Nachdem das Platzen der Internet-Branche das Vertrauen der Anleger in die IT-Branche erschüttert hat und eine Vielzahl der Investmentfirmen ihr Geld nicht mehr IT-Firmen anvertrauen, hat sich das Blatt in der letzten Zeit wieder gewendet. Neben den gefürchteten «Heuschrecken», die vor allem auf die Sanierung von maroden Konzernen aus sind, investieren teilweise auch professionelle Anleger, durch den Web-2.0-Hype getrieben, wieder fast blind in Firmen, die sich neue Internetanwendungen zum Geschäftsmodell gemacht haben. Nicht so Invision. Die Zuger Private-Equity-Firma hat klare Vorstellungen bezüglich der Voraussetzungen, die Firmen erfüllen müssen, in welche sie ihr Geld investiert.
Invision wurde vor zehn Jahren gegründet und investiert hauptsächlich in europäische Firmen der IT- und Telekombranche (vor allem in Service- und Software-Unternehmen), in Medizinaltechnologie-Firmen und in Unternehmen mit innovativen Dienstleistungen und Produkten aus der Finanzindustrie sowie aus der Medien- und Unterhaltungsbranche. Die neun in Zug stationierten Investment-Profis arbeiten mit Wagnis-Beratern und diversen anderen Investment-Beratern zusammen und haben seit der Gründung 1997 mittlerweile den vierten Fonds geäufnet. Invision und die Invision-Mitarbeiter investieren dabei selber über zehn Prozent in den vierten Fonds.
Mindestumsatz 5 Millionen Euro
«Wir investieren zwischen 5 und 15 Millionen Euro in Firmen mit einem Mindestumsatz von 5 Millionen», sagt Marco Martelli, seit 2004 Director bei Invision und verantwortlich für kleinere und mittlere europäische Technologie-Firmen. In seiner Funktion ist Martelli unter anderem für das Investment in das deutsche Web-Collaboration-Unternehmen Netviewer zuständig. «Wir wurden Anfang 2005 auf Netviewer aufmerksam, als die Firma die 5-Millionen-Umsatzgrenze überschritt. Damals haben wir den weltweiten Markt für Web-Collaboration-Produkte unter die Lupe genommen.»
Ungenutztes Marktpotential
Doch weshalb glaubt Martelli, der diesen Sommer zusammen mit TVM Capital weitere 9 Millionen Euro in Netviewer investierte, ausgerechnet daran, dass eine kleine deutsche Firma neben Weltmarkt-Grössen wie
Citrix und
Microsoft bestehen kann? «Wir stellten damals fest, dass der US-Marktführer Webex eine immer grössere Bedeutung bekam, allerdings in Europa noch kaum präsent war. Microsofts Lösung Live Meeting war wenig gefragt und auch Lotus Same Time hatte eine untergeordnete Bedeutung», sagt Martelli und verweist darauf, dass Webex und Citrix den Europamarkt aus Amsterdam und Grossbritannien respektive Deutschland heraus bedienen wollten. «Wer aber den Markt kennt, weiss, dass eine zentrale Marktbearbeitung aus einem Land heraus in Europa schwierig ist.»
Wachstumsfinanzierung
Netviewer hingegen verfolge den richtigen Weg: Die Firma gründete nach ihrem Start in Deutschland, Frankreich und der Schweiz nach und nach Niederlassungen in den Niederlanden, Grossbritannien, Österreich und nun vor kurzem auch in Spanien und Italien. Invision verfolgt ihrerseits die Strategie, in Firmen mit einem bestehenden Wachstum, einer vielversprechenden Technologie und einer entsprechenden Marktakzeptanz zu investieren. «Unsere Investments sollen die Produktentwicklung und das Wachstum finanzieren», sagt Martelli. «Bei Netviewer haben wir zusätzlich das Verrechnungsmodell geändert, und zwar vom reinen Lizenz- auf ein Mietmodell. Denn wir glauben, dass Unternehmen leichter in neue Technologien investieren, wenn ihre Anschaffungskosten klein und die laufenden Kosten kalkulierbar sind und keine Personalressourcen benötigt werden, wenn ein neues System installiert wird.»
Operativ Einfluss nehmen
Die Investment-Spezialisten von Invision investieren überdies nur dann in Unternehmen, wenn sie im Verwaltungsrat Einsitz nehmen, die Strategie mitbestimmen und die Unternehmung aktiv unterstützen können. «Reporting ist nur ein Teil der Information, die wir mit unseren Partnerfirmen teilen. Wir kümmern uns wie bei Netviewer um neue Verrechnungsmodelle, geben aber auch Empfehlungen zur Kundenbeziehungspflege ab, optimieren Prozesse und führen Strategie-Workshops durch», meint Martelli.
Der Entscheid, in Netviewer zu investieren, scheint bisher aufzugehen. Die Firma verfügt über mehr als 12’000 Kunden in Europa, welche über 500’000 Netviewer-Sitzungen pro Monat ausführen. Der Bestellungseingang beläuft sich auf 25 bis 30 Millionen Euro jährlich. Laut Deloitte gehört Netviewer zu den zehn schnellstwachsenden Unternehmen in Europa.
Kurze Verkaufszyklen gefragt
«Bei Software-Firmen dieser Art können Investments skalieren», sagt Martelli, «sobald es aber um Stunden-Verrechnungsmodelle geht, sind wir äusserst vorsichtig.» Ganz die Finger lässt Martelli von ERP-Firmen: «Hier ist die Zeit der Verkaufszyklen zu lang.» Auch von Investments in konsolidierende Märkte, wie z. B. derjenige der Systemintegration, sieht man ab, da sich nur bedingt Synergien erkennen liessen. Und was hält Martelli vom Web-2.0-Boom: «Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Deals und verfolgen auch diesen Markt. Das Problem ist, dass man bei den meisten Web-2.0-Firmen nicht weiss, wie sie ihr Geld verdienen wollen», sagt er und fügt an, man sei diesbezüglich eben eher konservativ eingestellt. (mh)