Alles neu in der Bank von morgen

Mit dem Avaloq Banking System, der Swiss Banking Platform von CSC Schweiz und SAP, sowie der neuen Bankware von Finnova buhlen drei neue Bankenlösungen um die Gunst der Schweizer Universal- und Privatbanken.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/19

     

Gegenwärtig geistert ein Schlagwort durch die Finanzbranche: BPO (Business Process Outsourcing). Anstatt jeden Verarbeitungsschritt selber zu machen, sollen zukünftig ganze Geschäftsprozesse nicht mehr bankintern erledigt werden, sondern komplett an ein Partnerinstitut oder einen externen Dienstleister und Verarbeiter ausgelagert werden.
So könnte die Bank in ferner Zukunft ähnlich einer Luxus-Boutique verschiedene Produkte für ihre Kunden «konfektionieren» und in einem «Showroom» anbieten.
Die Fantasien bezüglich neuer Geschäftsmodelle gehen dieser Tage allerdings weiter als die Realität. Hemmschuh ist die Informatik: Oft lässt die im Einsatz befindliche Banken-Software solche tiefen Einschnitte in die traditionelle Wertschöpfungskette aufgrund ihrer veralteten Bauweise nicht zu.
Deshalb setzen neue Anbieter auf Schlagworte wie Offenheit, Flexibilität, Modularität und eben BPO, wenn es darum geht, den etablierten Informatikverbundsprojekten der Schweizer Kantonalbanken wie Agi (Swisscom IT Services) und Unicible Kunden abspenstig zu machen oder Privatbanken als Kunden zu gewinnen.

Avaloq bläst zum Angriff

Viel zu hören und zu lesen war in jüngster Zeit von der Zürcher Softwarefirma Avaloq. Diese mischt den Markt mit ihrem Gesamtbankenpaket auf und konnte zahlreiche Ausschreibungen bei Privatbanken für sich entscheiden. Im Rahmen eines Projektes für die Bank Linth will Telekurs die Avaloq-Software zudem im Outsourcing-Verfahren anbieten. Insbesondere im Wertschriftenhandel scheint die aus der BZ-Gruppe hervorgegangene Firma über Kompetenz zu verfügen.
Doch es gibt auch kritische Töne: «Das Lemming-Verhalten im Banken-Umfeld nimmt teilweise groteske Züge an», sagt ein auf Avaloq angesprochener Brancheninsider zu IT Reseller. Auch darf bei allem Hype nicht vergessen gehen, dass es sich um eine junge Firma mit beschränkten Ressourcen handelt.
Wenn viele Integrationsprojekte anstehen, sind diese schnell gebunden, worunter die Weiterentwicklung der Plattform leidet. Auch ist die komplette Lösung bislang nur bei Privatbanken im Einsatz. Avaloq versucht deshalb, bei den Universalbanken – etwa den Kantonalbanken – Fuss zu fassen.
Doch in diesem Markt existieren komplexere Anforderungen. Avaloq kann in Sachen Technologie, Architektur und Preis Punkte für sich verbuchen. Fraglich ist allerdings, ob das Unternehmen das anstehende Wachstum bewältigen kann.

Finnova: Neuentwicklung eines erfahrenen Anbieters

Als einziges der Schweizer Banken-IT-Verbundswerke hat Finis (heute Finnova), zu dessen Kunden unter anderen die Urner, Schwyzer und Schaffhauser Kantonalbank gehören, eine umfassende Lösung entwickelt. Zusammen mit Avaloq kann Finnova zu den Anbietern von neuen, integrierten Gesamtlösungen gezählt werden.
Während Avaloq bisher nur bei Privatbanken läuft, kann Finnova Universalbanken als Kunden vorweisen. Die erste Implementierung der neuen Finnova-Lösung soll Ende Jahr abgeschlossen sein, wie Geschäftsführer Charlie Matter erklärt.
Gegenwärtig verhandelt das Unternehmen zudem mit Rechenzentren: «Es ist als Anbieter ein logischer Schritt, Bankensoftware und Rechenzentrums-Leistung zu kombinieren», so Matter. Finnova sieht also durchaus noch Potential im Markt – als Paket oder im Outsourcing-Verfahren.

CSC teamt mit SAP

Ähnlich laut wie Avaloq tritt CSC mit ihrer Swiss Banking Platform (SBP) am Markt auf. Diese offene, modulare Architektur und Kernbankenlösung erlaubt es, Best-of-Breed-Komponenten zu einer flexiblen Gesamtlösung zu kombinieren. Im Fall der Zuger Kantonalbank wurden SAP-Banking-Module verwendet.
Laut dem Verantwortlichen Thomas Hilgendorff von CSC ist die Lösung auf dem «neuesten technologischen Stand». CSC will sie deshalb weiter vermarkten und Banken im In- und Ausland als Kunden gewinnen. Bis ins Jahr 2005 soll die SBP sukzessive erweitert werden. Als globaler Mega-Outsourcer verfügt CSC über Marktkraft und Ressourcen, um die Plattform bei weiteren Kunden zu implementieren.
Würde dies gelingen, wäre sie eine ernstzunehmende Bedrohung für einige der Verbundswerke. Denn im Gegensatz zu Avaloq hat die SBP ihre Universalbanken-Tauglichkeit schon unter Beweis stellen können.

RTC peppt das alte Ibis auf

Unter Beschuss der neuen Anbieter geraten in erster Linie die «alten» Informatik-Verbundprojekte der Kantonalbanken, also Agi, Unicible und RTC. Deren Lösungen seien aufgrund von veralteten Architekturen nicht in der Lage, die gesteigerten Anforderungen an die Flexibilität zu tragen. Während Finnova den Weg einer Neuentwicklung gewählt hat, ist das Real-Time Center (RTC) daran, seine Bankenlösung Ibis grundlegend zu modernisieren.
Ibis ist eine Gesamtbankenlösung, die seit dem Jahr 1974 kontinuierlich aufgebaut und erweitert wurde. Die Software wird unter anderem von der Migrosbank, den Aargauischen und Basler Kantonalbanken, der Banque Cantonale du Jura sowie diversen Regionalbanken eingesetzt.
Im Rahmen des im Jahr 2000 gestarteten und rund 60 Millionen Franken teuren Projektes «IbisMove» wird die auf Unisys-Grossrechnern betriebene Software bis 2005 «evolativ weiterentwickelt», wie Marcel Hofer, Leiter Marketing und Kommunikation der RTC erklärt.
Die Ziele sind ambitiös: Das neue Ibis soll die beschleunigte Markteinführung neuer Produkte ermöglichen, Internet-Technologien nutzen, Drittprodukte noch besser integrieren können und rund um die Uhr online verfügbar sein. Angestrebt wird nicht zuletzt auch die Plattformunabhängigkeit. «IbisMove ist ein fundamental wirkendes Infrastruktur-Projekt», so Hofer. Damit werde man die RTC-Banken in die Zukunft führen.
Rund 80 Banken mit einer Bilanzsumme von 142 Milliarden Franken und 4 Millionen Kunden benutzen die Ibis-Software. Diese Zahlen gilt es – bei aller Kritik an den IT-Verbundbetreibern der Kantonalbanken – im Marketing-Hagel der neuen Anbieter Avaloq und CSC im Hinterkopf zu behalten. (bor)


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