Hinter dem manchmal jungenhaft sympathischen Auftreten von Tech Data-Chef Andreas Dürst steckt ein Manager der eher härteren Sorte. Bereits in diesem Frühjahr hat Dürst auf die absehbar schleppende IT-Konjunktur mit Kostensenkungen, sprich Stellenabbau, im eigenen Haus reagiert. Einige der Konkurrenten hätten über ihn gelacht, meint Dürst.
Das Lachen sei ihnen unterdessen vergangen und sie seien jetzt selbst am reorganisieren. Er habe die Planzahlen für dieses Jahr etliche Male überarbeitet und nur eine Zahl nie geändert: Jene Zahl unten rechts, die den Gewinn ausweist, so der ehrgeizige Manager.
Das Ende aller Liquiditätsprobleme im Channel?
«Kampf den Channel-Kosten!» – mit diesem Schlachtruf begründet
Tech Data auch den neuesten Schritt, die Einführung des «Agent-Fee-Modells». In Zukunft können Reseller bei grossen, hardware-lastigen Projekten Tech Data mit an Bord nehmen. Der Distributor nimmt eine direkte Geschäftsbeziehung zum Endkunden auf und fakturiert die gelieferte Ware direkt. Damit geht das Kreditrisiko auf den Distributor über und jegliche Probleme mit Kreditlinien entfallen.
Tech Data überweist dem Reseller nach Abschluss des Deals die Differenz zwischen dem Händlereinkaufspreis und dem Endkundenpreis (abzüglich MWST) als «Agentengebühr».
Mit dem ihm eigenen Enthusiasmus preist Dürst das neue Konzept an: «Die Finanzierung von Projekten ist heute eines der Hauptprobleme für Reseller. Kleinere Partner sind wegen zu geringen Kreditlinien gezwungen, bei mehreren Distis einzukaufen, was wiederum ihre Kosten erhöht.
Grosse Partner können bei grossen Projekten in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Diese beiden Probleme lösen wir mit unserem Vorschlag.» Bedenken, Tech Data könnte mit Direktlieferung und -Verrechnung den Channel ausschalten, will Dürst keine aufkommen lassen. Ein Disti werde nie die Salesforce und technische Kompetenz der Partner ersetzen und der Partner entscheide in jedem Fall selbst, ob er Tech Data ins Boot nehmen wolle oder nicht.
Jürg Schwarzenbach von Delec findet Tech Datas Modell «interessant». Die Frage sei, wie sehr sich der Disti in den Vordergrund dränge, und wie es der Dealer dem Kunden kommuniziere. Denn im Tagesgeschäft werde weiterhin der Händler der Rechnungssteller bleiben.
Kundenbeziehungen rationalisieren
Zur Tech Data-Strategie gehört es, die Supply Chain in den Kundenbeziehungen zu rationalisieren, wo es nur geht. So kündigte
Tech Data an, Kleinkunden in Zukunft nur noch über das Webbestellsystem zu bedienen. Der grösste und revolutionärste Rationalisierungsschritt war aber wohl die Einführung von unverhandelbaren «Netto-Strassenpreisen». Zum einen sind solche Voraussetzung, wenn man die Kunden motivieren (oder je nach Blickwinkel zwingen) will, ausschliesslich elektronische Anfrage- und Bestellwege zu benützen. Zum anderen lässt sich dadurch natürlich das eigene Call-Center entlasten und die Leute von Pendenzenberg-Abarbeitern zu aktiven Verkäufern umpolen.
Unterdessen sei das neue Preissystem vollständig durchgesetzt, so Dürst. «Wir haben wöchentliches ‘Velocity Pricing’ eingeführt und machen intensiv Konkurrenzanalysen. Wir wollen kein ‘Billiger Jakob’ sein, sondern zusammen mit unseren Dienstleistungen ein konkurrenzfähiges Angebot machen», meint Dürst.
«Sanfte Migration der Kleinkunden»
Ursprünglich habe er vorgehabt, die Kunden mit geringeren Umsätzen «hart», sprich radikal und schnell, auf elektronische Bestellwege zu verweisen. Davon sei er abgekommen, erzählt Dürst: «Es ist ein langer Prozess.» Doch grundsätzlich vom Ziel abkommen will man bei
Tech Data nicht. Dürst schwebt nach wie vor eine geschlossene, elektronische Kommunikationskette (Stichworte XML und EDI) zwischen Endkunden, Reseller, Disti und Hersteller vor. (hc)
«Reseller am längeren Hebel.»
IT Reseller: Wieviel Umsatz hat Sie der Schritt zu unverhandelbaren Preisen gekostet? Oder haben Sie gar Kunden gewonnen, die ihre eigenen Prozesse ebenfalls rationalisieren wollen?
Andreas Dürst: Anfänglich waren grössere Kunden schon skeptisch. Doch das hat sich gelegt. Wir haben mit ganz wenigen Schlüsselkunden Verträge abgeschlossen, in denen wir Ziele und Boni definieren. Nun sind wir daran, diese Verträge zu managen und die Resultate zu beobachten. Nicht alle Kunden erreichen die festgelegten Ziele. Darauf werden wir reagieren.
ITR: Die Migration von kleineren Resellern auf elektronische Bestellwege erfolgt nun langsamer als ursprünglich angekündigt. Hatten Sie zuviel Widerstand?
AD: Nein, darum geht es nicht. Aber ich will gegenüber unseren Kunden nicht arrogant erscheinen. Es macht Sinn, unsere Pläne absolut sauber zu kommunizieren. Etwa 1000 Kunden haben wir mit einem Mailing angesprochen, bei anderen sprechen wir direkt vor. Es geht auch darum, kein Potential zu verlieren.
ITR: Was sagen Sie einem VAR, der den direkten Beziehungen zwischen dem Disti und dem Endkunden misstraut?
AD: Ich würde versuchen, ihm nochmals unser Konzept der Fokussierung auf Kernkompetenzen zu erklären. In der Beziehung zum Kunden ist der Reseller immer am längeren Hebel und er bestimmt, ob er uns zum Kunden mitnimmt oder nicht. Wenn wir anfangen würden, Rosinen zu picken und Reseller bei bestimmten Geschäften zu umgehen, wären wir schnell aus dem Geschäft. (Interview: hc)
Umsatz-Verluste der US-Multis
Tech Data musste, wie auch
Ingram Micro, im zweiten Quartal 2001 Umsatzverluste hinnehmen. Der Umsatz des US-Überdistis sank im Vergleich zum Vorjahr um fast 20 Prozent auf 4,1 Mia. Dollar. Konkurrent Ingram wälzte im gleichen Zeitraum IT-Waren für sechs Mia. Dollar um.
Tech Data hat mit rigorosen Einsparungen reagiert.
So hat man das Inventar um über eine halbe Milliarde Dollar reduziert. Der durchschnittliche Lagerumschlag beträgt nunmehr 25,7 Tage, der beste je erreichte Wert. Unter dem Strich hat man konzernweit trotz stotterndem Absatz (alleine die Hardware-Verkäufe in den USA sanken um 37 % im Vergleich zum Vorjahr) immer noch Geld verdient. Mit 27,2 Mio. Dollar ist der operative Gewinn im Verhältnis zum Umsatz Disti-typisch winzig. Auch unter Einbezug von Sonderkosten blieben die Zahlen bei Tech Data schwarz.
Dies im Gegensatz zu Ingram Micro. Der weltweit grösste IT-Distributor konnte seine durchschnittliche Brutto-Marge zwar auf 5,25 Prozent erhöhen. Doch unter Einbezug von Restrukturierungskosten verlor Ingram im Q2 12 Mio. Dollar. In Europa arbeitet Ingram weiterhin wenig ertragreich. Lausige 1,7 Mio. Dollar operativer Gewinn resultierte aus einem Umsatz von immerhin 1,57 Mia. Dollar.