«Swiss IT Reseller»: Ende Juli hat Lenovo sein neues Partnerportal lanciert. Können Sie bereits ein erstes Fazit ziehen?
Christoph Blankenhagen: Ich möchte hier ganz offen sein: Der Start des neuen Partnerportals war holprig. Das hat damit begonnen, dass der Launch kurzfristig um drei Wochen verschoben werden musste, um Fehler, die während der Live-Tests aufgetaucht sind, auszubügeln. Dabei wurde vieles noch beseitigt, nichtsdestotrotz haben die ersten Wochen weiteren Nachbesserungsbedarf zu Tage gebracht. So funktionieren beispielsweise Zugänge nicht wie gewünscht, oder Bids werden nicht in der Geschwindigkeit übermittelt, die wir anstreben. Die gute Nachricht ist, dass unsere Teams permanent daran sind, die Probleme vom Tisch zu bekommen. Ein Vorteil des Portals ist, dass es sich um eine Eigenentwicklung handelt – wir sind von niemandem abhängig.
Bis wann sollen die Probleme gelöst sein?Wir sehen täglich grosse Fortschritte und Verbesserungen, und wir gehen davon aus, dass bis Mitte September die Kinderkrankheiten behoben sind und das Portal anstandslos und stabil funktioniert.
Sie setzen auf das neue Portal grosse Erwartungen, haben bei der Vorstellung erklärt, dass es Lenovo helfen soll, die Nummer eins in der Schweiz zu werden. Bis wann und in welchem Bereich wollen Sie mit Lenovo Schweizer Marktführer sein?Ich habe dieses Ziel für das PC-Geschäft mit Firmenkunden ausgesprochen. In diesem Bereich streben wir bis in 18 Monaten die Schweizer Marktführerschaft an.
Wie viel fehlt noch bis zur Spitzenposition?Das kommt auf das Segment an. Wir unterscheiden im Wesentlichen zwischen den Segmenten KMU, Grosskunden und öffentlicher Sektor. Aktuell fehlen uns zur Spitzenposition, die in der Schweiz jeweils von HP gehalten wird, je nach Segment zwischen 10 und 15 Prozent. Wenn man die Segmente noch etwas weiter herunterbricht, ist der Abstand zum Teil deutlich geringer – ich denke dabei etwa an Notebooks für das SMB-Umfeld, wo der Rückstand noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Doch es geht nicht um einzelne Teilsegmente und Quartale. Wir wollen über alle Segmente, Produkte und Geschäftseinheiten ein nachhaltiges Wachstum erzielen.
Die Marktführerschaft dürfte ohne zusätzliche Partner nicht zu erreichen sein. Für uns als partnergetriebene Organisation ist der Channel in der Tat essentiell – schliesslich machen wir 96 Prozent unseres Umsatzes über Partner. Ohne weitere Partner können wir die gesteckten Ziele also gar nicht erreichen, und je mehr Partner wir gewinnen können, umso näher kommen wir diesen Zielen.
Wie viele neue Partner wollen Sie in den kommenden 18 Monaten gewinnen?Wir haben uns 400 bis 500 neue, kaufende Partner als Ziel gesteckt. Das würde knapp einer Verdoppelung gegenüber Stand heute respektive einem Total von rund 1000 Partnern entsprechen. Die grösseren, bekannten Partner haben wir in der Regel an Bord und mit denen arbeiten wir auch sehr gut zusammen. Die Partner, die uns, respektive die Vorteile einer Zusammenarbeit mit uns, noch weniger gut kennen, sind die zahlreichen KMU-Partner in der Schweiz – die kleineren, oft regional tätigen Partner mit zehn bis maximal 20 Mitarbeitern, die seit Jahren mit ein und demselben Hardware-Hersteller verbandelt sind.
Welchen Grund geben Sie diesen Partnern, damit sie einen zweiten Hardware-Lieferanten in Erwägung ziehen? Eine Alternative zu haben, ist per se schon mal ein Vorteil, denn eine Alternative senkt die Abhängigkeit – was gerade in Zeiten von Corona ein Thema war, etwa bezüglich Lieferfähigkeit. Was uns attraktiv für Schweizer Partner macht ist zum einen, dass wir per 1. Juli 2020 die Einstiegshürden für unsere jeweiligen Partnerstufen Silber, Gold und Platinum um 50 Prozent gesenkt haben. Musste man früher 160’000 Franken Jahresumsatz machen, um Silber-Partner zu werden, reichen jetzt 80’000 Franken. Der Einstieg, mit
Lenovo zu arbeiten, ist dadurch deutlich einfacher. Zum anderen haben wir unser Mid-Market-Team, das den KMU-Markt bearbeitet, auf sechs Mitarbeiter verdoppelt. Dieses Team macht nichts anderes, als KMU-Endkunden zu akquirieren, und zwar ausschliesslich für unsere Channel-Partner. Es hat die Vorgabe, innerhalb der nächsten 18 Monate 1000 neue KMU-Kunden zu gewinnen.
Wenn ich nun als bestehender HP-Partner aber meine Umsätze auf verschiedene Hardware-Lieferanten aufteile, laufe ich dann nicht Gefahr, dass ich gewisse Partnerstufen nicht mehr erreiche?Das würde allerdings bedeuten, dass der Markt stagniert, was ja nicht der Fall ist. Wir verlangen vom Partner nicht, dass er sein bestehendes Business verlagert – eben genau darum haben wir das Mid-Market-Team erweitert. Wir wollen, dass er uns für neue Geschäfte in Erwägung zieht, und dabei machen wir ihm den Einstieg leicht, um rascher Kickback-fähige Boni zu erhalten sowie dadurch, dass wir ihm beim Neukundengeschäft helfen.
Trotzdem: Wie erleben Sie die Bereitschaft der langjährigen HP-Partner, sich für einen weiteren Hardware-Hersteller zu öffnen?Je grösser der Partner, umso schwieriger ist es für uns, einen Fuss in die Türe zu bekommen.
Wie erklären Sie sich das?Das hängt damit zusammen, dass mehr Leute involviert sind, mehr Personen mitentscheiden, ob ein zweiter Hersteller mit aufgenommen wird.
Und was hält die Partner denn primär davon ab, mit einem zweiten Partner zu arbeiten?Zum einen erlebe ich den Schweizer Partner als treu und loyal, was ein Charakterzug ist, den ich durchaus schätze. Dann steigt natürlich der Aufwand für einen Partner, sobald er mehrere Hersteller im Portfolio hat. Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass die Bereitschaft, uns zu empfangen, heute deutlich grösser ist als noch vor drei oder auch vor einem Jahr.
Welche Rolle spielt die Distribution bezüglich Wachstumsplänen?Unseren Distributionspartnern Also, Ingram Micro und Tech Data kommt eine entscheidende Rolle beim Wachstum zu, insbesondere was die Entwicklung im Longtail angeht. Unsere Distributionsprogramme, die für die Schweiz adaptiert wurden, gehen bezüglich Bonifizierung auch in die Richtung, dass die Distributoren dafür belohnt werden, für uns regelmässig kaufende Businesspartner zu akquirieren
Und das funktioniert?Grundsätzlich schon, ja, natürlich abhängig vom Distributor. Von den grossen drei Distis haben sich zwei das Partnerwachstum auf die Fahne geschrieben und verfolgen verschiedene Initiativen via Marketingkampagnen, Growth-Investment-Plänen oder zusätzlichen Kickbacks für das besagte Partnersegment.
Was die Zahl der Distributoren angeht: Sind Sie mit den drei grossen Distis zufrieden? Oder gibt es Überlegungen, den vierten Grossen – Alltron – auch an Bord zu holen?Mit unseren drei Distributoren sind wir für die Schweiz mehr als ausreichend breit aufgestellt, es gibt überhaupt keine Bestrebungen, einen vierten Distributor aufzunehmen. Alltron sehen wir bei
Lenovo auch nicht als klassischen Distributor für das professionelle B2B-Endkundensegment, sondern wie Microspot.ch oder Digitec als Etailer. Wir arbeiten sehr gut mit den Etailern zusammen, allerdings kommen in diesem Kanal andere Partnerprogramme zur Anwendung.
Was fehlt Alltron denn, um bei Lenovo als Distributor wahrgenommen zu werden?In unserem Partnerprogramm unterscheiden wir zwischen dem Broadliner und dem klassischen Etailer. Ersterer fokussiert sich auf die Linearität im Einkauf, die Zwischenlagerung des Produktportfolios, Wachstum im Tier-2-Partnersegment und Veredelungs-Services für grosse Projekte. Die Stärken eines Etailers wie Alltron sieht Lenovo im Zugriff auf das Endkundenpotential, dem hohen Anteil im Online-Kanal und einer flexiblen und raschen Logistik. Wohlwissend, dass es hier Überschneidungen im Leistungsportfolio gibt, sind wir und unsere Partner überzeugt, dass diese Einteilung die Richtige ist, um auf dem Schweizer Markt wachsen zu können.
(mw)