Im Mai hatte IT Reseller gemeldet, dass Rolf Herlig (Bild) mit der Softwarefirma Q3 wieder im Geschäft sei. Der frühere Inhaber von Sesam war nach der Übernahme durch
Sage noch Mitglied der Geschäftsleitung, bevor ihn der neue Besitzer im November 2001 entliess. Dann wurde es still um Herlig. Zwei Jahre später meldete sich der altgediente Software-Marketeer jedoch zurück: Er hatte sich auf Anfang 2003 in die
Q3 Software AG eingekauft und fungiert seither als deren Managing Director.
Der Artikel im IT Reseller vom Mai 2003 über Herligs Pläne mit Q3 stach wohl Sage Sesam ins Auge. Jedenfalls wurde dem IT Reseller ein auf den 10. Juni datierter Brief eines Zürcher Anwaltbüros zugespielt. Darin werden Herlig unter Berufung auf den ITR-Artikel rechtliche Schritte wegen Verletzung des in seinem Arbeitsvertrag festgelegten Konkurrenzverbotes angedroht, falls er nicht umgehend eine Konventionalstrafe von 80’000 Franken an Sage Sesam überweise.
Das sind recht markige Töne gegen einen Konkurrenten, der gegenüber Sesam in einem um einiges tieferen Segment des KMU-Marktes wildert und deutlich weniger Gewicht hat, selbst wenn die Q3-Software seit 1984 über den Retail-Markt 100’000 mal verkauft worden sein soll.
Die linke und die rechte Hand
Kurt Sidler, Geschäftsführer und Mitglied des Verwaltungsrates von
Sage Sesam, scheint über die Aktivitäten seiner Anwälte allerdings nicht im Bilde zu sein: «Ein Verfahren gegen Herlig wegen Missachtung des Konkurrenzverbots – das ist doch völliger Quatsch», meinte er auf die Anfrage von IT Reseller und war sehr schnell weg vom Telefon.
Vielleicht weiss in Zug die rechte Hand nicht so genau, was die Linke tut. Möglich aber auch, dass man bei Sage nochmals über die Bücher gegangen ist, denn der Vorwurf ist, wie Herlig versichert, nicht sehr hieb- und stichfest.
Der Brief bezieht sich auf einen Artikel des alten Sesam-Anstellungsvertrages, den Herlig seinerzeit noch mit sich selber abgeschlossen hatte. Herlig: «Mit dem Verkauf von Sesam im Jahre 1999 wurde dieser Vertrag ausser Kraft gesetzt und das Konkurrenzverbot neu auf zwei Jahre ab dem Verkaufsdatum festgesetzt. Diese Frist bis zum 28. November 2002 wurde in der Austrittsvereinbarung vom November 2001 nochmals explizit bestätigt.»
Steckt Guy Berruyer dahinter?
Bei
Sage Sesam hätte man die verschiedenen Verträge eigentlich kennen müssen. «Möglicherweise waren die Anwälte gar nicht im Besitz aller Dokumente», meint Herlig maliziös, «sonst hätten sie doch sehen müssen, dass etwas nicht stimmt.»
Aber wieso wurde der Brief überhaupt geschrieben? Herligs Verdacht trifft seinen alten Intimfeind, Sage Europa-Chef Guy Berruyer, mit dem er schon zu seiner Zeit als Sage Sesam-Geschäftsführer das Heu nicht unbedingt auf der gleichen Bühne hatte: «Das ist Berruyers Stil. Ich erinnere mich an andere Fälle, wo er sich dahingehend äusserte, dass man ruhig einen Anwalt drohen lassen soll, wenn man nicht weiter komme.
Der Gegner werde so zu Fehlern verlockt, die man dann ausnutzen könne. Das sind Machtspielchen, wie er sie mag.» Ein weiterer Grund sei möglicherweise auch darin zu suchen, dass Sage nach Sesam noch weitere Firmen in der Schweiz geschluckt habe. Vielleicht habe man deren früheren Eigentümern einen Warnschuss vor den Bug setzen wollen, um allfälligen Selbständigkeitsgelüsten vorzubeugen.
Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Herlig hat jedenfalls nicht bezahlt. Die angedrohten rechtlichen Schritte sind aber bisher ausgeblieben. Die Zukunft wird zeigen, ob die scheinbar so harten Bandagen sich nicht als Versuchsballon entpuppen werden, der vor allem warme Luft enthielt. (fis)