Dell macht’s auch indirekt

Wenn Dell auch ungern darüber spricht: So ganz ohne Partner geht es nicht. Doch in Europa, wo das Direktmodell noch nicht die angestrebten Marktanteile zeitigt, wartet der Hersteller mit dem Ausbau des Channels noch zu.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/01

     

Er lebt etwas im Schatten, aber es gibt ihn doch, den «Dell-Channel»: Auch der texanische Direktverkäufer kann nicht ganz ohne Partner leben. Deshalb verbündet er sich in Sachen Garantieerbringung und Mehrwert-Lösungen mit anderen Firmen – auf internationaler und lokaler Basis. Informationen über Partner sucht man auf der Webseite von Dell allerdings vergeblich.
Dies entspricht der «direkten» Firmenphilosophie: Der Kunde soll immer mit Dell sprechen. Die Existenz der Partner wird zwar nicht explizit verheimlicht, aber es existieren keine offiziellen Bezeichnungen für sie – und von Resellern als Wiederverkäufer im klassischen Sinn lässt sich sowieso nicht sprechen. Ein Versuch in diese Richtung läuft gegenwärtig allerdings in den USA.
Dort beliefert Dell einige Lösungsanbieter im Rahmen des White-Box-Programmes mit ungebrandeten PC (siehe Kasten). In Europa, wo der mit dem Direktmodell angestrebte Marktanteil von 30 bis 40 Prozent aber noch lange nicht erreicht ist, wird eine solche Nähe zum Kanal nicht gesucht: «Den typischen Reseller, der von uns PC oder Server zu speziellen Konditionen geliefert bekommt und dann weiterverkauft, den gibt es nicht», sagt Achim Freyer (Bild), Marketing Manager von Dell Schweiz in Genf.
Dennoch: In gewissen Bereichen setzt Dell auch hierzulande auf Partner. Und zwar bei Reparaturdienstleistungen und bei Mehrwert-Lösungen auf der Basis seiner PC, Server und Speichersysteme.

Fremde Techniker im Einsatz für Dell

Hat der Käufer eines Dell-Computers ein Problem mit seinem Gerät, ruft er die Hotline des Herstellers an. Diese übermittelt den Reparaturauftrag an einen der beiden Service-Partner, Unisys oder Getronics. Ursprünglich hatte Dell im Service-Bereich mit Dec zusammengearbeitet. Als Dec aber im Zuge der Compaq-Übernahme in die Hände des ärgsten Konkurrenten fiel, musste eine neue Lösung her.
So wurden Serviceleistungen zwischenzeitlich von Wang Computer und einigen kleineren Anbietern erbracht, bevor Michael Dell eine Zwei-Partner-Strategie definierte: Wang fiel schliesslich in die Hände von Getronics, als zweiter Servicepartner kam im Jahr 1998 Unisys hinzu. Für Unisys Schweiz kam der Service-Auftrag von Dell im richtigen Moment, denn durch die Fusion von Bankverein und Bankgesellschaft hatte das Unternehmen einen lukrativen Field-Service-Auftrag des Bankvereins verloren.
Landesweit beschäftigt Unisys heute rund 90 Techniker, rund ein Drittel davon steht regelmässig für Dell im Einsatz. «Für uns bedeutet dieser Service-Auftrag viel Arbeit in der Schweiz, generiert wichtigen Umsatz und hilft uns dabei, die bestehende Infrastruktur auszulasten», erzählt Roland Nussbaumer, Manager Unisys Field Operations in Thalwil. Im Oktober des letzten Jahres haben Dell und Unisys ihre Zusammenarbeit auch auf Asien ausgeweitet.

Getronics: Service für Dell bringt Umsatz

Getronics beschäftigt in der Schweiz 60 Techniker und System Engineers, wovon die Hälfte als Dell Certified Field Engineer zertifiziert ist. Die Service-Leistungen, die Getronics und Unisys für Dell erbringen, sind in drei Stufen eingeteilt: Zuunterst stehen die relativ anspruchslosen «Break and Fix»-Leistungen, die in rund der Hälfte der Fälle direkt vom Logistiker erledigt werden. Darüber stehen Installations- und Rollout-Dienstleistungen für Server und Desktops.
Zuoberst schliesslich figurieren Migrationen und Helpdesk-Lösungen. Insbesondere die oberen Segmente sind für Getronics interessant: «Bei gewissen dieser Kunden ergeben sich natürlich Kontakte, die auch mal zu einem weiteren Projekt führen», erzählt Heinz Stucki, Business Area Manager Enterprise Systems von Getronics Schweiz.
Wenn Getronics für einen Kunden eine Lösung realisiere, probiere man stets, Dell-Hardware hereinzubringen. In jedem einzelnen Fall stellt sich dann die Frage, wer gegenüber dem Kunden als Generalunternehmer auftrete. Dell signalisiert diesbezüglich Offenheit: «Wenn ein grosser Kunde nur mit einem bestimmten Lösungsanbieter als GU arbeiten und Dell-Hardware haben möchte, dann lassen wir sicher mit uns reden», sagt Freyer.
Für Installationsdienstleistungen und grössere Rollouts arbeitet Dell nicht nur mit den zwei genannten, sondern indirekt auch mit weiteren Partnern zusammen. Dazu gehört etwa Itris aus Spreitenbach. «Für unsere Kunden erbringen wir auch Services, wenn sie Dell-Hardware haben, sind aber kein offizieller Servicepartner des Herstellers», sagt Tomas Pfister, Direktor Verkauf von Itris Maintenance.
Des öfteren wickelt Itris kleinere und grössere Rollout-Aufträge für Kunden ab. Handelt es sich dabei um Dell-Systeme, werden diese an Itris geliefert, im hauseigenen Staging-Center für den Einsatz beim Kunden bereitgemacht und schliesslich dort installiert. «Dem Rollout folgt in vielen Fällen der Unterhalt der neuen Infrastruktur durch uns», sagt Pfister.

Alle Partner müssen Mehrwert bringen

Eine weitere Kategorie von Dell-Partnern sind die Dell Systems and Solutions Provider (DSSP). Davon gibt es in der Schweiz laut Freyer rund 15, die er aber im Sinne einer «Gleichbehandlung» gegenüber IT Reseller nicht offen legen will. Der DSSP-Status hat auch keinen offiziellen Charakter und darf von den Partnerfirmen nicht für Marketingzwecke verwendet werden.
«Diese Firmen bieten einen klaren Mehrwert auf der Basis unserer Hardware», so Freyer. Die Frage sei immer, ob der Kunde das Produkt in seiner usprünglichen Form, in der es das Dell-Werk verlässt, kaufen könne, oder ob ein bestimmter Mehrwert notwendig sei – etwa die Konfiguration und Zertifizierung eines PC für den Einsatz in einem Labor, so Freyer.
Die grossen, herstellerunabhängigen IT-Dienstleister werden von Dell wie normale Grosskunden betreut: «Wir haben kein eigentliches Partnerschaftsabkommen im Sinne einer strategischen Allianz wie mit Cisco oder SAP», sagt Jochen Reinhardt, Kommunikationsbeauftragter für IBM Global Services Schweiz.
Die Projektplattform sei im Einzelfall unabhängig, und wenn ein Kunde Dell-Geräte wünsche, sei dies kein Problem: «Auch der Abschluss eines Managed-Services-Vertrag über eine bestehende Dell-Infrastruktur kommt vor», erzählt Reinhardt.
Dell versucht also über Partnerschaften primär dort hereinzukommen, wo der Hersteller keinen eigenen Kundenkontakt hat. Dieser Meinung ist auch Markus Wullschleger von der MTF-Gruppe Schweiz: «Bei bereits bestehenden Kontakten ist der Partner für Dell nicht interessant, es sei denn, er arbeitet sehr lösungsorientiert», meint er. «Unsere Stärke aus dem Direktmodell ist es ja gerade, den Kunden zu kennen, seine Anschrift zu haben und genau zu wissen, welche Geräte dort stehen», ergänzt Freyer. (bor)

Erst wenn das Direktmodell ausgeschöpft ist, kommt der Channel zum Zug

Ein Blick über den grossen Teich zeigt: Wenn sich die Marktanteile mittels direktem Verkauf partout nicht mehr steigern lassen, legt sich selbst Dell in das Channel-Bett. Ende August vergangenen Jahres hat der Hersteller in den USA ein Programm ins Leben gerufen, in dessen Rahmen ein ungebrandetes Desktop-System mit der Bezeichnung White Box 510D an Lösungsanbieter verkauft wird.
Diese müssen KMU bei der Auslagerung ihrer IT unterstützen. Auch ist Dell in den USA eine Allianz mit ASCII, der grössten Reseller-Vereinigung eingegangen. «Der hohe, mit dem Direktmodell erreichte Marktanteil in den USA erlaubt Dell, neue Distributionsmodelle auszuprobieren. In der Region EMEA hingegen haben wir mit dem gegenwärtigen Angebot und dem Direktverkauf genügend Wachstumsmöglichkeiten», heisst es. Der europäische Channel kommt also – noch – nicht zum Zug. (bor)


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