IT Reseller: Herr Thorenz, Sie sind seit der Atraxis-Übernahme vor einem Jahr Chef von
EDS Schweiz. Weltweit waren die vergangenen Monate für EDS eine turbulente Zeit. Wie wirken sich die negativen Pressemeldungen zum EDS-Konzern auf Kundenseite in der Schweiz aus?
Jürgen Thorenz: Kaum. Um ganz ehrlich zu sein, ich bin in den letzten fünf Monaten vielleicht ein oder zwei mal darauf angesprochen worden. Wir haben uns intern sehr gut mit einem ausführlichen Briefing und Q&A darauf vorbereitet. Vielleicht sind die Firmen heute schlicht nicht mehr so sehr auf Börsenkurse fixiert wie auch schon.
Wie läuft das Geschäft in der Schweiz?
EDS Schweiz geht es gut. Wir sind über Budget.
EDS hat global natürlich durch gewisse Accounts wie Worldcom und Unternehmen der amerikanischen Airline-Branche gelitten. Da wir in der Schweiz aber nicht in dem Masse von Telekommunikations-Firmen abhängig sind, wie etwa in den USA, haben die globalen Verluste von Accounts für uns so gut wie keine Auswirkungen.
Ende Oktober wurde bekannt, dass EDS weltweit 5500 Stellen abbauen will, weil Umsatz und Gewinn massiv schrumpften. Vor einem Jahr hatte EDS in der Schweiz 1400 Mitarbeiter. Wie ist die Situation heute?
Wir haben wie die anderen Länder auch seit Herbst Personalstopp. Aber es sind keine Aktionen geplant, dass wir einen bestimmten Prozentsatz der Stellen abbauen müssen. Wir reduzieren die Anzahl Stellen durch natürliche Fluktuation und beschäftigen zur Zeit 1300 Mitarbeitende.
Durch die Übernahme der ehemaligen Atraxis durch EDS wurde die Schweiz zum europäischen Center of Excellence. Damit hat die Schweizer EDS eine neue Bedeutung innerhalb des Konzerns bekommen. Was bedeutet das konkret?
EDS ist dadurch um fast die Hälfte gewachsen. Durch die Airline-Aktivitäten ist die Schweiz nun innerhalb des Konzerns sichtbarer, d.h. die «Attention» ist grösser. Wir haben öfter und mehr Vertreter aus dem Topmanagement zu Besuch. Hinzu kommt, dass der Zugriff auf Know-how und Ressourcen leichter geworden ist.
Im Healthcare-Bereich war es beispielsweise möglich, Anwendungen innerhalb von wenigen Wochen in die Schweiz zu portieren. Auch der Gesamtverantwortliche für Healthcare bei EDS war beispielsweise schon mehrfach in Zürich.
Damit wären wir bei den Geschäftsfeldern. Welche neuen Branchen sind neben der Airline-Industrie für EDS in der Schweiz von verstärktem Interesse?
Wir konzentrieren in diesem Jahr neu unsere Kräfte zusätzlich auf die Bereiche Finance und Healthcare. Wir haben zum Beispiel seit Anfang Jahr eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Berner RTC Real Time Center, für die wir die Bankenlösung Ibis vertreiben und Dienstleistungen bis zum Betrieb der Lösung anbieten.
Im Healthcare-Bereich haben mittlerweile 25 Spitäler eine Lösung in Betrieb, die auf unserer Software Diohis basiert. Bei den meisten Spitälern handelt es sich weitestgehend um die Lieferung von Lizenzen und die Implementierung der Software. Aber vier Spitäler und die Kantonsapotheke Zürich lassen bereits die Lösung in unseren Rechenzentren verarbeiten. Da wir hier bereits viel Branchen-Know-how besitzen, wollen wir die bestehenden Aktivitäten nutzen, um tiefer in den Healthcare-Bereich einzudringen.
Idee der Atraxis-Übernahme war unter anderem, die Applikationen in verstärktem Masse an neue Kunden zu verkaufen. Welche Geschäfte kann EDS im Airline-Bereich vermelden?
Die Aktivitäten von Atraxis haben innerhalb der Swissair eine gewisse Konkurrenzhemmung ausgeübt. Dadurch, dass heute EDS die Geschäfte betreibt, hat sich mehr Unabhängigkeit ergeben. Abgesehen davon ist natürlich das Know-how der ehemaligen Atraxis im Softwareentwicklungs-Bereich ist für uns eine riesige Chance.
Das Air Transportation Center of Excellence ist eine EMEA-«Übung». Dass die Schweiz für EDS eine solche Bedeutung bekommen hat, ist natürlich schön für uns. Alle Anwendungen oder Teile davon, die EDS beispielsweise für Swiss betreibt, können wir anderen Airlines oder Airline-nahen Betrieben anbieten.
Wir konnten beispielsweise letztes Jahr neue Geschäfte mit der Lufthansa Cityline, Malmö Aviation und TUI (das sind alleine sechs Airlines) verkünden. Und im neuen Jahr haben wir schon vier neue Abschlüsse in der Pipeline, wovon wir zwei nennen können: Jet Aviation und Belgian Ground Services (BGS, ehemals Sabena Ground Handling).
Mit Jet Aviation haben wir einen Vierjahresvertrag für alle Ground Handling-Aktivitäten in Zürich und Genf unterzeichnet. Und mit BGS besteht ein Zweijahres-Vertrag für Departure Control, Messaging und Ground Info.
Weshalb hat
T-Systems und nicht EDS den Deal mit der Schweizerischen Rettungsflugwacht REGA erhalten und wo war EDS bei der Ausschreibung der Rentenanstalt/Swiss Life?
Die REGA war unser Kunde, und wir haben die Anwendung für die REGA entwickelt. In der heutigen Zeit, wo es von Deals nicht gerade wimmelt, ist ein Mitbewerber vielleicht bereit, bestimmte Geschäfte quer zu verrechnen. Aber wir haben kalkuliert und auch gewusst, welchen Aufwand es braucht, die Anwendung zu betreuen und zu betreiben. Wir haben auch für die Verlängerung des Vertrages mit offeriert, uns aber entschlossen, die Offerte nicht mehr weiter nach unten nachzubessern.
Was die Medien betreffend Rentenanstalt geschrieben haben, stimmt zum Teil nicht. Wir haben zwar gute Kontakte zur Rentenanstalt, aber das haben wir auch zu anderen Unternehmen. Konkret war EDS nicht in den Offering-Prozess involviert. Es war ein sehr eingeschränkter Bieterprozess und sehr schnell nur noch CSC alleine in der Auswahl. Wir sind dennoch interessiert mitzubieten, sollte das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktuell werden.
Welche Massnahmen wurden aufgrund des Irak-Kriegs und dessen möglichen Auswirkungen auf die Airline-Branche getroffen?
Wir haben ein Komitee gebildet, das die Situation aus Sicherheitssicht angeschaut hat mit dem Ziel, instant-mässig im Notfall zu reagieren. Konkret heisst das, dass wir die normalen Verfahren noch zugespitzt haben.
Was die wirtschaftlichen Auswirkungen angeht, kann man nicht viel mehr tun, als sehr moderat zu budgetieren. Wenn etwa eine Airline vor dem Hintergrund von SARS oder dem Irak-Krieg weniger Tickets verkauft, betrifft uns das sofort, denn ein Verrechnungskriterium ist die Anzahl Buchungen und Transaktionen.
Das bedeutet aber eine ganz schöne Abhängigkeit von nicht zu beeinflussbaren Faktoren ...
Das stimmt nur zum Teil. Es ist allgemein eine Tendenz in Richtung Business Process Outsourcing festzustellen. Ich finde das persönlich nicht schlecht, weil man auch in den Geschäftsgang des Kunden eingebunden ist.
Wir versuchen ja auch immer wieder, Lösungen zu entwickeln, die auf Kundenseite zu Einsparungen führen, wie etwa Staffravel für Swiss. Transaction Banking zum Beispiel ist in den angelsächsischen Ländern weit mehr fortgeschritten als bei uns. Als Anbieter kann man sich neben Kriterien wie Anzahl Transaktionen zusätzlich mit vertraglichen Untergrenzen und Service Level Agreements absichern. (Interview: mh)
EDS hüben und drüben
EDS mit Hauptsitz in Plano, Texas, ist nach
IBM der weltweit zweitgrösste IT-Dienstleister und beschäftigt knapp 140’000 Angestellte in den Geschäftsbereichen AT Cearney (Management Consulting), Operation Solutions (Betrieb), Solution Consulting (Applikationsentwicklung) und PLM (Product Lifecycle Managemenet).
Umsatz 2002: 21,5 Mrd. Dollar, Gewinn 2002: Der Airline IT-Markt betrug weltweit 9,8 Mrd. Dollar im 2002, davon hielt
EDS 13%. (Quelle: IDC)
In der Schweiz ist EDS seit 1985 tätig. 1997 Übernahme Fides Informatik, Ende 2001 Übernahme Atraxis. Anzahl Mitarbeiter in der Schweiz: 1300. Wichtigster Kunde in der Schweiz im PLM-Bereich (Product Lifecycle Management) ist Pilatus Aircraft. Umsatz in der Schweiz im 2001 335 Mio. Franken. (Quelle: PAC)