«Die PC-Krise ist gut für uns»

Logitech feiert seinen zwanzigsten Geburtstag – unangefochten von der Krise im PC-Markt oder dem 11. September. Logitech-Chef Daniel Borel erklärt warum.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/03

     

Man kennt Logitech und seinen Gründer, den Schweizer Daniel Borel. Aber die wenigsten wissen, dass er seine Aktivitäten vor 20 Jahren mit Compilern begann. Ein Sektor, der einige Zeit überdauerte, bevor er vollständig aufgegeben wurde. Zum 20. Geburtstag lässt sich über Logitech sagen, dass das Unternehmen zwar diverse Krisen zu überwinden hatte, sich aber immer geschickt aus der Affäre zog.
Manchmal jedoch wurde es brenzlig – und auch momentan zeigen sich am Horizont der PC-Welt dunkle Gewitterwolken. Wird Borel ein weiteres mal die Hindernisse mit Leichtigkeit umfahren? Uns interessierte, wie das Unternehmen auf die heraufziehenden Unwetter reagieren wird. Daniel Borel antwortet.

IT Reseller: Wie empfinden Sie die aktuelle PC-Krise?

Daniel Borel: Im letzen Fiskal-Quartal, das im September endete, realisierte Logitech ein Umsatzwachstum von 20% und erzielte 49% mehr Gewinn als im vorhergehenden Quartal, genau wie wir das vorausgesagt hatten. Für das laufende Jahr erhoffen wir ein ähnliches Wachstum. Wegen des Einbruchs im PC-Verkauf hatten wir einen Rückgang von 37% im OEM-Markt. Dieser macht aber nur 15% unserer Verkäufe aus. Während der letzten Jahre ist der Anteil unserer Verkäufe über Grossverteiler stark gesteigen, bei den Mäusen etwa um 37%.
Die abnehmenden PC-Verkäufe sind sogar gut für uns: Je weniger PCs die Leute kaufen, desto mehr kaufen sie Peripherie-Produkte, um sich die Benutzung ihres PCs bequemer zu machen. Ausserdem haben unsere Produkte, abgesehen vom Kauf, auch eine stark emotionale Bedeutung. Zudem – je leistungsfähiger die PCs wurden, desto unwichtiger wurde ihre eigentliche Performance. So sind wir vom Outsider zum wichtigen Player in der Debatte um PC, Performance und Peripherie geworden.
Der beste Beweis: Mit der Lancierung der Playstation II von Sony, mit der wir ein Abkommen haben, haben wir in wenigen Wochen 100’000 Steuerräder für deren Spiele verkauft – ein Rekord. Und der Erfolg wird weitergehen, denn die Spielbegeisterung ist ungebrochen. Daneben wird, dank der immer höheren Bandbreiten für den Internetzugang, die neue Nutzer-Generation noch mehr über das Netz spielen als bisher. Ob sie dazu nun Spielsteuergeräte oder Videokameras brauchen – alle diese Geräte ziehen als erstes Nutzen aus der neuen Mode. Das Internet hat uns daher unerwartete Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Sektor eröffnet.
ITR: Sie haben aber auch Rückschläge erfahren, speziell im Bereich der Compiler, Scanner und Soundkarten. Wie erklären Sie das?
DB: Das stimmt. Bei einigen Produkten waren wir unserer Zeit vielleicht voraus. Compiler waren während einigen Jahren die Basis unserer Geschäftstätigkeit. Dieser Hintergrund ist für uns wichtig, weil wir von dort her exzellente Softwarekenntnisse haben. Das hilft uns heute sehr. Compiler stehen am Anfang der Logitech-Geschichte – der Name Logitech ist ein Akronym aus «Logiciel» (=Software) und «Technique».
Als das Projekt aufgegeben wurde, haben wir Logitech gegründet. So bin ich «auf die Maus gekommen». Dank unserer Erfahrung aus einem Projekt für Bobst haben wir die Möglichkeit bekommen, im Januar 1982 einen wichtigen Vertrag mit der japanischen Firma Ricoh zu unterzeichnen.
Da wir gleichzeitig am Projekt für den Lilith-Computer von Professor Niklaus Wirth von der EPFL arbeiteten, waren wir an Arpanet, den Vorgänger des Internet, angebunden. Durch Zufall sind wir auf die grosse Nachfrage nach Mäusen gestossen und haben die Marktlücke erkannt.
Kurz nachdem wir Kontakt mit Professor Nicoud von EPFL hatten, der zusammen mit der Firma Despraz im Vallée de Joux eine opto-mechanischen Maus entwickelte, haben wir unseren ersten OEM-Vertrag mit Hewlett-Packard unterzeichnet. Sie brauchten Mäuse für ihren ersten PC, den HP 150, der damals schon einen berührungsempfindlichen Bildschirm hatte. Der Vertrag ging über 15’000 bis 20’000 Einheiten pro Jahr. Wenn man das mit den heutigen Produktionsmengen vergleicht, klingt das nach wenig. Aber zu jener Zeit war es eine enorme Menge.
Danach wollten wir uns mit Apple in Verbindung setzen. Wir hatten ein Modell in höllisch gutem Design entwickelt, mit dem wir an ihre Tür klopften. Es war ein totaler Misserfolg. Danach bekamen wir von der Waadtländer Banque Cantonale 200’000 Franken. Die brauchten wir, um ein Büro in den USA zu eröffnen. Ein solches war die Voraussetzung, um auf dem Weltmarkt mitspielen zu können und uns in Kalifornien, dem Zentrum der Computerindustrie, ein Standbein zu schaffen.
Im Mai 1983, während der «National Computer Conference», konnte ich mich in ein Treffen in Newport Beach, das von Microsoft zur Lancierung von «Word 1» organisiert worden war, einschleichen. Ich traf Bill Gates, dem ich vorschlug unsere Mäuse zu verkaufen, aber er lehnte ab. Wenn er akzeptiert hätte, wären wir wahrscheinlich nie auf den Grossverteilermarkt gekommen und würden heute vielleicht gar nicht mehr existieren.
Im Dezember 1985 schalteten wir eine Anzeige mit der «Logimouse» im «Bytes Magazin». Wir verkauften dadurch 800 Mäuse in einem Monat. Das war der Start in eine grosse Zukunft.

ITR: Wie kam es zum Misserfolg mit der DTP-Software?

DB: Computergestützes Publizieren, kurz DTP, stand am Anfang von Logitech, weil ich – bevor Logitech existierte – für Bobst an einem Projekt für graphische Textverarbeitung gearbeitet hatte. Das wurde leider 1981 aufgegeben. Aber dieser Sektor lag uns am Herzen.
Die Software PAO Finesse war aber nicht unser eigenes Produkt. Wir fanden uns im Markt zwischen Page Maker, der den Profi-Sektor rasch aufrollte, und den weiterentwickelten Textprogrammen wie Word. Immerhin profitierten wir von unserer grossen Erfahrung in diesem Bereich. Wir stellten ausserdem fest, dass die Nutzer nicht unbedingt völlig verschiedene Produkte vom gleichen Hersteller kaufen wollen.
Also änderten wir unsere Strategie: Wir gaben die Software auf und fokussierten uns auf Lösungen innerhalb von Applikationen. Wir wollen die vorhandene Infrastruktur besser nutzen, und sie nicht weiterentwickeln. Das machen Unternehmen wie Microsoft, die näher an der Betriebssystemebene sind, viel besser als wir.
Wir haben versucht, in die Sektoren Bildschirme und Grafikkarten vorzudringen aber dieses Unterfangen aus den gleichen Gründen wieder aufgegeben.

ITR: Und die Produkte für Mac?

DB: Wir haben einige Niederlagen mit Mac-Produkten erlebt. Damals hatten die Käufer noch genug Geld für Original-Produkte. Heute stellen sich einige Fragen dank des USB-Anschlusses nicht mehr.
ITR: Sind Sie mit den Webcam-Verkäufen zufrieden? Könnte das nicht ein Strohfeuer sein?
DB: Intel hielt die 20% des Marktes in den USA und hat sich tatsächlich zurückgezogen. Aber das schafft uns freies Feld. Heute haben wir ein Drittel des Weltmarktes in diesem Segment, das sich vor allem an die junge Generation wendet und entwickeln unseren Anteil stark weiter. Windows XP unterstützt Audio und Video. Mit der Professional Version kann man von einem Büro ins andere kommunizieren und dabei die ganze Bandbreite des LANs nutzen. Das eröffnet uns zahlreiche Perspektiven in der professionellen Kommunikation. Wir erleben erst das erste Stammeln des Marktes.
Maus, Tastatur, Stimme und Bild sind komplementäre Kommunikationsmittel. Man kommuniziert mit jedem dieser Vektoren auf andere Weise.
Beim Ton konnten wir uns völlig anders positionieren als Sony oder Phillips. Auch wenn die Produkte ähnlich sind, werden die unseren doch viel näher mit der Applikation assoziert.
ITR: Welche Marktanteile repräsentieren ihre Direktverkäufe im Vergleich zu den OEM-Verkäufen?
DB: Bei den Mäusen halten wir über 50% des OEM-Marktes. Weltweit decken wir zusammen mit Microsoft über zwei Drittel des Maus-Marktes ab. Im Publikumsmarkt sind wir mit Microsoft gleichauf. Manchmal überholen wir Microsoft, manchmal umgekehrt. Das hängt von den Produkten ab, die wir lancieren.

ITR: Wie erklären Sie sich den geringen Markterfolg der asiatischen Hersteller?

DB: Man darf nicht vergessen, dass bei den Mäusen die Software wichtiger ist als die Mechanik. Bei uns arbeiten mehr Ingenieure an der Software, als an der Maus selbst. Die Japaner haben grosse Probleme, Software zu programmieren, die den Marktbedürfnissen entspricht. Die Asiaten verkaufen ihre Produkte traditionell billiger als wir. Aber auf diesem Niveau ist der Preis nicht der entscheidende Faktor. Die Konsumenten kaufen lieber eine Markenmaus, davon versprechen sie sich Innovation und Qualität.
ITR: Bei den 3D-Mäusen sind Sie dabei, die Kontrolle von Labtec
zu übernehmen, die ein solches Produkt angekündigt haben – ebenso wie die ehemalige deutsche Space Control, von der Sie ebenfalls 49 Prozent besassen, bevor Sie sie in Logicad umtauften. Ist das nicht doppelt gemoppelt?
DB: Wir haben Labtec vor allem wegen Ihrer Aktivitäten im Bereich Ton gekauft. Eher zufällig haben wir auch den 3D-Maus-Bereich mitbekommen.
Das Interesse an Labtec kam erst nachdem wir 100% von Logicad akquiriert hatten, die in 3D Connection umbenannt wurden. Wir werden die beiden 3D-Abteilungen fusionieren. Damit erreichen wir ein Quasi-Monopol in diesem Markt, der momentan etwa 20 Millionen Dollar schwer ist und leicht wächst. Er ist vor allem für das Markenimage wichtig, da alle grossen Filmstudios, die virtuelle Realitäten produzieren, mit diesen Produkten arbeiten.
ITR: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Firma zur Unterstützung von Start-ups, die Sie unter dem Namen «Swiss-Up» gegründet haben?
DB: Die ursprüngliche Idee war, junge Leute beim Abenteuer Unternehmensgründung zu unterstützen. Manchen Unkenrufen zum Trotz ist die Schweiz ein Land, in dem sich hervorragende Projekte entwickeln. Wir wollten die verschiedenen Bildungswege – vorerst auf universitärem Niveau – analysieren und so die Fakultäten zu besserem Unterricht animieren. Daher haben wir die Internetsite www.swissup.com ins Netz gestellt, mit der die jungen Leute den besten Bildungsweg für ihre angestrebte Ausbildung auswählen können. Es genügt, einige wenige Parameter auszuwählen, um eine Auswahl verschiedener Schulen zu erhalten.
Anfangs war die akademische Welt nicht gerade angetan von dem Projekt. Wir mussten den Verantwortlichen erklären, dass die Ausbildung unserer jungen Leute ein essentieller Faktor für die Schweiz ist, wenn sie ihren hohen Lebensstandard halten und renommierte ausländische Unternehmen anziehen möchte. Wir wollen einfach die Ausbildung so gut wie möglich machen.
ITR: Haben Sie bereits über eine Wachablösung in Ihrem Unternehmen nachgedacht? Sind Ihre Kinder bereits mit Logitech verbunden?
DB: Ich habe eine amerikanische Erziehung. Dort glaubt man, dass jede Generation das machen soll, was sie machen möchte. Ich habe zwei Söhne. Der ältere ist 24 Jahre alt und arbeitet als Software-Ingenieur in einem kalifornischen Start-up. Der andere ist 21 und arbeitet bei Dolby, ebenfalls in den USA. Sie haben ihr eigenes Leben und machen genau das, was zu ihnen passt.
ITR: Sie haben sich zurückgezogen und sind nur noch Präsident des Verwaltungsrates. Das tägliche Geschäft und den Chefposten haben Sie Guerrino De Luca anvertraut. Sind Sie ein wenig geschäftsmüde?
DB: Im Gegenteil. Ich bin noch so motiviert wie am ersten Tag. Es ist toll, Produkte zu entwerfen, die Millionen von Leuten jeden Tag benutzen. Das Bedürfnis zu kämpfen und Tag für Tag das zu verbessern, was wir machen, wird dadurch nur verstärkt.
(Interview: Pierre-Henri-Badel)


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