Es ist harsche Kritik, die vor allem den Ärger unter vielen VMware-Nutzern und -Partnern widerspiegelt. Zu rabiat seien die Umstrukturierungs- und Konsolidierungsmassnahmen des Chip-Konzerns, zu schnell die Umsetzung. Dieser hat immerhin in kürzester Zeit über 50 Produkte aus dem Portfolio genommen, die beliebte kostenfreie Version von ESXI Hypervisor fiel ebenfalls dem Rotstift zum Opfer, die End-User-Computing-Sparte wird komplett an den Investor KKR gehen. Und auch im Channel rumort es. Broadcom hatte Ende des Jahres angekündigt, alle VMware-Partnerverträge aufzukündigen, um diese im Rahmen des eigenen Partnerprogramms neu abzuschliessen – allerdings nur auf direkte Einladung. Wer diese zu welchem Zeitpunkt erhält? Das bleibt bis heute unklar. So berichtete VMware-Partner Somnitec gegenüber «Swiss IT Reseller», dass er bis dato weder persönlich informiert noch eingeladen wurde. Das passt wiederum zur Spekulation, dass Broadcom vor allem die umsatzstärksten Top-Tier-Partner wieder an Bord holen will.
Es ist ein Radikalumbau mit Ansage. Denn bereits bei den Akquisitionen von CA Technologies und Symantec ist Broadcom mit ähnlich viel nachdrücklichem Transformationswillen ans Werk gegangen und hat seine eigene Vision auch gegen Widerstände durchgedrückt. Zudem gibt es bei VMware durchaus Konsolidierungs- und Strukturierungsbedarf, vor allem im weitläufigen Produktportfolio. Die Fokussierung auf Hybrid-Cloud- und Subscription-Modelle entspricht dabei fraglos dem Zeitgeist.
Doch zu viel Veränderung auf einmal schreckt ab, sorgt für Verunsicherung und viele unbeantwortete Fragen. Die Marktbeobachter von Forrester prognostizierten mit Blick auf die ohnehin bereits «angeschlagene Kundenbasis» von VMware daher, dass 2024 bis zu 20 Prozent der Unternehmen das Weite und ihr Glück bei einem anderen Anbieter suchen könnten. «Viele sind erschöpft von den erheblichen Preiserhöhungen, dem sich verschlechternden Support und den obligatorischen Abonnements für Softwarepakete», urteilten die Analysten Michele Pelino und Naveen Chhabra. Das gilt auch für den einen oder anderen Partner, der bereits mit den Angeboten von Red Hat oder Nutanix liebäugelt.
Broadcom sieht sich hingegen im Recht, die Veränderungen seien notwendig. Der US-amerikanische Chip-Konzern könnte jedoch das Gewicht der Publicity unterschätzen und die Bindung so mancher Partner und Kunden zu den ohne Frage über lange Jahre äusserst beliebten Lösungen des Virtualisierungsanbieters überschätzen. Bereits drei Monate nach dem Deal zeichnet sich daher ab, dass das Vertrauen im Markt vielerorts Schaden genommen hat – und bisher noch kein Weg, wie Broadcom dieses zurückerlagen will.
(sta)