Heimnetze noch in den Kinderschuhen

Kleine Heimnetzwerke sind bereits in vielen Privathaushalten zu finden. Vor grösseren Installationen schrecken viele Anwender aber noch zurück. Die Produkte sind bedienunfreundlich und oft untereinander nicht kompatibel.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/02

     

Ein kleines, simples Heimnetzwerk findet sich heute fast in jedem Privathaushalt. Insofern ein Breitband-Internetanschluss über ADSL oder Kabelmodem vorhanden sind. «Viele Internet Service Provider bieten heute ein Startup-Kit mit einem Wirless-Router an, wodurch das Homenet bereits vorgegeben ist», sagt Patrick Meier, Produktmanager Netzwerktechnik bei Rotronic gegenüber IT Reseller. Auch Benutzer ohne Wlan haben oft mehr als zwei PC zu Hause, die dann über den internen Switch des ADSL-Routers ein Netzwerk bilden. Zudem kommen auch immer mehr Home-Desktop-Nas-Systeme auf den Markt, welche als zentrale Speicherlösung genutzt werden, wie Meier erläutert.


«Die meisten Kunden entscheiden sich heute für ein Wlan-Netzwerk», sagt Meier. Bei Rotronic stehen Wireless-Produkte von den Verkaufszahlen her gesehen ganz klar an erster Stelle. Allerdings gäbe es immer noch Kunden, die auf Strahlung verzichten möchten und auf verschiedene Kabel-Varianten setzen. Je nach Hausinstallation werden zusätzliche Kabel gezogen oder es wird ein Netzwerk übers Stromnetz (Powerlan) erstellt.

Grosses Entwicklungspotential

«Kleine Heimnetzwerke sind bereits in zahlreichen Haushalten anzutreffen. Kleinst-Heimnetzwerke sind also sicherlich schon Standard», sagt auch Daniel Bodmer, Head of Marketing and CE Distribution beim Emmener Distributor Also, «auch wenn es sich sehr oft nur gerade um die Funkanbindung ans DSL-Netz handelt.» Bodmer teilt den Markt für Heimvernetzung in zwei Bereiche: Den Plug-and-play-Markt und den der professionellen Installationen. Während im ersten Fall, den Also auch zum Bereich der Nachrüstung zählt, vieles mit Funk-Technologie realisiert werden muss, sind im zweiten Fall gute Lösungen bereits während der Bauphase einzuplanen.


«Meistens ist die Vernetzung schon passiert, bevor der unbedarfte Kunde realisiert, was ihm für Möglichkeiten offen stehen», ergänzt Malte Polzin, Marketinleiter bei Alltron. Jeder PC greife auf das Internet zu, hänge am Router, Switch oder im Wlan, aber eine tatsächliche gemeinsame Benutzung von Inhalten finde erst in wenigen Haushalten statt. «Unserer Meinung nach besitzt dieser Markt noch eine grosse Entwicklungsmöglichkeit», so Polzin. Komplexere Installationen sind also noch eher rar gesät. «Echte Heimnetzwerke für Multimedia, Daten, Audio und Filme sind ­sicherlich noch nicht Standard», bestätigt auch Bodmer. Er verspürt eine gewisse Nachfrage nach kleinen Nas-Homeservern, mit denen sich Multimedia-Inhalte auf verschiedenen Geräten im ganzen Haus darstellen und abspielen lassen.

Gefragt ist, was einfach ist

Die Renner bei Also sind Wlan- und Powerline-Netzwerkgeräte, die eine ideale Lösung zum Nachrüsten sind. Im Bereich vernetzbarer Geräte sind DLNA-taugliche Geräte – DLNA steht für einen Heimnetzwerk-Standard der Digital Living Network Alliance - immer mehr gefragt. «Aber auch Produkte von Apple wie Apple-TV und iPods in Zusammenhang mit Abspielgeräten. Also alles, was einfach zu konfigurieren ist und zusammen auch tatsächlich funktioniert», so Bodmer. Hier sieht Bodmer, und da ist er nicht allein, die grössten Probleme: «Zur Zeit besteht das grosse Manko bei der Kompatibilität der Produkte zwischen unterschiedlichen Herstellern», sagt er. Ganz zum Erstaunen vieler Endanwender, liessen sich viele Produkte, die zum Teil ein unglaubliches Lösungsspektrum anbieten, gar nicht optimal bedienen. «Gerade in puncto Benutzerfreundlichkeit muss bei der Heimvernetzung noch einiges geschehen», so Bodmer.

Um seinen Händlern unter die Arme zu greifen, bietet Also Schweiz bereits im dritten Jahr mit der CE-Academy eine Plattform, bei der interessierte Fachhändler übergreifende Lösungen kennen lernen können. Zudem engagiert sich der Disti in der Initiative Intelligentes Wohnen sowie an dem Forschungsprojekt i-home­lab der Hochschule ­Luzern.


Auch Alltron führt Schulungen und Roadshows durch. «Wir zeigen kompliziertere Arbeitsschritte in FAQs und Video-Tutorials und wollen das in Zukunft sogar noch ausbauen», sagt Marketingchef Malte Polzin.

Maue Zeiten für Mediacenter

Mediacenter haben aufgrund ihrer Vielfältigkeit und Komplexität (Stereoanlage, Videorekorder, TV-Empfänger, Surfstation und Home-PC in einem Gerät) noch einen schweren Stand beim Endkunden. «Aus unserer Sicht sind die Geräte im Moment allen Unkenrufen zum Trotz immer noch den Freaks vorbehalten», bestätigt auch Daniel Bodmer von Also. Der Vorteil, alles auf einem Gerät zu haben und zu nutzen, sei aus welchem Grund auch immer in der Schweiz noch nicht angekommen. «Eventuell schrecken aber auch Viele noch davor zurück einen PC im Wohnzimmer zu haben.» Apples iTunes und Apple-TV würden hier eine fertige Lösung bieten, die alle Inhalte in den korrekten Formaten auf allen Geräten gleichermassen zur Verfügung stellt.

«Mediacenter sind nicht so stark gefragt im Markt», doppelt Patrick Meier, Product Manager Netzwerktechnik bei Rotronic, nach. «Ich denke jedoch, dass solche Multimedia-Systeme in Zusammenhang mit einem Nas-System sicher noch mehr Anklang finden werden. Eventuell werden die Hersteller von TV‘s und Receivern in Zukunft diesen Mediachips gleich intergieren, sodass man die Daten über ein Netzwerk direkt an den Geräten abspielen kann.»


«Wir sehen eine Entwicklung, die weg vom klassischen Windows Mediacenter PC führt», meint auch Malte Polzin von Alltron. Die Idee, mit der Tastatur auf den Knien auf dem Sofa im Web zu surfen, scheint überholt. «Ausserdem sind Mediacenter teurer und lauter als andere Lösungen und brauchen zudem mehr Strom, wobei die aktuellen Mediacenter in allen Bereichen etwas aufgeholt haben.» Dazu komme, dass selbst geübte PC-Anwender Digitalfernsehen momentan nicht ohne Bastelei auf einem Mediacenter zum Laufen bringen würden. «Mediacenter mit digitalem Kabelfernsehen sind marktreif, aber in der Schweiz durch die Quasi-Monopolstellung auf dem Kabelnetz und den Nutzungszwang der Set-Top-Box des Kabelanbieters kaum zu verkaufen», erklärt Polzin. Die Zukunft könnte aus Geräten bestehen, die eine Kombination aus Server- und Mediacenter-Funktionen (inklusive TV-Aufnahme) bieten, und aus kompakten Streaming-Clients, die die Mediendateien im Heimkino zur Verfügung stellen.

Das Geschäft läuft gut

Von nicht gefragten Mediacentern will Mesut Güngör, CEO von Prime Time Media Entertainment, nichts wissen. Das in Muttenz ansässige Unternehmen entwickelt und verkauft selbstredend ausschliesslich Mediacenter. «Prime Time geht es sehr gut und wir können monatlich unsere Verkaufszahlen steigern», sagt Güngör. Prime Time ist neben Reycom der zweite Mediacenter-Hersteller der Schweiz. 2006 waren es an die zehn. Acht sind unterdessen wieder von der Bildfläche verschwunden «Alle anderen Firmen wollten einfach nur ans schnelle Geld und wurden dabei enttäuscht», erklärt sich Güngör das Sterben der Mediacenter-Spezialisten. Für Prime Time habe die Konvergenz bereits zu hundert Prozent stattgefunden, sagt Güngör. Die Vernetzung erfolgt über Powerline, Wireless-Lan oder über Kabel. «Uns ist es egal, welche Variante vom Kunden gewählt wird», so der Prime-Time-Chef. Auch dass keine Kompatibilität vorhanden sei, weist Güngör von sich: «Unser Mediacenter ist mit Linux, Mac oder Windows kompatibel und kinderleicht bedienbar. Die Fernbedienung hat sogar eine grosse Grüne Taste - wir nennen sie Grossmutter-Taste - um jederzeit wieder in das intuitive Hauptmenü zu gelangen.» Das einzige Problem, das Prime Time derzeit habe, sei, dass der Kunde nicht wisse, dass so eine Lösung existiert. (Susann Klossek)


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