Michael Berchtold: 'Bei Lenovo gibt es keine Channel-Konflikte'
Quelle: Lenovo

Michael Berchtold: "Bei Lenovo gibt es keine Channel-Konflikte"

Michael Berchtold verantwortet seit Anfang Oktober 2023 die Infrastructure Solutions Group (ISG) bei ­Lenovo Schweiz. Im Interview spricht der 54-Jährige über seine ersten Monate im Job, die damit ­verbundene Rückkehr in die Branche und seine Ziele mit dem Lenovo-Channel.
15. Februar 2024

     

"Swiss IT Reseller": Herr Berchtold, Sie sind am Tag dieses Interviews Mitte Januar ziemlich genau 100 Tage im Amt. Wie sind Sie in Ihre neue Position gestartet?
Michael Berchtold: Sehr gut. Für mich war es fast schon ein wenig ein Gefühl des Heimkommens, schliesslich war ich lange Jahre auf Herstellerseite in der IT tätig – unter anderem bei Compaq, bei Hewlett-Packard oder bei Canon. Vieles ist heute noch ähnlich wie damals, auch viele Wegbegleiter von damals sind nach wie vor in der Branche tätig. Bei Lenovo wurde ich sehr herzlich empfangen, das Team in der Schweiz ist übersichtlich, weshalb man sich schnell heimisch fühlt. Mein Start ist in das geschäftigste Quartal des Jahres gefallen – das vierte Kalenderquartal, das dem dritten Quartal unseres Geschäftsjahres entspricht. Entsprechend war enorm viel los, was zur Folge hatte, dass ich zum Start eher reaktiver unterwegs war, als ich mir das vorgestellt hatte. Gleichzeitig war ich – quasi gezwungenermassen – rasch in allen Themen drin. Seit Anfang des neuen Jahres nun versuche ich das Ganze in proaktivere Bahnen zu lenken und die Dinge nach der Hektik des Jahresendes strukturierter anzugehen.

Die letzten Jahre waren Sie nicht mehr für einen IT-Hersteller tätig, sondern zuerst bei Spie SCS und zuletzt als Head of Sales bei SPS Switzerland – also im Outsourcing-Bereich. Ist die Tatsache, dass Sie nicht von einer vergleichbaren Position zu Lenovo gewechselt sind, vielleicht auch hilfreich, weil Ihr Blick nicht branchenvernebelt ist? Bringen Sie eine neue Perspektive in Ihre Position?
Das zu beurteilen ist vielleicht etwas früh. Ich denke aber, durch meine letzten Tätigkeiten ist meine Perspektive etwas stärker auf den Business Value fokussiert – auf den Mehrwert, den eine Lösung haben kann anstelle der reinen Preisfrage. Im Infrastrukturgeschäft ist man durch gewisse Ausschreibungen nach wie vor stark durch den Preis getrieben, der teils mit bis zu 75 Prozent gewichtet wird. Das spiegelt sich natürlich auch in der Art und Weise, wie wir als Hersteller agieren. Oft wird zu wenig hinterfragt, was ein Kunde mit einer Lösung überhaupt vorhat oder welche Ziele er damit verfolgt.


Wenn der Preis in Ausschreibungen allerdings so stark gewichtet wird, nützt es wenig, wenn Ihre Teams zwar den Business Value einer Lösung im Auge haben, der Endkunde dann aber trotzdem nur auf den Preis schaut.
Im Bezug auf seine Entscheidung mag das so sein. Im Bezug auf das Gefühl, das wir einem Kunden geben – auf seine Betreuung, eine Diskussion auf Augenhöhe –, denke ich schon, dass wir das anstreben müssen. Denn nur so können wir nachhaltig bei einem Kunden erfolgreich sein.

Muss man festhalten, dass seitens Kunde in Ausschreibungen und Anbieterentscheidungen nach wie vor zu viel Wert auf den Preis und zu wenig auf den Business Value gelegt wird?
Für mein persönliches Empfinden ja, obwohl man das natürlich nicht verallgemeinern kann. Wir sprechen letztlich von Beschaffung, und nicht von Business Cases, während in meiner letzten Position eher der Business Case im Vordergrund stand. Darum – um zurück auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen – denke ich schon, dass eine etwas andere Perspektive hilfreich sein kann.

Wie haben Sie Ihr neues Team erlebt – ist es passend aufgestellt, oder gibt es Bereiche, die Sie gerne verstärken würden?
Mein Team ist nicht riesig und besteht aus Sales- und Pre-Sales-Mitarbeitenden. Dieses Team wird wachsen, zusammen mit dem Geschäft, für das wir Wachstum anstreben. Wir stehen aktuell auf Platz drei in der Schweiz und sehen uns als Herausforderer mit Luft nach oben. Die Balance im Team mit Solution-Architekten, Tech Sales und reinen Sales stimmt aber für die Channel-Ausrichtung, die wir verfolgen. Potenzial sehe ich dabei, den Partnerkanal weiter zu stärken, zudem glaube ich, wir könnten vermehrt noch gemeinsam mit dem Partner beim Endkunden auftreten. Dieses proaktivere Engagement beim Endkunden zusammen mit den Partnern möchte ich in Zukunft vorantreiben.
Können Sie etwas genauer auf Ihre Wachstumsstrategie und Ihren Fokus eingehen?
Wir verfolgen ganz klar eine Wachstumsstrategie, wobei wir durch den Markt getrieben sind. KI ist im Moment ein grosser Wachstumstreiber, und in dem Zusammenhang spielt das Thema Nachhaltigkeit eine grosse Rolle, und zwar dadurch, dass sich durch die KI-Bewegung Konflikte mit Nachhaltigkeitszielen auftun – Stichwort Stromverbrauch in Rechenzentren. Wir sind in beiden Bereichen sehr aktiv, versuchen einerseits aus technologischer Sicht die Energieeffizienz unserer Lösungen zu steigern und sind seit geraumer Zeit daran, uns mit Softwareherstellern und Partnern im Bereich KI zusammenzuschliessen, um Gesamtlösungen anbieten zu können, die verkauf- und nutzbar sind. Unsere Marktanteile sind mit diesen Bestrebungen relativ eng verknüpft. Wobei ich anfügen muss, dass die Marktanteile im KI-Bereich aktuell sehr stark von der Verfügbarkeit und den Lieferketten abhängen – etwa was Grafikkarten angeht, wo eine regelrechte Schlacht um verfügbare Produkte tobt.

Ich dachte eigentlich, das Thema Verfügbarkeit habe sich im letzten Jahr weitgehend erledigt.
Dem ist leider nicht so. Gerade im Bereich Grafikkarten gibt es Stand heute einen grossen Hersteller – Nvidia. Intel und AMD ziehen zwar nach, doch das wird sich erst im Laufe dieses Jahres bemerkbar machen. Es wird spannend.


Können Sie Ihre Wachstumsziele für den Schweizer Markt quantifizieren?
Wir befinden uns aktuell noch in der Budgetierungsphase für das neue Geschäftsjahr, das bei uns im April beginnt. Stand heute gehe ich aber davon aus, dass die Wachstumsziele für die Schweiz in der ISG bei 5 bis 10 Prozent liegen werden.

Bei der Bekanntgabe Ihres Engagements hiess es, ein Ziel sei die Nutzung von Synergien mit den anderen Lenovo-Abteilungen – sprich der Intelligent Device Group und der Mobile Business Group. Wie weit sind Sie hier schon?
Als erster Schritt, der auch in der Schweiz etabliert wird, streben wir an, dass wir das gegenseitige Know-how der verschiedenen Abteilungen soweit aufbauen, dass gegenseitig Leads generiert werden können – sprich dass die Abteilungen gegenseitige Business Opportunities erkennen und Cross-Selling-Möglichkeiten nutzen. Wenn wir das erreichen, ist schon viel geschafft – das gilt vor allem für die Schweiz, wo Lenovo in erster Linie als Verkaufsorganisation tätig ist.

Ich gehe davon aus, sie haben in den letzten Wochen und Monaten bereits Partner kennenlernen dürfen. Welches Feedback haben die Partner Ihnen entgegengebracht?
Was die Partner an Lenovo schätzen ist, dass wir flexibel und wendig mit ihnen zusammenarbeiten, rasch reagieren, schnell sind mit Preisangaben und Änderungen, weil wir strukturell recht beweglich sind in der Schweiz. Damit verbunden haben mir die Partner aber immer auch den Wunsch mitgegeben, darauf zu achten, dass dem auch so bleibt – dass das Wachstum nicht dafür sorgt, dass wir träge werden wie Mitbewerber von uns. Geschätzt wird zudem auch unser Commitment zum Channel. Bei Lenovo gibt es keine Channel-Konflikte – das kennen wir im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern nicht.
Sicherlich haben die Partner Ihnen nicht nur gesagt, was Lenovo gut macht, sondern auch, was man sich von Ihnen für die Zukunft erhofft.
Die Beweglichkeit, die wir uns erhalten sollen, habe ich erwähnt. Daneben gibt es sicherlich auch Optimierungspotenzial im Bereich Supply Chain. Wir versuchen hier möglichst transparent gegenüber unseren Distributoren und Partnern zu sein – umso wichtiger ist es, dass unsere Angaben etwa zur Verfügbarkeit oder zu Lieferterminen präzise sind. Hier gibt es systemtechnisch bestimmt noch Luft nach oben, doch daran arbeiten wir – auf globaler Ebene.

Wenn Sie sich die ISG-Partner von Lenovo in der Schweiz anschauen – wie zufrieden sind Sie mit der hiesigen Partner­landschaft?
Grundsätzlich wünsche ich mit sicherlich mehr Partner. Wichtig scheint mir zudem, dass wir unsere Partner dabei unterstützen, sich gemeinsam mit dem Markt weiterzuentwickeln. Denn eines ist sicher: Unsere Partner – und auch wir – müssen den Wandel, der am Markt passiert, mit der Entwicklung Richtung KI, Cloud und hybriden Umgebungen, mitgehen. Der reine Hardware-Verkauf ist kein nachhaltiges Modell, dazu ist der Markt viel zu dynamisch. Also brauchen wir Partner, die sich verstärkt mit den Business Cases bei den Kunden befassen – hier sind wir selbst und sind auch viele unserer Partner noch zu wenig stark, ich habe es eingangs bereits angesprochen. Doch wenn ich schaue, wo Lenovo im Bereich ISG herkommt, müssen wir sehr zufrieden damit sein, wo wir und unsere Partnerlandschaft heute stehen.


Was machen Ihre Partner in Ihren Augen besonders gut?
Eine grosse Stärke unserer Partner ist ihre Kundennähe. Viele Partner unterhalten langjährige, stabile Partnerschaften mit ihren Kunden und kennen diese sehr genau. Oft handelt es sich seit Jahren und Jahrzehnten auch um die gleichen Ansprechpartner bei den Partnern. Entsprechend viel Know-how und Vertrauen ist vorhanden.

Können Sie bereits einen Ausblick geben, was die Lenovo ISG-Partner im Laufe dieses Jahres erwarten wird?
Es wird sicherlich spannende Produktneuheiten geben, zu denen ich Stand heute aber noch nicht zu viel verraten kann. Vorrangig wird es bei diesen Produkten aber um Enablement für AI-Workloads gehen. Im Edge-Umfeld werden wir ebenfalls pushen. Hier haben wir schon länger Produkte, inzwischen aber sehen wir auch mehr Use Cases – nicht zuletzt dank des IoT-Volumens am Markt. Energieeffizienz wird sicher auch eine wesentliche Rolle spielen bei unseren Produkten in diesem Jahr. Und wir werden mit Schulungen beginnen rund um unser Netzwerk an AI-Software-Lösungen, das wir aufgebaut haben. So wollen wir den Partnern mögliche Anwendungen für das Geschäftsumfeld näherbringen.

Abschliessend vielleicht noch: Was können die Lenovo Channel-Partner von Michael Berchtold erwarten? Was zeichnet Sie als Person aus?

Mein Commitment zum Channel und meine Unterstützung für sämtliche Belange, in denen die Partner Hilfe benötigen. Ich verstehe mich irgendwo auch als Troubleshooter, sollte es nötig sein. Und was ich versuchen werde, ist, zusammen mit meinem Team Opportunities zu kreieren für unsere Partner. Denn dabei, bei der Pflege der Kundenbeziehungen, werden wir sicherlich noch zulegen. (mw)




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