei den Jungen Goldgräberstimmung. Der amerikanische Traum wurde in der bis anhin eher konservativen Schweiz plötzlich greifbar. Die IT-Branche setzte einen Farbtupfer zu den bislang meist stark hierarchisch und patriarchalisch geführten Unternehmen. Die Löhne waren gut, die Unternehmen jung und auch Quereinsteiger schafften es, sich zu etablieren. Mit dem Boom der Branche zogen auch die Hochschulen mit. 1987 wurde von der ETH Zürich erstmals ein Studiengang für Informatik angeboten. Mitte der Neunziger bis Anfang des neuen Jahrtausends verzeichnete dieser Studiengang stets steigenden Zulauf. 2002 wurde mit über 300 Studierenden der Spitzenwert erreicht, danach folgte der Sinkflug. In den letzten Jahren hat sich die Zahl bei rund der Hälfte eingependelt. Die Gründe für die mangelnde Begeisterung unserer Jugend sind vielfältig. Sicher ist da die Tatsache, dass die jüngere Generation bereits als Anwender mit der Informatik gross geworden ist. Konnte uns vor 30 Jahren ein Terminal mit Funktionstasten noch begeistern, braucht es heute keine Computerkenntnisse mehr, um sich mit einem digitalen Gerät zu vergnügen. Der Einstieg in die digitale Welt ist Erlebnis und Faszination, die Technik dahinter interessiert wenig. Für die jüngere Generation ist der tüftelnde Nerd vor dem Computer uncool, genauso wie der Begriff «Informatik» etwas altbacken daher kommt.
Hinzu kommt, dass auch die Volks- und Mittelschulen das Thema Informatik seit Jahren vernachlässigen. Obwohl heute in vielen Schulzimmern ein Computer steht, wird dieser mehr als Handschriftersatz eingesetzt als für erste Programmierversuche. Das Fach Informatik ist kein Pflichtfach und die meisten Lehrkräfte verfügen über ungenügende Kenntnisse, um dieses überhaupt unterrichten zu können. Hier besteht Handlungsbedarf. Aktiv wurde beispielsweise der Kanton Zürich, in dem auch die höchste Dichte an ICT-Arbeitsplätzen besteht. Hier wurde für die nächste Legislatur-Periode ein 3-Punkte-Programm verabschiedet. Dieses sieht vor, dass Lehrpersonen besser in der Informatik ausgebildet und sie wie auch die Eltern und Berufsberater umfassend über die heutigen IT-Berufe aufgeklärt werden.
Verantwortung übernehmen
In die Verantwortung nehmen müssen wir aber in erster Linie uns selbst – die Unternehmen in unserer Branche. Die Nachwuchsförderung muss wie im Sport eine zentrale Rolle in der Unternehmensführung einnehmen. Während in industriellen und gewerblichen Branchen der Lernende schon immer eine hohe Bedeutung hatte, wurde dem Nachwuchs in unserer jungen und globalisierten Branche lange Zeit zu wenig Beachtung geschenkt.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind gemäss des ICT-Berufsverbands 3000 neue ICT-Ausbildungsplätze nötig. Dies bedeutet fünf Lernende auf 100 ICT-Beschäftigte. Wir bei
Sage erfüllen dieses Soll. Dabei freut uns speziell, dass wir in diesem Jahr gleich zwei unserer Lernenden aus unserem Praktikantenprogramm der Stiftung Speranza übernehmen konnten, die sich für die nachhaltige Integration von jungen Menschen in den Arbeitsmarkt einsetzt. Am meisten freut mich aber, dass uns immer wieder junge Ausgebildete die Treue halten und ihr Spirit und ihre Ideen in unsere Software-Produkte einfliessen.
Der Einsatz für den Nachwuchs ist eine der wichtigsten Investitionen in unsere Wirtschaft! Denn eine Abwanderung von Arbeitsplätzen kann sich unsere Branche und die Schweiz als Dienstleistungshochburg schlicht nicht leisten.