Die Tücken der Mehrwertsteuer

Wer Bussen und Steuernachforderungen vermeiden will, muss im grenzüberschreitenden Verkauf und Erwerb von Software ein paar mehrwertsteuerliche Klippen umschiffen.

Artikel erschienen in IT Reseller 2003/15

   

Obwohl viele Steuerpflichtige nach bestem Wissen und Gewissen handeln, unterlaufen ihnen Fehler, die oft erst Jahre später – bei einer Mehrwertsteuerrevision oder einer stichprobenweisen Prüfung durch die Zollbehörden – aufgedeckt werden.
Da die Steuerbehörden berechtigt sind, die fehlende Mehrwertsteuer fünf Jahre zurück aufzurechnen, können existenzbedrohende Steuerforderungen entstehen. Mehrwertsteuerpflichtige können viele Fehler vermeiden, indem sie ein paar Grundregeln beachten.

Softwareeinfuhr mit und ohne Datenträger

Bei der Softwareeinfuhr ist zu unterscheiden, ob Datenträger in die Schweiz eingeführt werden oder nicht. Wird kein Datenträger eingeführt (z.B. Bezug über eine Datenfernleitung), ist die Mehrwertsteuer der Eidg. Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, und zwar nach den Bestimmungen des Bezugs von Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland abzuführen.
Wird hingegen ein Datenträger eingeführt, ist zunächst die Eidg. Zollverwaltung für die Erhebung der Steuer auf der Einfuhr des Datenträgers zuständig. Dabei wird zwischen Datenträger mit und ohne Marktwert unterschieden.
Hat ein Datenträger nach der Definition der Eidg. Zollverwaltung einen Marktwert, so muss dieser bei der Einfuhr der Zollverwaltung deklariert und versteuert werden. Hat ein Datenträger hingegen keinen Marktwert, so ist in der Rubrik Mehrwertsteuer der Zolldeklaration ein Betrag von Fr. 1.- zu deklarieren.
Die Besteuerung des Entgelts für die Software erfolgt in diesem Fall nicht durch die Eidg. Zollverwaltung, sondern durch die Eidg. Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, nach den Bestimmungen des Bezugs von Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland.

Datenträger mit oder ohne Marktwert?

Im MwSt-Info-Blatt Nr. 03 der Eidg. Zollverwaltung wird erläutert, was die Zollverwaltung unter Datenträgern mit und ohne Marktwert versteht.
Ein Marktwert besteht, wenn für die auf dem Datenträger aufgezeichnete Software ein Kaufpreis oder eine einmalige Lizenzgebühr feststeht. Sie ist mithin im Handel käuflich oder gegen Bezahlung einer einmaligen Lizenzgebühr erhältlich. Kein Marktwert lässt sich bei der Einfuhr von folgender Software auf einem Datenträger feststellen:
Software, deren Einfuhr ein Vertrag zugrunde liegt, der die Anzahl der während der Vertragsdauer abzuliefernden Datenträger nicht festlegt;

Software mit wiederkehrend zu zahlenden Lizenzgebühren;

Software, die auf dem freien Markt nicht erhältlich ist (z. B. Programm in Entwicklung);
Segmente oder Teile von Computerprogrammen, deren Wert weder aus Preislisten noch aus dem Auftrag bzw. aus der Rechnung ersichtlich ist.
Oft sind in der Praxis die Bedingungen der Verwaltung für einen Datenträger mit Marktwert erfüllt, obwohl die Vertragsparteien dem Datenträger mit der Software keinen dem Softwarelizenzwert entsprechenden Marktwert beimessen. So wird zum Beispiel kaum ein Softwareverkäufer eine versandte CD-ROM für eine 5000 User Server-Installation für 500’000 Franken versichern, während er die CD-ROM für eine 50 User Server-Installation für 5000 Franken versichert.
Besonders bei Software, die, obwohl sie standardisiert verkauft wird, einen hohen Customizing-Bedarf beim Kunden aufweist, werden die Datenträger der Software weder vom Verkäufer noch vom Käufer als entsprechend wertvoll wahrgenommen.
Daher sollte unabhängig von der eigenen Wahrnehmung vor jeder Einfuhr überprüft werden, ob die eingeführten Datenträger dem MwSt-Info-Blatt Nr. 03 der Eidg. Zollverwaltung entsprechend einen Marktwert aufweisen oder nicht. Nur so kann garantiert werden, dass die Einfuhr mehrwertsteuerlich korrekt abgewickelt wird.

Export einer Dienstleistung oder eines Gegenstandes?

Bei der Softwareausfuhr muss sich der Mehrwertsteuerpflichtige ähnliche Überlegungen machen wie bei der Einfuhr. Denn je nach Qualifikation, kann es sich um den Export eines Gegenstandes oder den Export einer Dienstleistung handeln. Die Abgrenzung entspricht, obwohl andere rechtliche Grundlagen bestehen, den Regeln bei der Einfuhr.
Wird kein Datenträger (z.B. Lieferung mittels Datenfernleitung) ausgeführt, so ist von einem Export einer Dienstleistung auszugehen. Dieser Dienstleistungsexport ist am Ort des Dienstleistungsempfängers zu versteuern, dies bedeutet, dass keine schweizerische Mehrwertsteuer auf diese Dienstleistungen erhoben wird, sofern der Dienstleistungsempfänger seinen Sitz im Ausland hat. Der entsprechende Nachweis muss belegmässig (Fakturakopie, Verträge u.a.) erbracht werden.
Wird ein Datenträger ausgeführt, muss bestimmt werden, ob es sich um einen Datenträger mit oder ohne Marktwert im Sinne des Merkblatts Nr. 06 der Eidg. Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, handelt. Die Kriterien im Merkblatt Nr.06 entsprechen den beschriebenen Kriterien im MwSt-Info-Blatt Nr. 03 der Eidg. Zollverwaltung.
Handelt es sich um einen Datenträger ohne Marktwert, so ist von einem Export einer Dienstleistung auszugehen. Handelt es sich hingegen um einen Datenträger mit Marktwert, so ist der Ausfuhrnachweis einer Warenlieferung entsprechend zu führen.
Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige, will er die Steuerbefreiung für die Ausfuhr der Ware in Anspruch nehmen, diese Ausfuhr mittels eines zollamtlichen Originalbeleges nachweisen muss. Der angegebene Wert auf dem zollamtlichen Ausfuhrbeleg muss dem tatsächlichen Entgelt (Rechnungsbetrag) entsprechen, andernfalls wird der Ausfuhrbeleg von der Eidg. Steuerverwaltung nicht als Beweis akzeptiert.

Weitere Kompliziertheiten

Wie bei der Softwareeinfuhr besteht auch hier das Problem, dass sowohl auf der Seite des Verkäufers wie auch auf der Seite des Käufers oft von einer Dienstleistung ausgegangen wird, obwohl nach den entsprechenden Verwaltungsanweisungen die Ausfuhr einer Ware vorliegt.
Daher sollte unabhängig von der eigenen Wahrnehmung vor jeder Ausfuhr überprüft werden, ob ein ausgeführter Datenträger dem Merkblatt Nr. 06 der Eidg. Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, entsprechend einen Marktwert aufweist oder nicht. Nur so kann garantiert werden, dass der Nachweis der Ausfuhr der Software erbracht werden kann.
Abschliessend muss noch erwähnt werden, dass die korrekte Handhabung der Ausfuhr aus schweizerischer Sicht nicht garantiert, dass der Import im entsprechenden EU-Land ebenso gehandhabt wird. So wird in einzelnen EU-Ländern der Datenträger immer inklusive dem Wert der enthaltenen Software zollamtlich erfasst und versteuert, unabhängig davon, ob es sich um Standard- oder Individualsoftware handelt.

Der Autor


Lic. iur. Christoph Schärer ist Consultant im Mehrwertsteuerteam von PricewaterhouseCoopers in Zürich. christoph.schaerer@ch.pwc.com.


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