EBPP: Ein plötzlich heiss umkämpfter Markt

Die Grossbanken bezeichneten EBPP (Electronic Bill Presentment and Payment) als nicht rentabel, als es darum ging, sich für das Aus von Paynet zu rechtfertigen. Auf einmal sieht jetzt alles ein wenig anders aus.

Artikel erschienen in IT Reseller 2003/19

   

Die Rechnungsstellung und -bezahlung drängen sich schon lange für die vollständige Elektronisierung auf. Und eigentlich könnte das Ganze in der Schweiz auch schon seit Beginn dieses Jahrtausends aktiv sein. Bloss, der Internet-Hype und der anschliessende Crash haben die Telekurs-Tochter Paynet, das einst weltführende EBPP-System (Electronic Bill Presentment and Payment), zweimal zum Opfer grossbankinterner Richtungsmachtkämpfe werden lassen.
Jetzt steuert Paynet zum dritten Mal auf den Endkunden zu – mit der Business-Kundschaft wurde schon vor einem Jahr gestartet. Inzwischen gibt es aber im Retail-Geschäft eine grosse Konkurrenz: Die Post, die beim zweiten Paynet-Anlauf noch als aktivster Beteiligter mit dabei war, darauf aber – ohne von den Grossbanken gefragt zu werden – vor die Übungsabbruch-Tatsachen gestellt wurde, hat seit letztem Jahr mit Yellowbill ein eigenes System für den Endkunden im Angebot. Und im nächsten Jahr soll der Einstieg ins Business-to-Business-Geschäft (B2B) erfolgen.

In den Händen von SAP

Die Paynet-Software gehört seit Ende 2001 samt dem Entwicklungsteam dem deutschen ERP-Spezialisten SAP. Die Telekurs-Tochter Paynet hat sich beim Verkauf das exklusive Betriebsrecht in der Schweiz bis Ende diesen Jahres gesichert. Danach kann SAP theoretisch die Funktionalität, die Teil von MySAP-Financials ist, auch anderen in der Schweiz verkaufen, beispielsweise Banken oder E-Marktplätzen.
Paynet will nun, nachdem der B2B-Bereich schon ein Jahr operativ ist, ab Dezember nach und nach zwölf Banken mit ihrem B2C-System verbinden, angefangen wird mit der Zürcher Kantonalbank. Paynet selber wird dabei nur im Hintergrund als sogenannter Consolidator tätig sein.
Die Kundenschnittstelle bleibt bei den Banken, wie diese das beim ersten Übungsabbruch gefordert hatten. Grosse Volumen dürften in den ersten Monaten aber bei Paynet nicht anfallen. Schliesslich hat auch die Post bisher insgesamt erst rund 10’000 zumindest eingeschriebene Nutzer.

Mehrwertsteuerfähigkeit als Unterschied

Der Hauptunterschied zwischen Yellowbill und Paynet liegt in der integrierten Mehrwertsteuerfähigkeit von Paynet. Während sich die Post entschieden hat, ein möglichst schlankes System zu entwerfen und darum auf die digitale Signatur der Zahlungsbelege zu verzichten, ist Markus Hornburg, bei Paynet für die Kommunikation zuständig, der Überzeugung, mit diesem Feature gegenüber Yellowbill einen Trumpf in der Hand zu haben.
Die Post wiegelt jedoch ab: Yellowbill sei nichts anderes als ein virtueller Einzahlungsschein und die Archivierung darum Pflicht des Rechnungsstellers (Biller), so Adrian Sem, Leiter Billing Solutions bei Postfinance. Der Rechnungssteller muss also bei der Post trotz aller Elektronisierung immer noch den Papierbeleg aufbewahren, es sei denn, er baut selber eine digitale Signaturfähigkeit auf seiner Seite ein.

Unterschiedliche Strategien gegenüber Firmen

Aber auch gegenüber Unternehmen, die ihre Rechnungen künftig über EBPP stellen wollen, fahren Post und Paynet eine unterschiedliche Strategie. Bei Paynet fallen wegen des komplexeren Systems je nach der Tiefe der Einbindung ins ERP-System höhere Anschlusskosten an. Diese sollen auch in einem aufwendigen Fall unter 100’000 Franken liegen, so Hornburg. Die laufenden Kosten werden allerdings ausschliesslich durch die angeschlossenen Banken berappt.
Demgegenüber soll die Anschlussgebühr bei Yellowbill für eine getestete ERP-Software nur auf pauschal 500 Franken zu stehen kommen. Danach muss aber der Biller einen Grundtarif von 70 Rappen pro Rechnung bezahlen. Zur Zeit steht Yellowbill aber erst grossen Rechnungsstellern offen. Kleinere Unternehmen werden in einer zweiten Phase angehängt, wenn zum einen die Schnittstelle ihrer ERP-Software zertifiziert ist und zum anderen die meisten der 200 grössten Biller der Schweiz ihre Rechnungen über Yellowbill präsentieren.
Um den Softwarehäusern aufzuzeigen, wie sie ihre ERP-Lösungen für Yellowbill fit machen können, plant die Post eine Informationsveranstaltung.

Gespräch für Zusammenarbeit

Die Rechnungssteller sind über die Schweizer EBPP-Zweispurigkeit nicht gerade glücklich. Zurzeit sind Gespräche zwischen der Post und Paynet im Gang, wie Rechnungen möglichst einfach von einem System ins andere gestellt werden können. Die Frage dabei ist, ob die Biller zwei Schnittstellen benötigen oder ob eine Art Roaming-Fähigkeit integriert wird.
Derweil hat die Post bereits konkrete Pläne, auch ins B2B-Geschäft vorzudringen. Ab Mitte 2004 soll ein entsprechender Service produktiv werden. Noch nicht entschieden ist dabei, ob man dafür die B2C-Software erweitert oder mit einem Dritten zusammen ein neues, mehrwertsteuerfähiges System entwickelt.
Im reinen Business-Umfeld sind zudem ausser Paynet auch schon andere Anbieter aktiv. So verfügt zum Beispiel Swisscom IT Services auf ihrem elektronischen Marktplatz Conextrade über ein eigenes, E-Invoicing genanntes EBPP-System.
Damit balgen sich also schon bald mehrere grosse EBPP-Systeme um den Schweizer Markt. Da drängt sich die Frage auf, wieso ein Geschäft das die Grossbanken noch vor kurzem als nicht lohnenswert bezeichneten, jetzt für zwei rentabel sein soll. Der Vergleich mit dem Mobilfunk wird von den EBPP-Playern als Argument herangezogen, wo es auch Jahre dauerte, bis die Technik zum heutigen Geldesel ausgewachsen war. (Daniel Meierhans, InfoWeek)


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