Knatsch im Zürcher Gemeinderat

Der Gemeinderat der Stadt Zürich will die Realisation seiner Homepage nicht mehr länger der OIZ und der von dieser beauftragten IT-Firma überlassen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/15

     

Drei Jahre haben Stadtkanzlei und OIZ (Organisation und Informatik der Stadt Zürich) an einer Homepage für den Zürcher Gemeinderat gebastelt.
Jetzt platzte dem Ratsbüro der Kragen. Die mit ihren Kolumnen in der Pendlerzeitung «20 Minuten» bekannt gewordene Min Li Marti, Gemeindrätin und Mitglied der vom Gemeinderatsbüro gebildeten Subkommission Internet, zeigte sich gegenüber IT Reseller recht verärgert: «Was uns als Ergebnis vorgeführt wurde, ist selbst bei stark reduzierten Ansprüchen unbefriedigend und kann so nicht aufgeschaltet werden.
Das Büro hat jetzt einstimmig beschlossen, unter Umgehung des OIZ selber einen Anbieter zu suchen, der die Site gemäss unserem Konzept aufgrund eines Pflichtenheftes realisiert. Das wird zwar bis Frühjahr 2004 dauern, aber wenn wir weiter machen wie bisher, ginge es wohl allen schönen Worten des OIZ zum Trotz noch länger.»

Schwierigkeiten mit der Daten-Migration

Die Vorgeschichte des Debakels reicht bis ins Jahr 2000 zurück. Damals wurde dem Gemeinderat anlässlich des Plattformwechsels der IT der Zürcher Stadtkanzlei eine neue Homepage versprochen. Doch die Fertigstellung verzögerte sich ein ums andere Mal.
Als Begründung wurden Schwierigkeiten bei der Datenmigration genannt. Marti zeigt dafür ein gewisses Verständnis: «Das kommt vor», gibt sie zu, fährt aber fort, «das allein war nicht das Problem. Ständig wurden die Termine geändert, und die von der Kommission monierten Fehler wurden nicht oder nur unzureichend behoben.»
Die Volltextsuche habe überhaupt nie funktioniert. Und bis zwei Minuten Wartezeit für einen Seitenwechsel seien ja wohl auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Über die Schwierigkeiten mit den beauftragten Firmen – erst GFT, dann Antax – sei das Büro stets nur oberflächlich und beschönigend informiert worden.

«Zufriedenstellend»

Dagegen bezeichnet OIZ-Direktor Ulrich Hunkeler die Präsentation der Site gegenüber der NZZ als «zufriedenstellend». Dass noch nicht alles perfekt gelöst sein werde, habe man im voraus mitgeteilt. Entscheidend sei, dass jetzt die Behebung der Mängel bezüglich Zugriffsgeschwindigkeit bis Ende Oktober vertraglich zugesichert wurde.
Die Aufträge seien unklar gewesen und wegen der bereitzustellenden Daten hätten Stadtkanzlei und Gemeinderat wohl aneinander vorbeigeredet.
Das ist mittlerweile auch Marti aufgegangen: «Die Vertreter der Stadtkanzlei haben zwar immer gesagt, sie hätten verstanden, was wir wollten. Doch das Ergebnis ist allein auf die Bedürfnisse der Verwaltung ausgerichtet. Von Bedienerfreundlichkeit kann keine Rede sein, solange die Dokumente mit komplizierten Codes identifiziert werden müssen, die selbst ein Gemeinderat kaum nachvollziehen kann.»

Den Kunden nicht ernst genommen

Marti ärgert sich auch über den Ton des OIZ und führt als «Müsterchen» die Reaktion an, als die Kommission vor einigen Wochen bei einem Test darauf aufmerksam machte, dass einzelne Bilder nicht gezeigt würden: «Wer je eine Site aufsetzte, vermutet doch sofort einen falschen Pfad. Doch das OIZ hat uns ein Mail geschickt, wir sollen die Bildschirmauflösung überprüfen.»
Erst Wochen später seien dann die Pfadangaben korrigiert worden. Ausserdem erwähnt sie einen Brief von Hunkeler, in dem der OIZ-Chef sein Bedauern darüber geäussert habe, dass die Kommission noch immer nicht zufrieden sei. «Dabei waren einfach unsere Vorgaben nicht erfüllt. Da fühlt man sich doch als Kunde nicht ernst genommen», empört sich Marti.
«Dabei zeigt die Homepage des Kantonsrats (www.kantonsrat.zh.ch), wie eine bedienerfreundliche Behörden-Site aussehen kann. Wir möchten ja nur, dass Bürger und Gemeinderäte problemlos die Unterlagen zu den Ratsgeschäften finden. Von passwortgeschützten Bereichen für die einzelnen Kommissionen rede ich gar nicht, obwohl das ja auch keine Hexerei wäre.»
Wie die Geschichte auch immer weiter geht, eines scheint sicher: Die Fehlleistungen und Querelen dürften der Lösung der IT-Probleme von Stadtkanzlei und Gemeinderat weder terminlich noch finanziell besonders förderlich sein. (fis)


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