Den Hintergrund der Diskussion bildet ein Beschluss der US-Regierung: Auf Druck der Industrie wird sie bis 2003 195’000 zusätzlichen ausländischen Computerspezialisten ein sogenanntes H-1B-Visum ausstellen. Mit solchen zeitlich begrenzten Arbeitsgenehmigungen sollen in den USA in den nächsten sechs Jahren bis zu 600’000 Fachkräfte arbeiten, da es zu wenig einheimische IT-Spezialisten gebe.
Professor Matloff hat diesen angeblichen Mangel an qualifizierten Fachkräften untersucht und stiess dabei auf Erstaunliches: Grosse Softwarefirmen wie
Microsoft, Sun oder
Oracle stellen nur gerade zwei Prozent der Kandidaten ein, die sich um eine Stelle bewerben. Bei anderen Silicon Valley-Firmen von Broderbund bis Red Hat bietet sich das gleiche Bild: Kein einziges Unternehmen stellt mehr als fünf Prozent der Bewerber ein. Viele werden von den Personalabteilungen wegen mangelnder Spezialkenntnisse abgewiesen. Doch diese, sagt der Professor, können die Universitäten gar nicht vermitteln, da sich die Anforderungen zu schnell ändern.
Mit den gleichen Argumenten würden auch ältere Arbeitnehmer diskriminiert. Matloff: «Auf das wichtigste Kriterium, das Programmiertalent, schauen die Human-Resources-Manager gar nicht. Dabei kann sich jeder, der einmal C gelernt hat, die neuen Techniken problemlos aneignen.»
Am Golde hängt, zum Golde drängt…
Matloffs Interesse für das Thema erwachte, als er feststellen musste, dass viele seiner Studenten trotz Wirtschaftswachstums keine Jobs fanden. Die Debatte um die Erhöhung des H-1B-Kontingents bot ihm den Anlass, den Arbeitsmarkt für Programmierer genauer unter die Lupe zu nehmen. Dass Matloff in Silicon Valley seither nicht gerade beliebt ist, hängt damit zusammen, dass er die Gründe für das Drängen der IT-Branche auf Aufrechterhaltung und Erweiterung des Einwanderungsprogramms offen benennt: «Ausländische Arbeitnehmer sind nicht nur günstig sondern auch abhängig.
Um Kosten zu sparen müssen so Software-Projekte nicht mehr ins Ausland verlagert werden.» Die importierten Software-Experten, meint Matloff, seien aber keineswegs die Crème de la Crème des jeweiligen Landes: «Viele Zeitaufenthalter lernen die neuen Technologien erst an ihrem Arbeitsplatz kennen. Hier macht die Industrie genau das, was sie älteren Arbeitnehmern verweigert.» Kurz und gut: Der Grund für den Mythos vom Arbeitskräftemangel in der IT-Branche, so Matloff, liege ausschliesslich beim Geld.
In der Tat zeigen die Statistiken, dass ausländische IT-Spezialisten in den USA zwischen 25 und 30 Prozent weniger verdienen als ihre einheimischen Kollegen. Bevor sie eine «Green Card» und damit mehr Bewegungsfreiheit bekommen, können sie ihren Job nicht wechseln, wenn sie den Bewilligungsprozess nicht verzögern wollen.
Die Wirtschaft kennt diesen «Vorteil» der Arbeitsgenehmigung auf Zeit sehr gut. Auch die Technologie-Einwanderer sind sich ihrer Lage bewusst. Nach Erhalt einer
Green Card bleiben nur wenige bei ihrem Arbeitgeber. Und diejenigen, die ihren Job behalten, verlangen eine satte Gehaltserhöhung, die sie dann meist auch bekommen.
Nicht nur in den USA
Dies ist die Situation in den Vereinigten Staaten. Doch Matloff glaubt, dass es in andern Industrieländern nicht viel anders aussieht und verweist etwa auf die
Green Card-Diskussion in Deutschland.
Dabei ist Matloff alles andere als ein Ausländerfeind. Er ist mit einer Asiatin verheiratet und spricht fliessend Chinesisch. Er hat sich bei Minderheitenprogrammen der Uni engagiert. Seine eigene Familie wanderte aus Russland ein. «Migration ist absolut ok», meint er, «doch das H-1B-Programm muss wieder seinen ursprünglichen Sinn bekommen – nämlich, die besten Köpfe ins Land zu holen.»
Unter dem Titel «Debunking the Myth of a Desperate Software Labor Shortage» hat Matloff seine Argumentation samt Quellen und statistischen Belegen in einen langen FAQ (http://heather.cs.ucdavis.edu/itaa.real.html) und auf einer ergänzenden Site (http://heather.cs.ucdavis.edu/
itaa.others.html) zusammengestellt. Er schrieb in der Washington Post, der New York Times und im Wirtschaftsmagazin Forbes. Auch im Kongress-Hearings hat er sich geäussert, doch: «Meine Daten scheinen niemanden zu interessieren». Die herrschende Meinung in Industrie und Politik ist und bleibt offensichtlich, dass es zu wenig Programmierer gebe und daher ausländische Spezialisten gebraucht würden. Zu möglichst günstigen Bedingungen, versteht sich. (fis)