Das Schweizer Gesundheitswesen steht vor der digitalen Transformation. Der Healthcare-Markt wächst stetig, Bedürfnis und Notwendigkeit für einen elektronischen Wandel sind erwiesen. Aufgabe der IT wird es sein, Kosten zu senken, Produktivität und Profitabilität zu steigern und die Sicherheit der Patienten sowie die medizinischen Entscheidungsprozesse zu verbessern. Sache des Staates ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Schweizer Gesundheitswesen aus der strategischen Konzeptlosigkeit herausholen.
Am diesjährigen E-Health-Kongress haben 94 Referentinnen und Referenten und 880 Kongressteilnehmer aus Gesundheitswesen und IT in Foren, Seminaren und der den Kongress begleitenden Ausstellung die Auswirkungen von «neuen Technologien» und IT auf die Medizin und das Gesundheitswesen unter die Lupe genommen.
Das digitale Spital
Laut Dr. med. Charles Saunders, President Global Industry Solutions Healthcare bei
EDS, verbringt eine Pflegefachkraft zwei Drittel ihrer Arbeitszeit damit, durch die Flure zu gehen, Dokumentationen nachzuführen und sich um Medikation und Kommunikation zu kümmern. Nur ein Drittel der Zeit bleibt ihr, sich ihrer Hauptaufgabe, der Patientenpflege, zu widmen. In einem US-Spital konnten durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung die Rechnungsstellungskosten um 15% gesenkt, gleichzeitig die Leistungserfassung um 20% verbessert werden.
Fehlende Voraussetzungen
In der Schweiz fristet die Disziplin «Medizinische Informatik» noch ein Mauerblümchendasein. Eine nationale Strategie zur Integration der IT in das Gesundheitswesen existiert nicht. Zumindest denken die meisten Spitäler, Privatpraxen, Krankenkassen, Versicherungen und Apotheken darüber nach, E-Healthcare als Organisations- und Kommunikationsmittel so schnell wie möglich einzuführen.
Zwar verfügen beispielsweise über 90% der Schweizer Arztpraxen über ein Informatiksystem, doch schöpfen die wenigsten die Möglichkeiten, die ihnen das System bieten könnte, aus. In Dänemark, Holland, Schweden oder Belgien kommen umfassende Praxisinformationssysteme in 80 bis 100 Prozent der ambulanten Praxen bereits zum Einsatz. Eine entscheidende Voraussetzung für den Zugriff auf medizinische Informationssysteme ist die Einführung der «elektronischen Patientenkarte» respektive einer übergeordneten «Gesundheitskarte».
Hier ist der Bund gefordert, entsprechende politische Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Einführung einer solchen Gesundheitskarte kann nur erfolgen, wenn Fragen zu Identifikation, Authentisierung und Zugriffberechtigung endlich geklärt werden und einheitliche Standards (hier sind u.a. auch Softwareanbieter angesprochen) für verschiedene Informationssysteme (z.B. Klinik- und Praxisinformationssysteme) geschaffen werden. Ende Mai hat der Bundesrat beschlossen, die Gesundheitskarte als Teil der mittelfristigen Reformmassnahmen einzuführen.
Auch die Einführung des neuen Tarifsystems Tarmed ist längst überfällig, die Genehmigung durch den Bundesrat wird aber laut der Schweizerischen Ärztezeitung noch länger auf sich warten lassen. Weitere Voraussetzung ist zudem die Schaffung einer nationalen Sicherheitsinfrastruktur (Public Key Infrastructure – PKI; Registrations- und Zertifizierungsstellen).
Beispiel-Projekt «BEKIS»
Unter dem Stichwort BEKIS will die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) des Kantons Bern ein gemeinsames Klinikinformationssystem (KIS) für alle 18 öffentlich subventionierten Spitäler und Kliniken (Inselspital, Spitalgruppen, Psychiatrische Kliniken, Spezialkliniken) beschaffen. Das Projekt wird von der GEF zusammen mit dem Zürcher Beratungsunternehmen AWK Engineering, das im April neben drei weiteren im Einladungsverfahren evaluierten Beratungsfirmen den Zuschlag erhielt, betreut.
Die momentane Konzeptphase ist nahezu abgeschlossen und geht in die Phase der Beschaffung (BEKIS-Beschaffung) über, die im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung nach GATT/WTO bis Frühling 2003 durchgeführt wird. Der Plan sieht vor, dass mit der Einführung des Systems (BEKIS-Einführung) in den ersten Institutionen im ersten Halbjahr 2003 begonnen werden soll. Vorgängig wird der Grosse Rat über einen Rahmenkredit zur Beschaffung des Klinikinformationssystems entscheiden. Ab 2005 soll die Mehrheit der involvierten Spitäler und Kliniken über das gemeinsame Klinikinformationssystem verfügen. (sk)
Info
www.bekis.awkgroup.com
Projektleiter AWK Engineering: André Leitner
E-Mail: andre.leitner@awkgroup.com
Projektleiter GEF Kanton Bern: Jürg Wägli
E-Mail: juerg.waegli@gef.be.ch