Offix: 'Ich habe keine Über­raschung vorgefunden'
Quelle: Offix Holding

Offix: "Ich habe keine Über­raschung vorgefunden"

Martin Kelterborn, seit September CEO der Offix Holding, soll die Gruppe, zu der Ecomedia und Oridis gehören, in die Zukunft führen. Im Interview erklärt er, wie er das tun will.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2018/12

     

"Swiss IT Reseller": Sie waren zuletzt für Tegro, ein Grosshandelsunternehmen im Baumarktwesen, tätig. Was hat Sie an der Führung der Offix Holding gereizt?
Martin Kelterborn: In gewissem Sinne kehre ich zu meinen Wurzeln zurück – ich war vor meiner Zeit bei Tegro ja bereits sieben Jahre bei Office World als Einkaufs-, Vertriebs- und Marketing-Leiter tätig. Die Branche hat mich seit jeher interessiert. Sie ist schwierig, aber nicht zuletzt deshalb spannend. Kommt hinzu, dass ich zehn Jahre für Tegro tätig war, 49 Jahre alt bin und nochmals einen Schritt nach vorne machen wollte, was die Verantwortung betrifft. Und zu guter Letzt hat mich auch die Aufgabenstellung gereizt, die der Verwaltungsrat der Offix Holding skizziert hat.


Sie sind seit Anfang September bei Offix. Wie lautet Ihre erste Bilanz?
Ich bin in ein spannendes Umfeld hereingetreten, und ich habe eine Belegschaft vorgefunden, die mit sehr viel Leidenschaft, Energie und Kraft am Werk ist. Es wurde seit der Offix-Gründung 2015 enorm viel bewegt, und man spürt auf allen Ebenen, dass man weiter vorwärts gehen will. Positiv ist sicher auch, dass ich keine Überraschung vorgefunden habe, was für die klare und ehrliche Haltung und Kommunikation des Verwaltungsrates spricht. Was ich aber auch festgestellt habe, ist, dass die Themen, welche die verschiedenen Unternehmen abdecken müssen, recht komplex sind.
Woher kommt denn die Komplexität?
Das ganze System von Offix ist komplex. Wir haben grundsätzlich drei Sortimentsbereiche – Supplies, Peripherie und Papeterie, und wir vereinen unter unserem Dach fünf Firmen, die diese drei Bereiche teils gemeinsam, teils exklusiv in verschiedenen Kanälen vertreiben. Darüber gibt es eine Gruppenstruktur mit zentralen Funktionen, welche die Prozesse effizient abbilden sollen. Hier in der Gesamtheit durchzublicken und zu verstehen, ist nicht ganz einfach.


Gibt es in diesem Konstrukt nicht auch Redundanzen, die vielleicht nicht wahnsinnig viel Sinn machen?
Diese Frage ist durchaus berechtigt und stelle ich mir auch immer wieder. Und ja, ich bin sicher, es gibt Redundanzen im Sinne von Mehrfacharbeiten. Bei einem Unternehmen, das so entstanden ist wie die Offix Holding, ist das auch keine Überraschung. Ob es auch Redundanzen im Sinne von Überflüssigem gibt, weiss ich noch nicht. Oft komme ich momentan zum Schluss, dass die Organisation oder ein bestimmter Prozess durchaus Sinn macht. Manchmal aber auch nicht und das werde ich dann etwas genauer anschauen. Ganz nach dem Motto: Es ist nichts so gut, als dass es nicht noch verbessert werden kann.
Aber nehmen wir Ecomedia und Oridis als Beispiel. Beide vertreiben im Wesentlichen dasselbe Sortiment.
Das stimmt, allerdings tut Oridis das mit Fokus auf den Retail, während Ecomedia die übrigen Vertriebskanäle abdeckt. Wenn ich in einem Fluss fische, dann ist das etwas komplett anderes, als wenn ich auf einem See fische. Aus Sicht der Kundenorientierung macht das durchaus Sinn, denn der Retail hat völlig andere Anforderungen und Voraussetzungen als ein Grosshändler oder B2B-Kunde und muss darum auch anders angegangen werden. Ich will jedoch nicht abstreiten, dass es allenfalls Themen oder Überschneidungen gibt, die man für die Zukunft überprüfen wird.


Welche Themen könnten das sein?
Ich bin niemand, der nach zwei Monaten (Anm.d.R.: Das Interview wurde Anfang November geführt) im Job bereits das Gefühl hat, alles zu wissen und alles in Frage stellen zu müssen, das von kompetenten Mitarbeitern während der letzten Jahre gemacht wurde. Wir schauen uns die Situation gemeinsam an und beurteilen, ob sich die Entscheidungsgrundlagen verändert haben. Dann werden wir nötige Entscheide fällen, in welchen Bereichen man Dinge vielleicht in eine andere Richtung lenken muss. Es ist auch möglich, dass wir feststellen, dass der Status quo der beste Weg ist, heute und in Zukunft. Veränderung der Veränderung Willen ist nicht meine Art als Manager. Ich muss nicht auf Biegen und Brechen die Dinge anders machen.
Sie haben es eingangs erwähnt; Die Branche ist keine einfache. Wo sehen Sie denn die grossen Herausforderungen – insbesondere für Ecomedia und Oridis?
Die Herausforderungen unserer Firmen erkennt man am besten, wenn man sich die Herausforderungen bei unseren Kunden anschaut. Die Entwicklung im Retail-Geschäft betrifft automatisch auch uns. Und das Tinten-, Toner- und Supplies-Geschäft, das nun mal ein Commodity-Business ist, hat naturgemäss die Herausforderung, dass man als Disti Mehrwert weit über das Produkt hinaus bieten muss, um seine Daseinsberechtigung zu haben. Das Produkt kann ich als Kunde irgendwo einkaufen, also müssen wir in Dienstleistungen und allgemeinen Lösungen denken, die weit über die Produktverfügbarkeit hinaus gehen. Und gerade im Fall von Ecomedia/Oridis müssen wir uns Nichts vormachen: Das Geschäft mit Verbrauchsmaterial lebt davon, wie viele Drucker und Kopierer verkauft werden. Davon sind wir direkt abhängig, und sicher ist, dass wir uns hier nicht in einem Wachstumsmarkt bewegen.


Doch im Falle von Oridis können Sie ja auch nicht viel dagegen tun, wenn die Bedeutung des Retail-Geschäfts laufend abnimmt. Welche Massnahmen planen Sie?
Ich gehöre nicht zu jenen, die das Retail-Geschäft permanent auf dem Sterbebett sehen. Dann könnte ich ja gleich Selbstmord aus Angst vor dem Tod machen. Ich gehöre aber auch nicht zu den Realitätsverweigerern, welche nicht sehen wollen, welche Veränderungen die Digitalisierung und das veränderte Kaufverhalten mit sich bringen. Massnahmen sind viele eingeleitet. Ein Stichwort dabei ist der vernetzte Point of Sale (POS). Der POS, gerade wenn ich an eine kleinere Papeterie denke, hat gegenüber dem Onlinehandel einen gewaltigen Nachteil: Die Sortimentsbreite. Das ist aber nicht gottgewollt und anstatt den Kunden wieder nach Hause zu schicken, wo er seinen Bedarf online stillt, können wir unseren Retail-Partner mit einem vernetzen POS elegant und effizient vor Ort eine Lösung anbieten. Der Kunden soll nicht mehr hinter die Kasse treten und in einen AS/400-Bildschirm schauen müssen um zu sehen, was am POS alles bestellt werden kann. Wir wollen den POS mit kundenfreundlichen Big-Screen-Kiosksystemen vernetzen, an dem Kunden ihre Bestellung aufgeben und an der Kasse dann regulär bezahlen. Ihr Einkauf wird dann bequem gleich nach Hause geschickt. Ausserdem sehen wir für Oridis Wachstum durch noch mehr POS- und Merchandising-Services ganz einfach darum, weil im Retail immer mehr Personal abgebaut wird. Hier bieten wir tolle Lösungen an.
Und welche Zusatzdienstleistungen sehen Sie für Ecomedia?
Hier sind wir noch mitten in der Erarbeitung. Aber auch bei Ecomedia geht der Weg noch mehr in Richtung Kundennutzen – Auslieferungen bis direkt an den Bürotisch anstelle der Lieferung an den Empfang sind ein Beispiel, aber auch im Bereich Managed Print Services sehen wir noch Möglichkeiten. Ganz grundsätzlich müssen wir uns aber fragen, ob die Lagerhaltung und der Weiterverkauf von Produkten für die Zukunft die alleinige Lösung sind, oder ob der Segen nicht eher im Dienstleistungsgeschäft liegt. Logistik-Services, Vendor Managed Inventory, Retourenprozesse, die man im Griff haben muss – das sind hier Stichworte.

Mit Docuserv haben Sie in Ihrer Gruppe auch einen Managed Print Service Provider. Wie läuft dieses Geschäft?
Sehr gut, wir sind sehr zufrieden und wachsen überdurchschnittlich. Managed Print Services werden sicher ein Fokus bleiben innerhalb des Unternehmens.


Sie haben eingangs gesagt, dass Sie die Aufgabenstellung, die der Verwaltungsrat definiert hat, reizt. Wie sieht diese Aufgabenstellung denn aus?
Auch hier will ich nicht ins Detail gehen. Klar ist aber, dass wir uns vorwärtsbewegen werden. Und klar ist auch: 2020 wird Offix nicht mehr dieselbe Firma sein wie 2018. Mein Auftrag lautet, dass das Unternehmen nachhaltig erfolgreich bleibt. Ich sage hier ganz bewusst bleibt, denn man darf nicht vergessen – trotz aller Herausforderungen und einem rückläufigen Markt können wir für dieses Jahr den hohen Vorjahresumsatz halten.

Abschliessend: Welche Ziele verfolgen Sie für 2019?
Ein Ziel ist sicher, im kommenden Jahr gemeinsam mit dem Verwaltungsrat die Strategie weiterzuentwickeln und die Gruppe sauber aufzustellen. Kurzfristig will ich pro Unternehmung und pro Kern- und Supportprozess zwei bis drei Handlungsschwerpunkte definieren. Ich bin ein Verfechter davon, Schwerpunkt zu setzen, anstatt alles auf einmal zu wollen, um dann Nichts wirklich zu erreichen. ?

Die Offix Holding

Die Offix Holding wurde 2015 durch den Zusammenschluss der Papeteristen-Einkaufsgenossenschaft PEG und von Ecomedia gegründet. Zur Holding gehören die beiden Verbrauchsmaterial-, Peripherie- und Papeterieprodukte-Distis Ecomedia (Grosshandel) und Oridis (Retail), der MPS-Provider Docuserv sowie der Papeterie-Spezialist Papedis und das Multi-­Channel-Unternehmen Office Leader. Per 1. Januar 2019 wird die PEG, die bislang 40 Prozent an der Offix Holding hielt, 80 Prozent der Eigentümerschaft der Gruppe übernehmen, die restlichen 20 Prozent bleiben im Besitz privater Aktionäre. (mw)


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