«Vor drei Jahren hatten wir noch drei Produkte. Jetzt sind es über hundert.» So bringt Arnaud Christoffel, Managing Director von
EMC Schweiz den Umbruch, den der Speicherhersteller in den letzten Jahren durchlaufen hat, leicht zugespitzt auf den Punkt.
«Wir haben den grossen Sprung vom monolithischen ‘One-Size-Fits-All’-Ansatz zum Information Lifecycle Management-Konzept als Grundlage der Unternehmensstrategie hinter uns. Und wer ILM anbieten will, muss alle möglichen Storage-Plattformen sowie alle notwendigen Software-Teile anbieten können.»
EMCs Pragmatik
EMC hat sehr stark unter dem Nachlassen der IT-Konjunktur gelitten: Der Umsatz des Unternehmens lag 2002 fast 40% tiefer als 2000, als der bisherige Rekordumsatz eingefahren wurde – eine Strategieänderung tat also Not.
EMC hat dabei im Zuge seiner Umgestaltung, das muss man der EMC-Führung zu Gute halten, einige einst beinahe religiös propagierte Strategiegrundsätze ganz pragmatisch über Bord gekippt – ausschliessliche Konzentration auf High-end-Systeme, den von Christoffel angesprochenen monolithischen Ansatz mit wenigen Produkten und die Bevorzugung von Direktgeschäften.
Heute hat
EMC eine abgestufte Palette von Hardwareplattformen, eine grosse Menge von Softwarelösungen, sucht seine Kunden auch im KMU-Umfeld und öffnet sich immer mehr dem Channel.
Die Strategieänderung scheint bereits Erfolg gebracht zu haben: 2003 stieg der EMC-Umsatz wieder um rund 15%. Der Umsatzanstieg wurde dabei nur zu einem kleinen Teil durch die Übernahmen von Legato und Documentum verursacht, deren Zahlen erst teilweise einberechnet wurden, sondern betraf das ganze Unternehmen.
Auch wenn EMC begann, seinen Softwarebereich zu stärken und seine Hardwarepalette zu erweitern, noch bevor der Begriff Information Lifecycle Management propagiert wurde, bezeichnet Christoffel heute ILM als den roten Faden, der sich durch den Wandel von EMC zieht.
Puzzle ILM
Ausgangspunkt für Information Lifecycle Management ist die Erkenntnis, dass der Wert von Daten verschiedener Art für ein Unternehmen unterschiedlich ist und sich im Laufe ihres «Lebenszyklus» ändert. Ebenso ändern sich die Ansprüche an die Verfügbarkeit – Datenbankeinträge müssen immer sofort zugänglich sein, auf ein E-Mail von vor zwei Jahren kann man auch etwas warten.
Manches darf auch irgendwann bedenkenlos gelöscht werden – und anderes auf keinen Fall, gerade auch im Zusammenhang mit den neuen Archivierungsregeln für Geschäftskorrespondenz.
Die zweite Variable sind die Speichersysteme selbst, deren Kosten stark von Leistungsmerkmalen wie Datendurchsatz, Ausfallssicherheit und Zugriffsgeschwindigkeit abhängen. ILM im engeren Sinn bedeutet nun, dass man nicht für alle Daten dasselbe Speichersystem verwendet, sondern unterschiedliche Daten auf dem jeweils angemessensten, kostenmässig abgestuften System speichert und im Laufe ihres Lebenszyklus möglichst einfach und automatisiert verschieben kann.
Ein weiterer wichtiger Gedanke ist, die unnötige vielfache Speicherung von Files zu verhindern (z.B. E-Mails und E-Mail Attachments, die an verschiedene Mitarbeiter gegangen sind) oder sie zumindest im Bedarfsfalle alle gemeinsam löschen zu können. Dies impliziert auch, dass man als Ziel Art, Menge und Speicherort aller Daten eines Unternehmens zentral überwachen und verwalten können sollte.
Voraussetzung für ILM ist, dass viele Teile reibungslos zusammenarbeiten: Alle Hardware-Plattformen und vor allem eine sehr grosse Zahl von momentan noch getrennten Software-Lösungen, vom Storage- über Content- und Server- bis zum Applikationsmanagement, um nur einige zu nennen. Ein solch umfassendes Informationsmanagement, wie es hier geschildert wurde, ist allerdings noch Zukunftsmusik.
Ein grösserer Kuchen
Zumindest Teile dieses Puzzles zusammenzusetzen ist momentan ein Ziel vieler Storage-Hersteller, sei es durch Übernahmen oder durch enge Partnerschaften.
Veritas zum Beispiel hat sich ebenfalls durch Übernahmen in die Server- und Applikationsmanagementbereiche vorgetastet, und einige Hardwarehersteller haben sich mit dem Content Management-Spezialisten Ixos zusammengetan.
Mit den Übernahmen von Legato hat
EMC seine Storage-Management-Palette erweitert, und durch Documentum und Vmware sind Content-Management- und Server-Virtualisierungslösungen dazugekommen.
Auch Teillösungen, zum Beispiel ein umfassendes E-Mail-Management, sind natürlich ein Angebot für sich und heute ein Treiber für Kundenprojekte. «Heute reden bei Projekten noch nicht viele Kunden von ILM, auch wenn ich hoffe, dass sie es bald tun.
Aber die Kunden nähern sich dem Thema in Einzelschritten. Schon heute gibt es nicht mehr viele rein punktuelle Projekte.» Auch ILM-»Teillösungen» sind ihrer Natur nach immer Kombinationen von Hardware, Software und Services. Hier liegt ein weiterer Grund für die Betonung des Themas durch die Storage-Hersteller.
Die Hardwarepreise sinken. Aber auch «Hardware-nahe» Software, zum Beispiel für Snapshots und Mirroring, könnte mittelfristig, etwas überspitzt gesagt, zur Commodity werden. ILM ist da eine Eintrittspforte in neue Software-Märkte und bedeutet beinahe automatisch eine Erhöhung des Serviceanteils.
Abgestufte Hardware – und Tapes?
Zu ILM gehört auch abgestufte Hardware.
EMC hat inzwischen eine ziemlich umfangreiche Plattformpalette von Disk-basierten Systemen von High-end bis zum Grenzbereich von Low-end und Mid-range.
Dazu gehören «herkömmliche» SAN und NAS-Systeme (Symmetrix, Clariion, Celerra), das «Content Adressed Storage»-System Centera für die Speicherung von fixen Inhalten und die erst kürzlich lancierten Clariion Disk Libraries. Diese sollen Tape-Funktionalitäten für Backup- und Restore-Prozesse emulieren und dabei wesentlich schneller sein. (Sie kosten aber auch einiges mehr als Tape-Libraries.)
Als OEM-Produkte führt
EMC auch Switches, aber keine Tape-Libraries. Das entspricht zwar einer erklärten Unternehmensstrategie, trotzdem gibt es schon lange Gerüchte über bevorstehende OEM-Verträge mit Tape-Herstellern.
Der Name Adic wird dabei momentan am häufigsten genannt. Gerade im Zusammenhang mit EMCs Bestreben, möglichst viele Teile des ILM-Puzzles aus eigener Hand anbieten zu können – und Tapes gehören zweifellos nach wie vor zu diesem Puzzle – scheinen diese Gerüchte auch glaubwürdiger als früher. Und wie gesagt, EMC zeigt in letzter Zeit viel Pragmatik. (hjm)
Legato, Documentum, Vmware: Der technologische Stand der Integration
Obwohl
EMC die übernommenen Softwarehersteller Legato, Documentum und Vmware mit ihren Lösungen unter eigener Flagge weitersegeln lässt, ist längerfristig eine tiefe technologische Integration aller Softwarelinien notwendig, damit die Übernahmen Sinn machen. Von EMC erhielten wir folgende Angaben zum gegenwärtigen Stand der Integration.
Unterstützung von EMCs Centera-System durch Legatos «Networker». Für Networker wurde ein Centera Backup- und Recovery-Modul entwickelt.
Integration von Centera in Legatos «Diskxtender» und «Emailxtender».
API-Integration von Networker mit EMCs «Timefinder» und «Snapview»-Software. Dadurch werden Snapshots in EMCs Symmetrix DMX und Clariion Speichersystemen der CX Serie mit Networker-Backup- und Recovery-Abläufe integriert.
«Emailxtender» und «Applicationxtender» wurden mit Documentums «Content Repository» integriert. (Für die Weiterentwicklung von Applicationxtender ist neu Documentum zuständig.)
In EMCs «Control Center» wurden Überwachungs- und Management-Funktionen für Documentums «D5» integriert.
DMX und Clariion wurden für Vmwares «ESX Server» zertifiziert.
Legatos «AAM» und «Networker» sind für Vmware-Umgebungen zertifiziert.