Das Zürcher Software-Unternehmen Ergon Informatik unterscheidet sich in mancher Hinsicht von anderen. So fokussierte Ergon beispielsweise von Anfang an auf Unix und offene Systeme.
Heute basieren die meisten Projekte auf Java. Geschäftsleiter Patrick Burkhalter erinnert sich noch gut, wie er zusammen mit Sun als Java-Wanderprediger unterwegs war: «Uns ging es vor allem um ein Betriebssystem-unabhängiges User-Interface. Für ein Technologie-orientiertes Unternehmen wie Ergon ist es von entscheidender Bedeutung, von proprietären Schnittstellen unabhängig zu sein.»
Seither hat Java jedoch auch im Serverbereich stark an Bedeutung gewonnen. Fast scheint es, als konzentriere sich derzeit die gesamte Objekt-orientierte Welt auf Java und dessen Bibliotheken. «Vielleicht ist es dadurch einfacher geworden, ein Programm zu schreiben», meint Burkhalter, «aber das heisst nicht, dass es einfacher wurde, damit etwas Vernünftiges zu machen.»
Motivation für die Arbeit
Etwas Vernünftiges machen – das war bei Ergon immer gleichbedeutend mit Spass an der Arbeit und Innovation. Erst waren es Aufträge aus der Industrie. Dann kamen Online-Banking und –Brokering dazu. Heute bildet das Telekom-Umfeld ein drittes Standbein.
Eine wichtige Motivation dafür, den Erfolg immer mit den neuesten Technologien zu suchen, sieht Burkhalter nicht zuletzt im Beteiligungsmodell der Firma. Die mittlerweile 64 Mitarbeiter sind zum grössten Teil Mitbesitzer von Ergon. «Wir leben von ihrem Hirnschmalz», meint Burkhalter. «Darum legen wir auch Wert darauf, dass sie die Entscheide der Geschäftsleitung jederzeit beim Verwaltungsrat anfechten können, wenn sie nicht einverstanden sind.»
Dass das bisher noch nie geschehen ist, liegt wohl an den flachen Hierarchien, einer ausgeprägten Kommunikationskultur und der homogenen Struktur der Mitarbeitenden. Statt auf Börse und Wachstum zu schielen, setzt Ergon auf deren Qualifikation: «Einmal kamen fast 20 Prozent des gesamten Jahrgangs der Informatik-Abgänger der ETH zu uns.
Das war ein Rekord», meint Burkhalter nicht ohne Stolz, und weist darauf hin, wie entscheidend es für Ergon ist, die Hand am Puls der Entwicklung zu haben: «Es macht mehr Spass zu den Ersten zugehören.»
Ergon liess sich, wie Burkhalter sagt, nie auf die Standardsoftware-Schiene drängen. Trotzdem fängt natürlich nicht jede Entwicklung bei Null an. Das Customercare- und Billing-System etwa, das für
Swisscom International entwickelt wurde, diente bereits sechsmal als Basis für weitere Kunden.
Als Basis, denn eine für einen Aufraggeber entwickelte Applikation soll dessen Abläufe abbilden, ohne dass er sie den Vorgaben der Software anpassen muss. Burkhalter: «Indem wir die neuesten Technologien umsetzen, versuchen wir unseren Kunden einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.»
Unternehmensstrategien
Wie viele Software-Entwickler sieht sich auch Ergon der Konkurrenz der Offshore-Entwickler gegenüber. «Damit wir uns nicht falsch verstehen – die machen teilweise hervorragende Software», hält Burkhalter fest. Allerdings darf der Aufwand nicht unterschätzt werden, der durch die unterschiedlichen Kulturen und die dadurch notwendige, detailgenaue Beschreibung entsteht. «Viele Projekte sind daran gescheitert, dass man eine zu grosse Lösung realisieren wollte, die ungenau definiert war», meint Burkhalter.
«Bei uns sind selten mehr als vier bis sechs Leute in einen Auftrag involviert, und diese arbeiten direkt mit dem Kunden. Auf diese Weise sind wir flexibler und können auch einmal kurzfristig einen Prototyp erstellen, wenn man allein mit der Beschreibung nicht weiter kommt.»
Die Chancen seiner Firma sieht Burkhalter in der Konzentration auf neue Technologien wie etwa im Mobile-Bereich: «Dort ist der Druck kleiner, denn die Offshore-Anbieter arbeiten meist mit Mainstream-Technologien für grosse Projekte.» Ergon dagegen will mit einer schlanken Organisation ohne grossen Overhead genau das entwickeln, was der Kunde benötigt. So, meint Burkhalter, sei man auch als Schweizer Entwickler konkurrenzfähig.
Die Design-Patterns allerdings sind immer stärker durch standardisierte Komponenten und Libraries vorgegeben. Das Codieren wird weitgehend zur Fleissarbeit. Ergon setzt daher vermehrt auf automatisierte Software-Entwicklung. «Modell Driven Architecture ist zwar ein Hype-Wort, das in der Theorie mehr verspricht, als es in der Praxis hält», meint Burkhalter, «aber der Ansatz ist interessant und für uns in vielen Bereichen umsetzbar. Allerdings bedingt es viel Verständnis für den Kunden und seine IT-Umgebung.»
Als Beispiel nennt er die Umstellung der Datenbanken-Struktur einer Bank, die innerhalb von 14 Tagen abgewickelt werden konnte. Nicht zuletzt, weil die Programme für Host, Server und Frontend mit den von Ergon eigens entwickelten Tools weitgehend automatisch generiert wurden. (fis)