Es scheint, dass das Marketing-Thema Cloud trotz von Analysten prognostizierten schwindelerregenden Wachstumsraten immer noch nicht beim Kunden angekommen ist. Dennoch postuliert das Analystenhaus Experton Group schon: «Der Kampf um den Kunden wird härter.»
Die Experton Group kommt in einer aktuellen Untersuchung auf 133 relevante Anbieter im deutschen Markt, die wohl aktuell mehr investieren und das Geschäft aufbauen als tatsächlich Umsatz oder Gewinn zu machen. «Unternehmen wie die Deutsche Telekom investieren hier kräftig und erhoffen sich einen Teil aus dem grossen Markt für Software-Distribution herausschneiden zu können. Bei Erfolg könnte dies die gesamte Wertschöpfungskette neu definieren», so Carlo Velten, Senior Advisor der Experton Group und Co-Autor der Studie «Cloud Vendor Benchmark 2013».
Das klingt ja alles ganz nett und auch die Angebote sowohl für die Public als auch für die Private Cloud sind bei sehr vielen Anbietern jetzt vorhanden. Doch so richtig in Fahrt kommen soll der Markt erst in zwei bis drei Jahren. Für das Subsegment «Marketplaces & App Store» verspricht die Experton Group einen unglaublichen Umsatzsprung von etwas über 20 Millionen Euro in diesem Jahr auf 484 Millionen Euro 2016.
SAP Business by Design gestoppt
Der Wert solcher Prognosen ist aber durchaus kritisch zu sehen. Zum Launch von SAP Business by Design wagten die gleichen Analysten eine im Rückblick doch sehr danebengegangene Prognose: «SAP gibt als Ziel für 2010 circa 10'000 SAP-Business-By-Design-Kunden an, was als sehr konservative und in keinem Verhältnis zum betriebenen Aufwand stehende Zielsetzung beurteilt werden muss. Falls die Strategie von SAP tatsächlich aufgeht und das Produkt in der dargestellten Form kurzfristig verfügbar wird, sind als Ziel circa 20'000 neue Kunden anzusetzen.» Heute dürfte SAP über etwa 4000 Kunden mehr als glücklich sein – Geld verdient worden ist damit aber immer noch nicht.
Es ist leider sogar noch unangenehmer: Nach vielen Jahren der Entwicklung und immer wieder neuen Ansätzen der Optimierung selbst mit der Hana-Datenbank stellt SAP nun die Entwicklung von Business by Design ein.
Voraussetzungen müssen passen
Hört man sich im Channel und bei Anbietern um, so sind die Umsätze doch eher mau. Ja, es gibt Lösungsangebote für fast jeden Anwendungsfall von Textverarbeitung über CRM bis ERP, aber einzig CRM sticht mit der Marktbedeutung positiv heraus. Aber auch das hat den Pionier in diesem Segment, den amerikanischen Anbieter Salesforce.com, mehr als ein Jahrzehnt gekostet – und die Marketing- und Vertriebsausgaben liegen seit Jahren bei knapp unter 50 Prozent des Umsatzes. Gewinn ist in den vergangenen Jahren auch nur wenig angefallen, von den SAP-Renditen um die 30 Prozent ist Salesforce.com jedenfalls meilenweit entfernt.
Dennoch wird das Thema weiter Anbieter und Anwender beschäftigen. Es braucht auf Anbieterseite aber immer noch einige Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen. Das fängt beim möglichst einfachen Anmeldeprozess an, geht über den effizienten Betrieb der Lösung und endet im Support und der Abrechnung. Insbesondere bei der Abrechnung ist es wichtig, die Vertriebskanäle einzubeziehen. Das Geschäftsmodell muss sich für den Channel lohnen. Sonst wird weiter Software verkauft und nicht das Mietmodell angeboten. Das fängt bei der Marge an, der Beteiligung an zukünftigen Umsätzen und endet bei der Abrechnung und banal erscheinenden Fragen wie: Wer stellt die Rechnung?
Sicherheit als grosse Herausforderung
Hinzu kommen Investitionen in die Infrastruktur der Netzbetreiber. Ohne eine fixe Internetleitung kann Cloud Computing nicht funktionieren. Und hier sind die weissen Flecken auf der Landkarte noch lange nicht getilgt – Highspeed-Internet ist immer noch nicht flächendeckend im Angebot. Von mobilen Datengeschwindigkeiten mal ganz abgesehen.
Eine der grössten zukünftigen Herausforderungen für alle Anwender wird aber das Thema Cloud Security sein. «Waren die meisten Unternehmensnetzwerke in der Vergangenheit abgekapselte Systeme, so ist dies in Zukunft nicht mehr denkbar. Nicht nur der Einzug von Cloud Computing sondern auch die im Allgemeinen immer grössere Vernetzung hat diese Schale aufbrechen lassen», so Carlo Velten. Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen ihre IT-Sicherheitsstrategie neu justieren.
Für die Anwender bleibt also noch einiges zu tun, bevor sie kaufen können oder sollten. Und genau das scheint aktuell auch der Fall zu sein. Es wird evaluiert, geschaut und probiert – und das grosse Geschäft lässt noch auf sich warten.
Wenn man nicht so solvent und stabil wie SAP ist, kann einen das unterwegs ruinieren. Es bleibt ein spannendes Szenario – wer wird gewinnen? Es wird noch manche Anbieter mit langem Atem benötigen, die die Cloud-Reise nicht nur antreten, sondern auch erfolgreich beenden.
Auf ein nächstes Mal.
Ihr ergebener Jean-Paul Warts