In Anbetracht der Merger HP-Compaq und IBM-PricewaterhouseCoopers (PwC) hat sich das Marktforschungsunternehmen IDC darangemacht, andere plausible Merger-Szenarien durchzuspielen. Nach den Erwartungen von IDC ist für die nächsten 18 Monate eine weitere Konsolidierung im europäischen Services-Markt wahrscheinlich.
Das bedeutet entweder weitere Merger oder aber neue Partnerschaften und Allianzen. Denn viele Software-Unternehmen können den Mid-Tier-Markt nur über Partner erreichen. Das direkte Verkaufsmodell macht für sie keinen Sinn. IDCs Marktforscher legen naheliegenderweise Wert auf die Feststellung, dass alle folgenden Szenarien hypothetisch sind.
Dell holt sich Getronics
Für IDC würde es auf den ersten Blick Sinn machen, wenn
Dell Getronics kauft. Beide Unternehmen arbeiten bereits gut als Partner in Europa zusammen. Dell konnte für die letzen Quartale positive Ergebnisse melden. Getronics dagegen versucht sich von fallenden Aktienpreisen zu erholen und wäre damit ein leichtes Opfer. Für Dell könnte Getronics eine Möglichkeit sein, seine Service-Präsenz zu erhöhen und europäischen Unternehmenskunden Infrastruktur-Services direkt anzubieten.
Über Nacht würde Dell – so nach IDC-Schätzung – einen Service-Arm mit 1,6 Mrd. Dollar Umsatz in Europa (und 2,5 Mrd. weltweit) gewinnen. Aber obwohl die beiden sich bereits durch Zusammenarbeit im Service-Bereich sehr gut kennen, ist einfache Integration nicht garantiert.
Dell selbst bietet «Close To The Box»-Services.
Getronics bietet wesentlich mehr als Service rund um Dell-Produkte und will weg von Infrastruktur-nahen Services zu Solution Services. Fazit: IDC hält einen Merger für unwahrscheinlich, denn er weckt Erinnerungen an den keineswegs reibungslos verlaufenen Merger von Compaq mit Digital Equipment. Dells Strategie müsste sich zu stark ändern, wenn man eine IT-Services-Firma kaufen würde.
Dells aktuelle Marketingbemühungen beziehen sich auf «Cut The Middle Man», sprich den billigeren Direktverkauf. Dell müsste sein Marketing schon drastisch umstricken, um komplexe Services anpreisen zu können.
HP Services und Deloitte Consulting
HP hatte im Jahr 2000 bereits sehr offen mit PwC geliebäugelt, um sich als Unternehmen mit End-to-End-Services positionieren zu können. Stattdessen kaufte
HP am Ende Compaq, und PwC ging im Juli 2002 an
IBM – zu einem Preis, der etwa einen Fünftel der 18 Mrd. Dollar betrug, die HP für PwC hätte zahlen sollen.
Um also bei BPO- und Business Services Skills mit seinen grössten Rivalen IBM und
EDS gleichzuziehen, bräuchte HP ein Consulting-Unternehmen. Doch die Auswahl wird knapp. Andersen wird gerade in mundgerechten Stücken verkauft, KPMG-Consulting ebenso. Deloitte Consulting (DC) könnte eine Option sein.
Das Dilemma für HP ist offensichtlich: Zwar mussten 25 Mrd. Dollar für Compaq hingelegt werden, aber noch immer ist HP im Service-Bereich nicht nah genug am Hauptkonkurrenten IBM Global Services.
Ein Merger mit DC würde hauptsächlich Auswirkungen im Software-Bereich haben. Die Kombination New HP mit DC würde einen echten Lösungsanbieter schaffen. Daneben würde DC für HP auch grosse Business-Möglichkeiten bei CRM-Lösungen bringen. Im Hardware-Bereich würde DC allerdings wenig neues bewegen. Hier wäre für HP eine Firma günstiger, die die Präsenz bei Telekommunikationsservices erhöhen kann.
IDCs Fazit: Zwar liegt nahe, dass HP eine bewährte Consulting-Firma erwirbt. Wegen der aussergewöhnlichen Kosten des HP-Compaq-Mergers ist das momentan dennoch unwahrscheinlich.
Fujitsu fusioniert mit Sun
Fujitsu und Sun arbeiten bereits in weiten Bereichen eng zusammen. Fujitsus Amdahl ist ein wichtiger Reseller von Sun-Systemen,
Fujitsu produziert seine eigene Implementation von Sparc, die kompatibel mit Sun Solaris ist, Fujitsu verkauft Solaris und Sparc unter Sun-Lizenz. Beide arbeiten bei Kampagnen wie dem Ersetzen von Mainframes durch High-end-Unix-Systeme zusammen. Andererseits ächzen beide Unternehmen unter dem Rückgang der Verkaufszahlen. Eine Konsolidierung könnte also ihre Marktpräsenz erhöhen.
Allerdings gibt es durchaus Gründe, die dagegen sprechen. An erster Stelle stehen die vollkommen unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Auch gibt es Bedenken, ob Scott McNealy, bekannt als starke Figur in der IT-Industrie, überhaupt Kontrolle in seinem eigenen Unternehmen abgeben will. Besonders nach kürzlich vorgenommenen Änderungen im Vorstand, die seine hohe Kontrolle wiederherstellen sollten.
Microsoft schnappt Accenture
Microsoft will tiefer in den Unternehmensbereich und weg vom Image des Desktop-Application-Verkäufers. Durch Avanade, ein Joint-Venture
aus dem Jahr 2000, besteht bereits ein enges Verhältnis zwischen MS und
Accenture. Aber kleine Nischen-Player würden höheren strategischen Nutzen für Redmond bringen, etwa bei den wachsenden Windows-Datacenter-Implementationen.
Unisys-Getronics Merger
Ein Unisys-Getronics-Merger wäre eine defensive Angelegenheit, betrachtet man die Aktienkurse und den flauen IT-Services-Markt. Ein Merger würde die beiden Unternehmen unter die Top 10 der weltweiten IT-Services-Anbieter bringen. Die Service-Angebote der beiden Unternehmen würden gut zusammenpassen: Beide waren erfolgreich bei Network- und Desktop-Services.
Ein Merger würde helfen, ihre vertikale und geographische Reichweite zu erhöhen.
Getronics ist stark in Grossbritannien, Spanien, Italien und den Niederlanden,
Unisys dagegen in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland.
Fazit
Für Kunden sind Merger nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Denn IT-Unternehmen haben in der Vergangenheit ihre Merger nicht gerade vorbildlich gemanagt, sagt IDC deutlich. Fusionierte IT-Unternehmen fokussieren zu stark auf organisatorische und interne Angelegenheiten, so dass sie ihre Kunden aus dem Blickfeld verlieren. Gut für die Konkurrenz. (ava)