Die Marktauguren von Dataquest hatten bereits im März vorausgesagt, dass sich die PC-Hersteller in den kommenden Monaten einen verschärften Kampf um die nahezu gesättigten Märkte in den USA, Kanada und Westeuropa liefern würden. Den Auftakt dazu setzte der Direkthändler
Dell, der es immer verstanden hat, mit den Preisen zu argumentieren, als er vor wenigen Wochen Compaq als weltweit grössten PC-Hersteller vom Thron stiess.
Doch der ebenfalls in Texas ansässige, bisherige Marktleader hatte seinen Mitarbeitern in einem internen Memo sofort klar gemacht, dass es hier um mehr geht, als um eine x-beliebige Statistik, und höchste Anstrengungen erwartet werden, um die Krone zurück zu erobern.
Auf zehnprozentige Preissenkungen von Dell reagierten die Konkurrenten in den USA umgehend.
HP kündigte Preisnachlässe von bis zu 28 Prozent an, Compaq gar von bis zu 31 Prozent. Als Resonanzboden für den Preiskampf erwies sich die von Merrill Lynch organisierte Hardware Technology Conference in New York.
Michael Capellas sprach dort für Compaq und meinte: «Wir stehen nicht vor einem Preiskrieg. Wir sind schon mitten drin.» Und er fuhr fort: «Der Krieg ist auch noch keineswegs zu Ende. Und wir werden kein bisschen weniger aggressiv agieren als unsere Konkurrenz.»
Tiefe Preise = kleine Marge = Rationalisierung
Normalerweise basieren Preissenkungen auf günstigeren Preisen für Komponenten und Prozessoren. In der Tat haben sowohl
Intel wie
AMD ihre Preise gesenkt. Aber alle Beteiligten geben zu, dass diesmal der ausgetrockente Markt und die Konkurrenz-Situation eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen.
Chris Murphy von IDC kommentiert: «Dell war mit den Preisen während des ganzen Jahres aggressiver als die andern. Jetzt wollen diese die Schere offensichtlich wieder schliessen.»
Dass unter diesen Vorzeichen die Margen in den Keller sinken, weiss auch Capellas: «Wenn es bei der Preisgestaltung hart wird, wird es selbstverständlich auch bei den Profiten enger.» Um die Kosten zu reduzieren, will Compaq die schon im März angekündigten Einsparungsmassnahmen verschärfen.
Als Teil eines Fünf-Punkte-Plans werden über die bereits angekündigten 5000 Stellen hinaus rund zehn Prozent des gesamten Personalbestands oder 7000 Mitarbeiter entlassen. Der Plan sieht ausserdem Kostensenkungen durch Reorganisationsmassnahmen, den Ausbau des Dienstleistungsbereichs, mehr Produktinnovationen und den Abbau von Lagerbeständen vor.
Branchenbeobacher sind allerdings skeptisch, was den Erfolg dieser Strategie betrifft. Nicht umsonst ist
Dell dafür bekannt, dank seiner ausgeklügelten Logistik und der optimierten Lagerhaltung, Preisvorteile wie kein anderer an die Kunden weitergeben zu können. «In dieser Beziehung wird Compaq gegen Dell kaum Boden gut machen können», vermutet etwa Dataquest-Analyst Todd Kort.
Rücksichtslos
Zudem will auch
Dell seine Kostentruktur weiter verbessern, wie Tom Meredith, als Senior Vice President für die Geschäftsstrategie von Dell verantwortlich, an der Hardware Technology Conference bekannt gab: «Wir werden unseren Weg ohne Rücksichten gehen. Schliesslich haben uns aggressive Preisgestaltung und rigorose Kostenkontrolle zur Nummer Eins gemacht.» Auf die Frage, ob «ohne Rücksichten» auch Entlasungen beinhalte, meinte er: «Durchaus mäglich».
Erstmals in seiner Geschichte hatte Dell im Februar dieses Jahres gössere Entlassungen (1700 Stellen) angekündigt. Wie inzwischen bekannt wurde, plant Dell nun tatsächlich, weitere 4000 Mitarbeiter zu entlassen.
Meredith machte zudem darauf aufmerksam, dass die Lagerbestände in der gesamten Industrie wohl höher sein dürften, als gemeinhin angenommen. Immerhin: «Aus unserer Perspektive sieht es nicht allzu schlecht aus. Wir haben Marktanteile gewonnen. Mehr Probleme dürften jene Mitbewerber haben, die Ergebnisse angekündigt haben, die sie nun nicht ausweisen können.»
Der Stich galt natürlich Compaq. Das Unternehmen meldete im ersten Quartal tiefere Einahmen als vorausgesagt und musste auch für das zweite Geschäftsquartal eine Gewinnwarnung aussprechen.
Doch der PC-Markt wird laut Meredith weiterhin hart umkämpft bleiben. Neben Compaq wären mit
HP und
IBM weitere starke Unternehmen beteiligt, die über genügen Reserven verfügten und auch bereit seien, diese einzusetzen. (fis)