Wenn alles so gelaufen wäre, wie er es sich früher vorgestellt hatte, so wäre Gregor Stücheli heute Hotelier und nicht CEO von
T-Systems Schweiz. Aber die zweijährige Wartefrist an der Hotelfachschule in Lausanne dauerte ihm dann doch zu lange, und so begann er ein Betriebswirtschaftsstudium an der Hochschule St.?Gallen. Der Dienst am Kunden und das Verkaufen liegen ihm im Blut («Ich verwöhne gerne Leute»). Gelernt hat er es im Schmuckgeschäft seiner Eltern sowie in einem kleinen Hotel, das Verwandten gehört und in ihm den Wunsch weckte, nach Lausanne zu gehen.
«In die IT reingerutscht»
So gesehen, ist es kein Zufall, dass er heute für einen IT-Dienstleister tätig ist. Dass er aber überhaupt erst in der IT-Branche gelandet ist, allerdings schon: «IBM rekrutierte damals Leute an der HSG, und zwar mit einem sehr interessanten Inserat. Sie suchten nämlich nicht nur Ingenieure oder Betriebsökonomen, sondern auch Theologen oder Biologen. Sie wollten Leute, die eine Brücke zwischen der IT und den Kunden bauen können. Auf diesem Weg bin ich in die IT-Branche hineingerutscht», erklärt Gregor Stücheli. So nahm seine Karriere 1989 als Marketingassistent bei
IBM in
St.?Gallen ihren Anfang.
«Das war damals recht speziell, denn man hatte noch gar keinen PC am Arbeitsplatz», erinnert sich Stücheli an die Anfangszeit. Seine Weiterbildung bei IBM führte ihn und seine Familie - Stücheli ist verheiratet und hat drei Kinder - nach Amerika. Dort war er im Rahmen eines Talentförderungsprogramms während drei Jahren im Stab der Nummer Zwei von IBM tätig. Der Aufenthalt am internationalen Hauptsitz im Bundesstaat New York hatte nicht nur auf Stüchelis Karriere, sondern auch auf seine Familie einen positiven Einfluss: «Die drei Jahre in den USA haben unsere Familie zusammengeschweisst.» Trotz der interessanten Zeit, in der sich den Stüchelis auch die Gelegenheit bot, die amerikanische Ostküste zu erkunden, kamen sie nach drei Jahren in die Schweiz zurück. «Mir fehlte bei der Arbeit in Amerika der direkte Kundenkontakt», begründet Stücheli die Rückkehr. Im Jahr 2000 übernahm er - noch immer bei IBM - die Verantwortung für den Geschäftsbereich Outsourcing Schweiz.
«Startup» mit 1300 Angestellten
Seine Erfahrung im Outsorucing-Umfeld führte schliesslich dazu, dass
T-Systems auf ihn aufmerksam wurde. Und so stiess Gregor Stücheli im Jahr 2002 als Chief Commercial Officer (CCO) zu T-Systems Schweiz. Damit stand er hinter CEO Peter Schöpfer an zweiter Stelle. Nur zwei Jahre später rückte er an die Spitze vor und leitet seither die Geschicke einer der grössten Ländergesellschaften des deutschen IT-Dienstleisters.
Der Schweizer Ableger der Telekom-Tochter setzte sich beim Markteintritt 2001 aus drei von T-Systems aufgekauften Firmen zusammen. «Wir waren also quasi ein Startup-Unternehmen mit 1300 Angestellten», so Stücheli; denn zu Beginn habe in der Schweiz praktisch niemand den Namen T-Systems gekannt. Damit standen Schöpfer und er vor einer grossen Herausforderung: Es galt, gleichzeitig die neue Firma am Markt zu positionieren, Kunden zu gewinnen und drei verschiedene Firmenkulturen zu integrieren. «Zuerst haben wir einfach mal überall ein T-Systems-Schild aufgehängt», bemerkt Stücheli schmunzelnd, «das hat aber nicht ganz gereicht.»
Sich als IT-Dienstleister erfolgreich zu positionieren sei gar nicht so einfach, erklärt er. «Wir arbeiten mit demselben Material, das auch all unseren Konkurrenten zur Verfügung steht. Man kann lediglich kundenorientierter arbeiten um sich von der Konkurrenz zu differenzieren.» Das fange schon beim Entgegennehmen von Anrufen an und mit welcher Stimme der Kunde begrüsst werde. Besonders wichtig sei am Ende aber nicht die Gemütslage des Angestellten am Telefon, sondern dass man die Technik den Problemen des Klienten anpasse und nicht umgekehrt. «So hat jedes Projekt einen Einfluss auf die Technik», bemerkt Stücheli.
Ein Geniessertyp
Eine von Gregor Stüchelis grossen Stärken ist sicherlich sein Optimismus und die damit verbundene Fähigkeit, jeder Situation etwas abgewinnen zu können. So sah er auch im Verlust eines prestigeträchtigen SBB-Auftrags an die
Swisscom eine Chance: «Viele verkündeten damals bereits das Ende von
T-Systems Schweiz.» Für Stücheli hingegen war es eine Gelegenheit, seinen Leuten nicht nur zu sagen, sondern zu beweisen, wie wichtig sie dem Unternehmen sind. Insgesamt waren rund 150 T-Systems-Angestellte vom Verlust des Auftrags betroffen. «Die Geschäftsleitung versprach, für jeden von ihnen eine neue Stelle zu finden.» Ein Drittel wurde schliesslich von Swisscom IT Services übernommen, und die anderen fanden innerhalb oder ausserhalb von T-Systems eine neue Aufgabe. So konnte auch den verbleibenden Mitarbeitern gezeigt werden, dass man sie nicht einfach fallenlässt, sobald Probleme auftauchen.
Diese Gelassenheit holt sich Stücheli im Kreise seiner Familie oder beim Spaziergang mit seinen Hunden. Von Leistungssport als Ausgleich hält er nicht besonders viel: «Ich bin eher ein Geniesser», was bedeuten soll, dass ihm ein leckeres Essen oder ein gutes Glas Wein mehr bietet als ein schweisstreibender Marathonlauf.
So reagiert er auch, wenn er auf die jüngsten Berichte über einen möglichen Verkauf der IT-Tochter durch die Deutsche Telekom angesprochen wird: Eine strategische Partnerschaft würde uns weiter nach vorne bringen, ist Stücheli überzeugt. Zurzeit haben wir in 28 Ländern T-Systems-Standorte, bei der heutigen Globalisierung ist es strategisch wichtig, flächendeckend über den Globus verteilt zu sein. So gesehen, sei eine strategische Partnerschaft mit dem richtigen Partner eine Option, die zumindest eine Überlegung wert sei. (mag)
Gregor Stücheli
Gregor Stücheli (44) wohnt - abgesehen von einem dreijährigen Aufenthalt am
IBM Hauptsitz im US-Bundesstaat New York - seit seiner Kindheit im St. Gallischen Will. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn im Alter zwischen 14 und 19 Jahren. Im Gegensatz zu vielen anderen Managern ist er nicht dem Fitnesstrend erlegen und isst lieber in einem guten Restaurant oder raucht eine feine Zigarre. Einzig im Winter erwacht in Stücheli der Athlet und wenn immer möglich zieht es ihn auf die Skipiste: «Zwischen Weihnachten und Ostern gibt es in der Freizeit nichts anderes als Skifahren.» Schon immer wollte er sein Geld mit Dienstleistungen verdienen, da es ihm im Blut liege «Leute zu verwöhnen».