Steiniger Weg zum E-Dossier

Nach fünfjähriger Diskussions- und Bastelphase ist der Gesundheitszustand des Schweizer Patienten «E-Health» noch immer besorgniserregend. Am «Swiss E-Health Forum» in Bern wurde nicht gerade Optimismus verbreitet.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/05

     

Seit fünf Jahren hat die Schweiz eine E-Health-Strategie. Darin ist festgehalten, dass bis zum Jahr 2015 jede in der Schweiz wohnhafte Person über ein elektronisches Patientendossier verfügen soll. 2010 soll zudem der Startschuss für die elektronische Versichertenkarte fallen. Was in den letzten fünf Jahren eigentlich passiert ist und wie die Vorhaben in die Tat umgesetzt werden sollen, bleibt einigermassen im Dunkeln.


«Es ist noch nicht so viel da», umschrieb Adrian Schmid, Leiter der Geschäftsstelle E-Health Bund-Kantone, lapidar die Fortschritte bei der Genesung des Patienten «E-Health» vorletzte Woche am einigermassen gut besuchten Swiss E-Health Forum an den «Infosocietydays» in Bern. «Der Boden ist fruchtbar, muss aber rechtzeitig beackert werden, bevor die Traviata an ihrer Krankheit stirbt», doppelte Fulvio Caccia, Präsident Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung TA-Swiss, etwas melodramatisch nach.

Stolperstein Föderalismus

Das «Koordinationsorgan E-Health» wurde 2008 gegründet und soll nun der E-Health-Strategie auf die Beine helfen. Dabei gelte es, die Zusammenarbeit von Menschen und Systemen auf politischer, technischer, organisatorischer sowie semantischer Ebene zu fördern und zu koordinieren. Am weitesten fortgeschritten dürfte dabei die Technik sein. Pilotprojekte laufen oder stehen in den Startlöchern. Doch die beste Technik nützt nichts, wenn auf den anderen Ebenen nicht nachgezogen wird. Hier ist vor allem die Politik gefragt, Bund und Kantone müssen sich auf übergeordnete Leitlinien und Konzepte und inhaltliche Normen einigen. Zudem müssen möglichst weltweit offene Standards und Architekturen festgelegt und E-Health-Systeme zertifiziert werden. «Asche auf unser Haupt», sagt Schmid, «hier wurde wohl einiges im Vorfeld versäumt.» Ein grosses Problem stellt mal wieder der Schweizer Föderalismus dar. Einige Kantone haben bereits eine Strategie festgelegt, andere nicht, andere haben schon eine Gesetzgebung. Kurz: man ist sich einig, dass Uneinigkeit herrscht. «Ich habe vor vielen Jahren selbst die Kämpfe zwischen den Kantonen erlebt. In­zwischen hat sich etwas verändert», sagt Caccia. «Aber nicht sehr viel», fügt er mit leichtem Galgenhumor in der Stimme an. Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung der E-Health-Strategie sei der Wille zur Zusammenarbeit, sagt Schmid. Der sei aber noch nicht überall spürbar.

Kein Geld, keine Leute

Viele Akteure mit vielfältigen, teilweise widersprüchlichen Wünschen und unterschiedlichen Zielen bringen den Motor immer wieder zum stottern oder zum Stillstand. Die Meinungsbildung bei einigen Akteuren sei durchaus ausbaubar, formuliert es Schmid diplomatisch. «Die Koordination zwischen neun Bundesländern ist nicht einfach. Der Schweiz mit ihren 26 Kantonen wünschen wir viel Glück!», kommentiert Alexander Schanner, Arbeitsgemeinschaft E-Gesundheitsakte Österreich, die «mission (im)possible».


Am 19. März dieses Jahres tagt mal wieder ein Steuerungsausschuss, Ende August sollen erste Entscheide für das weitere Vorgehen fallen. «Der Zeitplan 2015 ist ambitiös», sagt Schmid. «Die Ressourcen sind beschränkt, personell und finanziell.»

Initiative «Healthpresence Schweiz»

Was in Indien bereits praktiziert wird und im schottischen Aberdeen in einem Pilotprojekt erfolgreich läuft, soll nun auch in der Schweiz Realität werden. Mit der Initiative «Healthpresence Schweiz» haben Cisco, die Schweizerische Post, das Schweizer Zentrum für Telemedizin «Medgate» und die Fachhochschule Nordwestschweiz ein Telemedizin-Projekt lanciert, um die Gesundheitsversorgung mit virtuellen Sprechstunden effizient zu gestalten und einen praktischen Beitrag zur Umsetzung der E-Health-Strategie von Bund und Kantonen zu leisten. Cisco stellt die Technologie, die Post bietet Leistungen im Bereich Waren, -Informations- und Finanz­flüsse und verfügt mit einem dichten Poststellennetz über die notwendige räumliche Infrastruktur. Medgate ist als zentrale Anlaufstelle für die medizinische Beratung zuständig, mehrsprachig und rund um die Uhr. Auswertung und Evaluation erfolgen über die Fachhochschule, die das ­Projekt wissenschaftlich begleitet.


Konkret werden potenzielle Patienten in einer Cisco-Healthpresence-Kabine via Video-Konferenz (siehe Bild) mit einem entfernt sitzenden Arzt verbunden, um ­eine Erstdiagnose entsprechend der Beschwerden zu erstellen. Gleichzeitig können über dieselbe Netzwerkverbindung weitere Spezialisten hinzugezogen werden. Später erfolgt ­eine persönliche Untersuchung durch den Arzt. Neben Poststellen liessen sich Healthpresence-Stellen flächendeckend in Apotheken, Regionalspitälern, Alters- und Pflegeheimen oder anderen öffentlich zugänglichen Standorten sowie integriert in ein Fahrzeug für den Einsatz in ländlichen Gebieten aufbauen. Die Gruppe Healthpresence Schweiz befasst sich derzeit zudem mit dem Thema innerbetrieblicher Gesundheitsvorsorge um Mitarbeitern in Unternehmen eine Gesundheitsberatung zur Verfügung zu stellen und Präven­tionsprogramme bespielsweise in den Bereichen Kreislauf, Diabetes oder Bluthochdruck zu bieten. (Susann Klossek)


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