Vor einem Jahr haben manche noch am Überleben der MTF-Gruppe oder zumindest von einzelnen Geschäftsstellen gezweifelt. Diese Zweifel waren offensichtlich unbegründet. «Alle Geschäftsstellen schreiben heute schwarze Zahlen und haben gesunde Bilanzen», sagt Markus Wullschleger.
Wullschleger ist Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der im Juli gegründeten MTF Schweiz AG. Die MTF-Gruppe wird 2002 180 Millionen Franken umsetzen. Im Jahr 2001 waren es – allerdings noch mit einem grösseren Schulungsbereich – 210 Millionen.
Es lebe der Föderalismus!
Wullschleger wie auch Patrick Stahler, seines Zeichens Chef und Hauptaktionär von MTF St. Gallen, schwören heute wieder ganz auf das föderalistische Konzept. Jede Geschäftsstelle arbeitet auf eigene Rechnung, MTF Schweiz dient nicht etwa als Holding, sondern als Instanz für Ressourcensharing, als ERFA-Plattform, gemeinsame Marketing-Agentur und natürlich auch als Einkaufs-Koordinationsstelle.
Mit diesem Modell könne MTF mit einer unerreicht schlanken Struktur und ohne jeglichen Wasserkopf dem Kunden ein Komplettangebot machen, sagt Wullschleger. «Je länger ich bei MTF mitmache, desto besser finde ich unser Modell. Jeder der Geschäftsstellenleiter ist Unternehmer und schaut zuerst für seine Firma. Wir können mit einer weitaus schlankeren Struktur operieren, als vergleichbare Firmen. Der Slogan ‘Reduce to the max’ ist zwar nicht von uns, passt aber gut.»
Einmalig ist das Modell, wie MTF Know-how in der Firmengruppe ausbreitet. Wenn die Gruppe beschliesst, eine neue Technologie oder neue Services anzubieten, wird als erster Schritt bei einer Niederlassung ein Kompetenzzentrum gebildet. Diese Kompetenzen, zum Beispiel im Bereich Storage, Security aber auch Schulungs-Dienste, können von anderen MTF-Geschäftsstellen gekauft werden – und zwar fast zu Marktpreisen. Besteht im Markt genügend Nachfrage, wird das Know-how in die anderen MTF-Outlets ausgebreitet. Stahler: «Fast alle Outlets haben heute beispielsweise eigene Kompetenz für Security-Dienstleistungen.»
Einstieg ins Lösungsgeschäft
Neben den bestehenden Kompetenzzentren für Storage (MTF ist als Compaq SAN System Integrator zertifiziert), Security und Schulung wird demnächst ein weiteres dazukommen. MTF wird SAP-Partner für die KMU-Lösung Business One. Das Kompetenzzentrum wird bei MTF Schaffhausen angesiedelt. Die Schaffhauser Geschäftsstelle hat bisher bereits Business-Lösungen vertrieben. Mit der Partnerschaft zu
SAP steigt der föderalistische VAR breiter und gezielter in den Lösungs-Markt ein.
Am Beispiel von SAP Business One zeigt sich der Vorteil des MTF-Modells: MTF Schaffhausen wäre vielleicht nicht in der Lage, alleine den Aufbau des Know-hows für den Vertrieb von Business One zu finanzieren – andererseits wäre der gesamtschweizerische Einstieg ins Geschäft mit einer betriebswirtschaftlichen Lösung wohl ein zu grosses Risiko. Da nun die anderen MTF-Outlets über MTF Schweiz den Schaffhausern helfen, das nötige Wissen zu erwerben, lässt sich das Risiko minimieren, während gleichzeitig die Chance bleibt, in nicht allzuferner Zukunft ein gewichtiger Player im Markt für KMU-Software zu werden.
MTF wird SAP Business One auch selbst einsetzen – die Niederlassung, die den «Piloten» spielen wird, steht bereits fest. Wullschleger: «Die meisten unserer Standorte haben früher KMU-ERP-Lösungen vertrieben. Wir kennen das Business.» Und Patrick Stahler ergänzt: «Wir sind Infrastruktur-Anbieter und machen das, was wir verstehen.» Die beiden sind fest davon überzeugt, dass die Grundfunktionalitäten einer Business-Software in nicht allzuferner Zukunft zu einem Commodity-Produkt werden.
Keine Angst vor der Konkurrenz durch Hersteller
Sowohl Stahler wie auch Wullschleger sind sichtlich froh, angesichts der schlechten Konjunktur alle Strukturen rechtzeitig auf das absolut notwendige Minimum reduziert zu haben. Wullschleger: «Nur wer heute eine superschlanke Organisation hat, hat eine Überlebenschance.»
Die MTF-Leute reagieren mit einem Schulterzucken auf die Frage nach der zunehmenden Konkurrenz durch die Hersteller selbst. Stahler: «Wir müssen uns durch unsere Leistungen gegenüber dem Mitbewerb abheben. Sei dies nun ein Hersteller oder ein Reseller. Unsere Kostenstruktur ist für jeden interessant, sei dies nun als Vertriebspartner oder als Kunde. Daran, dass die Hersteller laufend ihre Strategien ändern und mal mehr, mal weniger direkt verkaufen, haben wir uns gewöhnt.»
Weniger erfreut sind die MTF-Leute allerdings davon, dass
HP nun «Loyalität» so definiert, dass erwartet wird, dass Reseller ausschliesslich HP-Produkte verkaufen. Wullschleger klipp und klar: «Das geht nicht, unser Geschäft basiert auf heterogener Produktepolitik. Durch Loyalität zu den strategischen Herstellern und Lieferanten lebt MTF seit 20 Jahren!» (hc)
Die MTF-Story
1983 wurde die erste MTF als Tochter einer Baufirma gegründet. MTF stand für für die Gründer, May, Theil und Frösch. Bis 1993 wurden Niederlassungen in Solothurn, Schaffhausen, Baar, Sursee, Triesen und Givisiez gegründet resp. integriert. 1992 folgte die gemeinsame Dachgesellschaft MTF AG, 1994 der MBO. 95 bis 98 wurden weitere Standorte eröffnet sowie die IT-Sparte der Walter Rentsch AG eingegliedert.
1999 stieg der Risikokapitalist Alchemy bei MTF ein. Alle Niederlassungen wurden an die MTF Holding AG verkauft. Ziel: Ein Börsengang. Dieses Projekt scheiterte mit dem Untergang der Holding am 24.12.2001. Im Januar 2002 kauften alle Altaktionäre «ihre» Niederlassungen zurück und im Laufe des Jahres wurde die föderalistische Struktur wiederbelebt.
Mehr als eine Einkaufsgenossenschaft
IT Reseller: Wir haben schon Konkurrenten spotten gehört, MTF sei nichts anderes als eine Einkaufsgenossenschaft. Ist dem so?
Markus Wullschleger: Die Einkaufs-Koordination ist sicher eine wichtige Funktion von MTF Schweiz. Aber eben nur eine. Dazu kommen gemeinsame Marketing-Aktivitäten und Ressourcen-Sharing sowie die Bildung von Kompetenz-Zentren. Damit können wir Know-how Standort-übergreifend anbieten und haben auch die kritische Grösse. Beispiel ist sicher Storage. Die Zertifizierung ist mehrheitlich bei MTF Thörishaus und durch die Übernahme von vier UDT-Leuten neu auch in der Romandie.
Patrick Stahler: An anderen Standorten hat es dann vielleicht nur einzelne Leute, die dem Kompetenzzentrum angegliedert sind.
ITR: Jede Niederlassung ist nun aber selbst für Profit und Loss verantwortlich. Liegt einem Outlet-Chef das Hemd nicht näher als die Jacke, sprich er zieht eigene Projekte vor?
Wullschleger: Wenn ein zentralisierter Konkurrent seine Spezialisten ausgelastet hat, kann er ebenfalls keine weiteren Projekte annehmen. Wenn bei uns aber die Spezialisten freie Kapazitäten haben, ist die Niederlassung genauso daran interessiert, ein Projekt für eine andere MTF zu erledigen.
Stahler: In der MTF ist noch nie ein Projekt an mangelnden Kapazitäten gescheitert. Ausserdem ist das Angebot der einzelnen MTFs zu 80 bis 90 Prozent identisch. Wenn wir die Dienste eines Kompetenzzentrums in Anspruch nehmen, müssen wir fast Marktpreise bezahlen. Für das Kompetenzzentrum entsteht so kein schlechtes Geschäft.