Das hat den lokalen Herstellern von Business-Software für KMU wohl gerade noch gefehlt: Als vierter Multi nach
Microsoft,
SAP und
Sage drängt nun auch noch
Oracle in den Schweizer Markt. Oracle peilt den sogenannten «Mid-Market» an, also Firmen mit etwa 100 bis 500 Mitarbeitenden und einem Umsatz zwischen 30 und 400 Mio. Franken. Das Software-Paket unter dem etwas schwerfälligen Namen «E-Business Suite Special Edition» soll ausschliesslich über indirekte Kanäle vertrieben werden.
«Ich habe eine pragmatischere Sicht der Dinge als SAP», sagt Oracle Managerin Helen Saxer. Sie glaubt, dass Oracle-Partner in den nächsten 12 bis 18 Monaten etwa 100 Kunden für das Software-Paket finden werden. Den Wiederverkaufskanal will Saxer bewusst auf 20 bis 30 Partner beschränken. «Wir tragen die Verantwortung dafür, dass die neu rekrutierten Partner ein dauerhaftes Geschäft aufbauen können», lautet die Begründung für ihr sehr selektives Vorgehen.
Das Paket
Anders als
SAP und
Microsoft, die beide Software-Hersteller übernahmen, hat
Oracle die eigene «E-Business-Suite» auf die Bedürfnisse von mittelgrossen Firmen zugeschnitten. Die Software umfasst Module für Finanz- und Rechnungswesen, Auftrags- und Lagerverwaltung, Asset-Management und Einkauf.
Das Paket wird vorinstalliert auf einem Linux-Server ausgeliefert. Sie ist in den Landesprachen in einer für die Schweiz lokalisierten Version erhältlich. Saxer rechnet mit ungefähren Kosten von 150’000 Franken für eine Installation mit bis zu 25 Usern. In diesem Betrag enthalten sind Lizenkosten, Personalisierung, Schulung, Implementierung, Analysen und Erst-Jahres-Support durch den Partner.
Offensichtlich hat man sich bei Oracle den Schweizer Markt für KMU-Software gut angeschaut. Helen Saxer glaubt nicht, mit der «Special Edition» nun die eierlegende Wollmilchsau zu besitzen und ist sich klar, dass der Markt stark fragmentiert ist. «KMUs sollten ihre Business-Prozesse überdenken, ob sie noch den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind», so Saxer. «Wenn diese Prozesse zu weniger als 80% zu unserer Lösung passen, ziehen wir uns lieber zurück.
Wir haben nicht die Antwort auf alle Kundenbedürfnisse», so ihre realistische Einschätzung.
Einen ersten Kunden hat Oracle mit dem Lausanner Biotech-Unternehmen Modex Therapeutics bereits vorzuweisen. Implementiert wurde die «Special Edition» durch den Genfer Consulter Astron Associates SA.
Die Partner
Für den Vertrieb und die Implementation der «Special Edition» wird sich
Oracle vollständig auf den Kanal stützen. Als potentielle Partner werden einerseits die klassischen Integratoren und ISVs mit Branchen-Know-how angepeilt. Sie sollen die Software beim Kunden verkaufen, implementieren oder auch «vertikalisierte» Versionen bauen.
Saxer denkt heute bereits auch laut über Outsourcing-Modelle nach, wo Partner die Lösungen bei sich oder direkt beim Kunden hosten und warten. Daneben könnte die KMU-Version von Oracles Business-Suite auch eine Chance für Schweizer Software-Hersteller bedeuten, die bereits spezialisierte betriebswirtschaftliche Software auf Oracle-Plattformen entwickelt haben. Sie könnten die «Special Edition» als Finanz-Lösung dem Kunden schmackhaft machen.
Für Oracle-Partner winken hier Zusatzgeschäfte – vorausgesetzt sie verfügen über das nötige betriebswirtschaftliche Know-how und die KMU-Geschäftssoftware hält, was Oracle verspricht.
Mit Gregor Bossert hat man einen äusserst erfahrenen Mann als externen Berater für den Aufbau des Channels für die KMU-Software geholt. Bossert leitete bis vor kurzem mit Navision Schweiz jene Firma, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich ein Partnernetz aufbaute. (hc)
Eine Million für den Channel
Oracle will Channel-freundlicher werden. Saxer: «Als reine ‘Direct-Company’ kann man heute nicht mehr überleben.»
Oracle setzt heute nur etwa 30% indirekt um. Bei gleichzeitigem Umsatzwachstum soll dieser Anteil immerhin auf etwa 40% wachsen.
Neu hat Oracle auch alle «Named Accounts», also jene Grosskunden, mit denen der Software-Hersteller direkte Verträge hat, für den Channel geöffnet. Oracle Partner können – ohne jede Einschränkung – neues Business, Leads oder auch nur «Opportunities» (Projekte) bei Oracle anmelden und bei Abschluss des Deals durch Oracle «Sales-Fees» kassieren. Entsprechend werden neu Oracle Sales-Leute ungeachtet des Verkaufskanals entschädigt, um Channel-Konflikte zu vermeiden und Partner aktiv in Projekten zu unterstützen.
Die Partnerbetreuung (Anträge auf Co-Marketing, Bestellungen, etc.) soll ausschliesslich über Oracles Partner-Portal OPN sowie die eingebundenen Call-Centers laufen. Saxer verspricht, wissend um die Tücken rein elektronischer Beziehungen, in jedem Fall eine Reaktion innert 48 Stunden, sei dies auf den Antrag für die Lead-Entschädigung, Co-Marketing oder ähnliches.
Dies soll sich einerseits in verbesserter Partnerbetreuung manifestieren, andererseits in einer magischen Zahl: 1’000’000 Franken. Das ist das Geld, das Helen Saxer im laufenden Geschäftsjahr (1.6.02 bis 31.5.03) in den Channel, sprich vorwiegend in Co-Marketing-Initiativen stecken kann. «Ich habe die Million für den Channel, aber die Partner beantragen die Gelder nicht!» ist Saxer doch ziemlich erstaunt.