Denn sie wissen nicht, dass sie benotet werden

Rund die Hälfte der Schweizer Unternehmen ist sich nicht bewusst, dass Banken die Höhe ihrer Kreditzinse nach einem Risikorating festlegen. Mit ein wenig Savoir Faire könnten Firmen die Zinskosten beeinflussen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/19

     

In der KMU-geprägten Schweizer IT-Industrie sind Kredite und ihre Kosten ein Dauerthema. «Basel II» hat Auswirkungen auf die Art, wie Banken die Höhe der Zinsen festlegen – und damit direkt auf das Portemonnaie.
Im umliegenden Ausland sorgt vor allem eine Bestimmung von «Basel II» für hitzige Diskussionen: Banken sollen in Zukunft alle Unternehmen, denen sie Kredite gewähren, einem individuellen Rating unterziehen. Das Rating beeinflusst, in Form eines Risikozuschlags, direkt den Kreditzins. Vor allem KMUs fürchten sich deshalb davor, dass durch «Basel II» ihre Kapitalkosten ansteigen werden.

Ratings in der Schweiz schon eingeführt

Hierzulande ist diese Suppe aber schon weitgehend gegessen, und sehr heiss war sie offensichtlich auch nicht. Das zeigen zwei gemeinsame Studien des Instituts für gewerbliche Wirtschaft (IGW) der Uni St.Gallen und der KPMG Fides Management AG. Eine Studie konzentrierte sich auf KMUs, die zweite auf mittlere und grosse, nicht börsenkotierte Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 20 Mio. bis 1 Mrd. Franken.
Zusätzlich wurden die Banken UBS, CS, ZKB, AKB, BEKB, St.Galler Creditanstalt, Schweizer Verband der Raiffeisenbanken und Bank Coop befragt. Alle diese Banken gaben an, dass sie bereits heute sämtliche kreditnehmenden Firmen mit einem Rating bewerten und die Höhe des Zinses danach bestimmen.
Wie die Studien ebenfalls ergaben, hat der grösste Teil der Firmen mit einem Fremdkapitalanteil zumindest auch Kredite bei Grossbanken oder Kantonalbanken. Daraus folgt, dass fast alle diese Unternehmen von ihrer Bank bereits bewertet wurden.
Das Rating hat im Schnitt für die betroffenen Unternehmen sogar positive Folgen. Von den Firmen, die wussten, dass ihre Bank ein Rating durchgeführt hat, gaben 44% der mittleren und grossen Unternehmen an, dass ihre Kreditzinsen danach gesunken sind, nur bei 17% sind sie gestiegen. Bei den KMUs waren es 33% resp. 24%.

Die Hälfte ist ahnungslos

Erstaunlich ist aber, dass nur 40% der Kreditnehmer aus dem KMU-Sektor und 57% der mittleren und grossen Unternehmen sagten, dass sie schon einmal einem Rating unterzogen wurden. Rund die Hälfte wurde also höchstwahrscheinlich von ihrer Bank eingestuft – mit direkten Folgen für ihre Zinskosten – und weiss das gar nicht.
Ein Grund dafür liegt in der Informationspolitik der Banken, die den Ratingwert nicht von sich aus kommunizieren. Wie uns der Verfasser der KMU-Studie, Frank Halter vom IGW erklärte, wollen sie dadurch Verwirrung und nutzlose Diskussionen am Stammtisch vermeiden. Denn nicht nur die Gewichtung der Faktoren, sondern auch die Bezeichnungen für die Ratings und die Anzahl der Stufen unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Banken.

Zinskosten selbst beeinflussen

Es ist also nicht garantiert, dass man von seiner Bank das eigene Kreditrating überhaupt erfährt. Nachfragen lohnt sich aber auf jeden Fall, meint Halter. Zumindest seien die Banken gerne bereit, auf wunde Punkte in einem Unternehmen hinzuweisen, die das Rating negativ beeinflussen.
Überhaupt propagieren die Banken die Ratings als eine Chance für Kreditnehmer: Risikogerechtes Pricing belohne gut geführte Unternehmen.
Von den Kreditnehmern möchten sie Offenheit und vor allem qualitativ hochstehende und zeitnahe Informationen – also vielleicht etwas mehr als nur den Jahresabschluss und den Namen des Chefs. Eine gute Kommunikation fliesst auch ganz direkt in die qualitativen Bewertungskriterien eines Ratings ein.
Zusätzlich könnte ein Rating gewisse Firmen auch zur Einführung von aussagekräftigen und transparenten Kontrollinstrumenten anregen. Das nützt intern und wird von den Banken als professionellere Führung bewertet.
Firmen können also bis zu einem gewissen Grad ihre Zinskosten selbst positiv beeinflussen. Aber das ist natürlich mit einem Mehraufwand verbunden, den es gegen den Nutzen abzuwägen gilt.
Auf jeden Fall ist es gut zu wissen, nach welchen Faktoren man von den Banken bewertet wird. Wie die Studie zeigte, gibt es in dieser Beziehung auch Fehleinschätzungen der Unternehmen.
Die Branchenzugehörigkeit wurde von den grösseren Unternehmen am häufigsten als wichtiger Faktor benannt. Die Banken scheinen die Fähigkeiten des obersten Managements und die Führungsorganisation höher einzustufen. Umgekehrt legen die Banken Wert auf das Vorhandensein und die Qualität von externen Beratern und Revisionsstellen, ein Faktor den vor allem KMUs eher unterschätzen.
Sehr tief in die Karten lassen sich die Banken aber noch nicht blicken. Keine ist momentan dazu bereit zu verraten, welche Faktoren nun genau mit welchem prozentualen Gewicht in ihr Rating einfliessen. Die Banken sollten aber – Stammtischdiskussionen hin oder her - Informationen nicht nur fordern, sondern im Gegenzug auch selbst offen informieren. (hjm)

Info


Die beiden Studien zu den Auswirkungen des Kreditratings auf Schweizer Unternehmen können kostenlos von der Website des Instituts für gewerbliche Wirtschaft der Uni St.Gallen (www.igw.ch) heruntergeladen werden.


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