Bilder v.l.n.r.: Helmut May, MTF; Alexander Stüger, Microsoft; Fredy Staudacher, Ex-COS
Januar: MTF ist tot, es lebe MTF!
Am 9. Januar platzt die Bombe: Der IT Reseller veröffentlicht die traurige Nachricht vom Ende der MTF-Holding. Diese hatte Heiligabend um zwölf Uhr Mittags ihre Bilanz beim Konkursamt Solothurn in Olten deponiert. Das Ende der MTF-Holding ist eine New Economy-Geschichte:
Angesichts eines illusorisch gewordenen Börsengangs wäre eine Neubewertung der MTF-Beteiligungen und ein Verzicht von Gläubigern (darunter der Altaktionäre) fällig gewesen. Die Altaktionäre sahen ihre Chance gekommen, den ungeliebten Risikokapitalisten und den CEO loszuwerden und sandten die Holding in Konkurs.
Man versucht den Konkurs der Holding unter dem Deckel zu halten bis eine Lösung für die 13 MTF-Geschäftsstellen und MTF-E-Business (ehemals IMIS) gefunden ist. Dies misslingt und die MTF-Holding muss gezwungenermassen den eigenen Gang zum Konkursrichter mit einem Verweis und Link auf IT Reseller kommunizieren. Als Koordinator wird MTF-Gründer und «Übervater» Helmut May zurückgeholt.
Unklar ist, was mit den Geschäftsstellen passiert, die Leiter der einzelnen Geschäftsstellen beschwören, liquide und profitabel zu sein und die Geschäfte wie bisher weiterzuführen. Das klingt allerdings einfacher als es ist: Die Aktien der 13 Geschäftsstellen waren nämlich als Sicherheit für den Kredit des Bankenkonsortiums hinterlegt.
Als erste Niederlassung verkündet jedoch wenig später die MTF Thörishaus/Solothurn die Meldung eines erfolgreichen MBOs. Am selben Abend werden die anderen alten Gruppengesellschaften von den Banken zurückgekauft. Damit gibt es nun wieder acht MTFs mit insgesamt 13 Niederlassungen. Die Holding hingegen geht eine Woche später definitiv in Konkurs. Die neue, alte MTF konzentriert sich fortan aufs reine Systemintegrationsgeschäft im Mittelstand und auf regionale Grossunternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen.
Die MTF-E-Solution wird im Februar wieder zu Imis, der Betrieb der MTF Feusi Informatikschule wird Anfang März durch die Migros Aare Klubschule übernommen.
April: Lärm um AIS&S
Am 11. April erreicht IT Reseller eine Nachricht, in der Vorwürfe gegen AIS&S – die überlebenden Reste von Clark Sachs’ untergegangener All Com-Gruppe – erhoben werden. Es ist die Rede davon, dass die All Com Holding die All Com Schweiz bewusst Konkurs gehen lasse,
Cisco auf Millionenforderungen sitzen gelassen wurde, die Geschäftsleitung Mails der Mitarbeitenden einsehe und potentielle Investoren, darunter mit dem Elektrizitätswerk Thurgau auch ein Unternehmen in öffentlichem Besitz, nicht vollumfänglich über den Zustand von AIS&S informiere.
Fakt ist, dass ein Grossteil des Managements das Unternehmen aufgrund von Differenzen verlassen hat und sich die CEOs bei AIS&S die Klinke in die Hand geben. Von 65 Mitarbeitenden im Sommer 2001 ist das Unternehmen auf 24 Leute geschrumpft. Zu keiner Zeit will irgendein Verantwortlicher beim Unternehmen zu einem der Vorwürfe Stellung beziehen.
Die Vorwürfe werden als «grundlegend falsch und verdreht» abgetan, ein Gesprächstermin mit dem IT Reseller kurzfristig wieder abgesagt. Insider sind erstaunt, dass das Unternehmen Investoren auftreiben kann und zweifeln sogar daran, dass diese vollumfänglich über den Zustand des Unternehmens und dessen Geschäfts-Strategie aufgeklärt wurden. Die All Com Holding deponiert die Bilanz.
Georg Pfurtscheller, der Hauptaktionär der Schlieremer GPS Technik und Verwaltungsratspräsident von AIS&S, übernimmt deren Aktienmehrheit und droht dem IT Reseller bei Veröffentlichung eines Artikels mit weitreichenden Konsequenzen. Diese treffen dann auch ein, Pfurtscheller kündigt sein IT Reseller-Abonnement.
Im September wird AIS&S in Xicom umbenannt. Die Namensänderung soll, wie es heisst, einen Neustart symbolisieren. Zur «Ergänzung des Kunden- und Produkportfolios» beteiligt sich sechs Monate später das Elektrizitätswerk Thurgau doch noch am Unternehmen. Über Details des Deals wird nichts bekannt.
Mai: Microsoft kauft ERP-Channel
Für 1,3 Mrd. Dollar in Cash kauft Microsoft den dänischen ERP-Anbieter Navision. Mit der Übernahme wollen die Redmonder mit Macht ins Datacenter und in den Applikationsbereich drängen und sich im vielversprechenden Softwaremarkt für KMU etablieren. Ziel ist es, vernetzte Geschäftslösungen auf der Grundlage der .Net-Plattform anzubieten. «Mit der Akquisition von Navision entspricht Microsoft den regional doch recht unterschiedlichen Anforderungen in Software-Lösungen im KMU-Markt speziell im europäischen Raum», so Alexander Stüger, General Manager
Microsoft Schweiz.
Der Deal ist ein Frontalangriff gegen die Konkurrenz. In der Schweiz trifft es Unternehmen wie beispielsweise
Abacus oder Winware. Microsoft schnappt sich mit dem Kauf ein Vertriebsnetz von 2400 Partnern, Navision ist mit 136’000 verkauften Lösungen bei rund 60’000 Firmen im Einsatz. Der Schweizer Navision-Channel steht dem Deal positiv gegenüber.
Mai: Aus für Asetra
Gerüchte, der Basler VAR Asetra müsse die Bilanz deponieren, schwirrten schon längere Zeit durch die Branche, wurden aber bei Asetra immer wieder dezidiert dementiert. Mitte Mai flatterte dann doch das fatale Fax in die Redaktion. Der Systemintegrator werde «in den nächsten Tagen» Insolvenz beantragen, so der Inhalt. Als Gründe für das Scheitern nennt CEO Jürg Brönnimann die «allgemeine Auftragsflaute», die dazu geführt habe, dass grosse IT-Firmen auch um kleinere Aufträge kämpften.
Fazit: «Heute überleben nur die Grossen und die spezialisierten Kleinen.» IT Reseller vermutet, dass unter anderem der kostspielige Ausflug in ASP-Gefilde und der Aufbau eines eigenen Rechenzentrums zum Untergang beigetragen haben. In den letzten Monaten hatten sich bereits andere Firmen mit ASP-Experimenten vom Markt verabschiedet: Mount10, ein Anbieter von mietbaren Speicherlösungen verschwand ebenso von der Bildfläche wie die Zuchwiler ST-Communication (ehemals Sasso Text).
Auch die ASP-Pläne der Berner UDT Holding scheiterten. Die Kosten für den Aufbau des Rechenzentrums dürften mit ein Grund sein, dass die Tochterfirma Union Data Trading in Kirchberg in den Konkurs geschickt werden musste. Doch auch Asetras diverse Abenteuer im Storage-Umfeld – Asetra verlor vor einem Jahr die komplette Storage-Abteilung und stellte später Storage-Leute von Dettwiler ein – dürften mitschuldig am Untergang des Basler VARs gewesen sein.
Zumindest hat sich die Asetra-Leitung alle erdenkliche Mühe gegeben, für alle Mitarbeiter eine akzeptable Lösung zu finden, was auch gelungen ist: Der Bereich Projektmanagement und Datenintegration kommt in einem Spin-Off namens Valiente GmbH unter. Der Wartungsbereich geht samt einigen Mitarbeitenden zur Itris-Gruppe. Brönnimann selbst findet im August beim Helpdesk-Outsourcer Pidas als Chef Operations DACH einen neuen Job.
Oktober: COS’ neuer Anlauf
Am 30. September erreicht uns eine kurze Mitteilung aus dem Hause COS, dass man sich von Fredy Staudacher, Leiter des Distributionsgeschäfts in der Schweiz, «im gegenseitigen Einvernehmen» getrennt habe. Nach Viktor Pabst, der im Unfrieden von COS schied, ist Staudacher nun schon der zweite Disti-Chef, der offensichtlich nicht ganz freiwillig seinen Hut nimmt. Es stellt sich die Frage, ob Staudacher als Sündenbock für die missglückte Integration der im Frühjahr 01 übernommenen
Alltron herhalten muss.
Die «neue» COS verlor im Rahmen der Übernahme fast die ganze Belegschaft und riss die COS-Gruppe in die roten Zahlen. COS-CEO Kurt Früh kehrt Staudachers Einsatz für die Verbesserung der internen Strukturen und Abläufe heraus, kritisiert aber dessen mangelndes Distributions-Know-how. Während Staudacher schweigt, ist Früh zu allem bereit («und wenn es noch ein Jahr geht und das Ergebnis der Holding belastet»), um
COS Distribution Schweiz wieder auf die Beine zu helfen.
In der Schweizer Distribution verlor COS in den ersten neun Monaten dieses Jahres 5 Mio. Franken. Trotz des Alltron-Flops bleibt Früh bei den oft kommunizierten langfristigen Zielen: Bis 2005 soll der Konzern einen Umsatz von einer Milliarde Franken erreichen. Roland Apelt, Chef des COS Konzernbereichs Distribution, macht sich unterdessen Sorgen um einen Nachfolger von Fredy Staudacher, denn der ist bis heute nicht gefunden. (sk)
Das IT-Jahr 2002 in Zahlen
Weltweite Entlassungen in der IT-Branche, über die wir berichtet haben: 322’625 (Vorjahr: 206’400)
Neugründungen von Schweizer IT-Firmen per 2.12.2002: 2120 (gleicher Zeitraum Vorjahr: 1825)
Konkursmeldungen: 345 (Vorjahr gleicher Zeitraum: 253; 2000: 207)
Anzahl IT Reseller-Online-News: 2147, Vorjahr 2077
Leser-Kommentare auf IT Reseller Online-Meldungen: 468 (davon 173 aus Menschenrechtsgründen nicht zur Veröffentlichung geeignet!)
Top und Flop auf IT Reseller Online 2002
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