"Swiss IT Reseller": Im Zusammenhang mit Google dürfte kaum jemand an ein Channel-orientiertes Unternehmen denken. Können Sie das nachvollziehen?Bernd Stopper: Das kann ich durchaus nachvollziehen, auch darum, weil Google oft in erster Linie mit der Consumer-Welt in Verbindung gebracht wird. Was man aber wissen muss, ist, dass Google seit jeher ein Cloud-Native-Unternehmen ist – alles was Google bislang gemacht hat, geschah in der Cloud. Auch unsere Cloud-Services sind schon über zehn Jahre am Markt, und in diesem Bereich sind wir bereits seit einigen Jahren Channel-orientiert. Im vergangenen Jahr aber wurde intern die Devise ausgegeben, künftig 100 Prozent des Cloud-Service-Geschäfts über den Channel abzuwickeln. Mittelfristig wird es also keinen Cloud-Deal mehr geben, ohne dass ein Channel-Partner von uns involviert ist.
Warum brauchen Sie den Partner ausgerechnet für das Cloud-Geschäft?Zum einen wachsen wir zwar selbst mit einem unglaublichen Tempo, allerdings ist der Markt viel zu gross und divers, damit wir ihn allein bedienen könnten. Zum anderen verstehen wir uns in erster Linie als Plattformanbieter, der Basis-Services liefert, der aber den Channel braucht, um diese Services zu veredeln und auf die Bedürfnisse von kleineren wie auch von grossen Endkunden anzupassen.
Der potentielle Endkunde für die Google Cloud ist also nicht nur das Grossunternehmen?Auf keinen Fall. Das Schöne an den Cloud Services, die wir anbieten, ist ja, dass sie quasi die IT demokratisieren. Sie eröffnen einem kleineren Unternehmen Möglichkeiten, die früher allein schon aus Kostengründen den grossen Unternehmen vorbehalten waren – die Nutzung von gewaltigen Rechenkapazitäten beispielsweise, Machine Learning oder Big Data stehen dank der Cloud jedem Unternehmen offen.
Was muss ein potentieller Channel-Partner für die Google Cloud mitbringen? Welche Überlegungen muss er anstellen?Die grosse Herausforderung für viele Channel-Partner ist nach wie vor, zu verstehen, wie die Cloud mit ihren Services als Business-Modell funktioniert. Der Partner muss sich die Frage stellen, wie er solche Services implementieren und in einem Reseller-Modell verkaufen kann. Oder er muss sich überlegen, wie er Basis-Services veredeln kann – wie er aus einem Auto-Machine-Learning-Dienst, den wir als Cloud AutoML als Basis anbieten, eine Anwendung bauen kann, die seinem Kunden Mehrwert bringt. Oder aber, wie er auf der Google Cloud aufbauend eigene Dienste entwickeln und dann an den Endkunden verkaufen kann.
Wie weit hilft Google den Partnern dabei, diese eigenen Services zu definieren, zu gestalten und letztlich zu verkaufen?Wir haben ein Partnermodell entwickelt, in dessen Rahmen wir dem Partner mittels Ausbildung und Training beim Enablement helfen. Über diese Trainings hinaus bieten wir Zugang zu unseren Technikern und zu Ressourcen, die der Partner nutzen kann. Daneben helfen wir den Partnern, Zugang zum Markt zu bekommen. Unser Vertrieb identifiziert beim Endkunden vor Ort Potentiale und holt für die Projekte dann die Partner an Bord – weil uns schlicht die Ressourcen fehlen und wir in der Umsetzung wie gesagt voll auf die Zusammenarbeit mit dem Channel setzen. Hinzu kommen Dinge wie Marketingunterstützung in unterschiedlichen Ausprägungen. Ein Beispiel hier ist die Google Cloud Experience Tour, die im Mai lanciert wurde – eine Roadshow, die aktuell bei Partnern in der DACH-Region unterwegs ist.
Sie haben ein Partnerprogramm angesprochen. Können Sie dieses Programm ein wenig ausführen?Unser Partnerprogramm setzt stark auf Spezialisierung. Die Idee ist, dass Partner sich mittels Ausbildung und Zertifizierung auf eines oder mehrere Themen spezialisieren können. Aktuell zählen wir neun Spezialisierungen wie Cloud-Migration, Datenanalyse, Infrastruktur oder Machine Learning – weitere werden folgen. Ein potentieller Partner kann zudem aus den drei Programmschienen Dienstleistungspartner, Technologiepartner oder SaaS-Partner wählen. Dabei gibt es jeweils drei Stufen: Member, Partner oder Premier Partner. Die Partnerstufen sind abhängig von den abgeschlossenen Zertifizierungen, aber auch vom Umsatz – entsprechend gestaltet sich auch die Unterstützung unsererseits oder die Rabattierung. Ganz klassisch also.
Werden die Schweizer Partner aus der Schweiz heraus durch Google betreut?Wir haben Mitarbeiter in der Schweiz, die unsere Schweizer Partner betreuen – der Aufbau dieser Strukturen läuft im Moment. Die grösseren Partner, die in der gesamten Region unterwegs sind, werden aus Deutschland heraus betreut.
Sie haben es eingangs erwähnt, Sie wollen über kurz oder lang 100 Prozent über den Channel gehen. Aktuell gibt es aber auch noch ein Direktgeschäft. Wie sind Sie hier aufgestellt und bis wann sollen die 100 Prozent via Channel erreicht werden?Der Channel-Anteil liegt bereits jetzt bei über 80 Prozent – wir stecken also alles andere als in den Anfängen. Direkt betreut werden heute noch ausgewählte Deals, meist von grösseren Kunden, die explizit Google in der Verantwortung sehen wollen. Und auch in diese Projekte wollen wir über kurz oder lang die Partner möglichst stark einbinden, so dass wir die Deals gemeinsam abwickeln.
Wie weit geht die Unterstützung von Googles Schweizer Sales-Organisation? Werden Leads generiert, und nach welchen Kriterien werden diese an die Partner weitergegeben?Selbstverständlich geben wir Leads an unsere Partner weiter. Die Kriterien dazu orientieren sich am Partnerprogramm, wobei wir zum einen versuchen, die Partner mit der höchsten Stufe zu präferieren. Zum anderen spielt auch die fachliche Qualifikation – die Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema – eine grosse Rolle.
Sie haben jüngst in einem Interview in Deutschland erklärt, die Zusammenarbeit mit Distributoren zu prüfen. Inwieweit gilt das auch für die Schweiz?
Es ist für uns klar, dass wir mit der Distribution zusammenarbeiten wollen, in der gesamten EMEA-Region und auch in der Schweiz. Wir sind in der Evaluierungsphase, führen aktuell Gespräche, um dann zu entscheiden, mit welchem oder welchen beiden Distributoren wir starten wollen.
Sprechen Sie ausschliesslich mit international tätigen Distributoren, oder sind auch Distis im Gespräch, die nur in einem Land tätig sind?
Auch lokal tätige Distributoren sind ein Thema, auf jeden Fall. Die Distribution ist für uns ein Hebel, um die Channel-Landschaft in der Breite anzugehen. Insofern muss der Distributor eine gewisse Grösse aufweisen. Ausserdem brauchen wir nicht so sehr jemanden, der uns bei der Logistik und der Abwicklung des Geschäfts unterstützt, sondern einen Distributor, der einen Added Value bringt und der Partner rekrutieren, über Trainings entwickeln und mit ihnen gemeinsame Geschäftsmodelle aufbauen will. Er soll die Partner also ganzheitlich managen können und wollen.
Wo sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen, mit denen Partner rund um die Google Cloud konfrontiert sind?Die grösste Herausforderung sehe ich darin, dass noch viel Überzeugungs- und Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Wir stehen noch ganz am Anfang der Cloud-Welle, die Cloud-Adaption liegt nach wie vor im einstelligen Prozentbereich. Der Partner muss dem Kunden also den Mehrwert aufzeigen, den die Cloud bringen kann. Dazu gehört unter anderem auch, den Endkunden mit Themen zu konfrontieren, mit denen er noch nie konfrontiert war – ihm etwa die Folgen und Konsequenzen der Digitalisierung aufzuzeigen, und zwar nicht in der Sprache der IT, sondern aus einer Business-Mehrwert-Sicht. In der Vergangenheit war der Channel in erster Linie mit der IT-Abteilung im Gespräch, doch das ändert sich zunehmend. IT wird heute zwar immer stärker als Mehrwert im Unternehmen gesehen, die Anforderungen werden aber an anderen Stellen formuliert.
Damit ein Partner diese anspruchsvolle Aufgabe übernehmen kann, muss er den Mehrwert der Cloud zuerst selbst verstanden haben. Wie weit sind die Partner in Ihrer Wahrnehmung hierbei?Da gibt es grosse Unterschiede. Ich beobachte, dass gerade die Partner, die nicht so sehr aus der ‹alten Welt› kommen, schon sehr weit sind. Andere Partner tun sich mit den Veränderungen, die die Cloud mit sich bringt, deutlich schwerer. Für viele Channel-Partner, die vor allem On-Premise tätig waren und Lizenzen verkauft haben, ist nach wie vor unklar, wie sich der Wandel in die Cloud auf ihren Cash Flow auswirken wird oder was sie dem Kunden fakturieren können. Für solche Partner ist die Cloud-Welt sicherlich eine grosse Herausforderung.
Wie viele Channel-Partner kann Google rund um die Cloud bereits ausweisen und welche quantitativen Ziele haben Sie definiert?Zur Anzahl an bestehenden Schweizer Partnern kann ich keine Hausnummer nennen. Wir wachsen stark und sind sehr zufrieden mit den Partnern, die wir haben, wir sind aber noch nicht dort, wo wir hinwollen. Ein quantitatives Ziel kann ich nicht nennen, weil es das nicht gibt. Es geht für mich nicht darum, dass ich ein Ökosystem mit 5000 Partnern in der Schweiz aufbauen kann. Vielmehr wollen wir mit ausgewählten Partnern auf Augenhöhe den Markt angehen. Und wir wollen Partner, die skalieren können und die Qualität abliefern.
Die Zahl von 5000 Partnern ist aber ein gutes Stichwort: Mit Microsoft wird schon bald ein weiterer Hyperscaler in der Schweiz starten, der bereits ein Partnerökosystem in dieser Grössenordnung hat. Denken Sie nicht, dass Microsoft dank der Fülle an Partnern einen entscheidenden Vorsprung hat?Natürlich erscheint eine grosse Anzahl an Partnern vordergründig als Vorteil. Allerdings kann das riesige Partner-Ökosystem auch ein zweischneidiges Schwert sein. Denn es stellt sich die Frage, wie weit man eine bestehende Channel-Landschaft zuerst transformieren muss, bevor man ein neues Thema wie die Cloud entwickeln kann. Es ist nicht unbedingt ein Nachteil, mit verhältnismässig wenigen, dafür ausgewählten Partnern auf ein bestimmtes Thema fokussieren und es entwickeln zu können. Für uns ist die Zahl der Partner nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist für uns, dass wir grosse Investitionen in die Schweiz tätigen und dass wir die ersten waren, die erkannt haben, dass die Schweiz ganz spezifische Anforderungen an die Cloud hat, die aus der Schweiz heraus bedient werden wollen. Und die Nachfrage, die wir bereits kurz nach dem Start spüren, gibt uns recht.
Zur Person
Bernd Stopper ist seit Ende 2017 bei
Google als Head of Partner Sales DACH beschäftigt und managt in dieser Funktion das komplette Partnerprogramm von Google Cloud in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bis 2015 war Stopper über 20 Jahre bei Microsoft beschäftigt, zuletzt als Director Partner Sales ISVs. Dazwischen war er rund zwei Jahre im Bereich Coaching und Training tätig.
(mw)