Gratis-Software als Anreiz für Blech-Kauf

Sun Microsystems hat auf der Sunnetwork-Konferenz in Berlin klarzumachen versucht, wie man in Zukunft Geld zu verdienen gedenkt: mit Billigangeboten für Hardware «billiger als Dell» und Software zum Nulltarif.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/22

     

Sun Microsystems hat ein Problem, das ist hinlänglich bekannt. Sowohl was Stückzahlen als auch Stückpreise der hochpreisigen Serversyteme angeht, ist der Markt zusammengebrochen und das Unternehmen verliert immer mehr Marktanteile an die Konkurrenz. Nun versucht die Company, einerseits mit Niedrigpreis-Servern, andererseits mit neuen Softwareangeboten die Umsätze wenigstens auf tieferem Niveau zu halten.
Darüber hinaus ist die geografische Ausbreitung ausserhalb der USA eine Wachstumsoption für Sun. Am 3. und 4. Dezember ging in Berlin dann auch die erste Sunnetwork-Konferenz ausserhalb der Vereinigten Staaten über die Bühne. Das Unternehmen setzt verstärkt auf Märkte wie den europäischen und nächstes Jahr soll es gar eine Sunnetwork in Asien geben.
Als Hoffnungszeichen für den Ausbau der Geschäfte in Asien dürfte der Vertrag mit der China Standard Software Company (CSSC) gewertet werden. Die CSSC hat sich entschlossen, den in Berlin offiziell lancierten Linux-Desktop von Sun, das «Java Desktop System» (JDS), landesweit einzusetzen. Dies dürfte zumindest einige hunderttausend Lizenzen von JDS abwerfen, an der Konferenz war gar von einem Potential von 10 Millionen Lizenzen und mehr die Rede.

Die grosse Sause

Doch zurück nach Berlin. Auf dem ICC-Messegelände hat Sun eine Schar von über 6000 Entwicklern, Kunden und Partnern, eigenen Sun-Delegierten aus allen europäischen Ländern und nicht zuletzt 180 Journalisten und Analysten, darunter viele aus Übersee, eingeladen – eine Monsterveranstaltung amerikanischen Ausmasses, für die eigens ein Busnetz im 20-Minuten-Takt die Teilnehmer zwischen über 20 Hotels und dem Messegelände hin- und herbeförderte.
Allein aus der Schweiz war eine Delegation von rund 100 Teilnehmern angereist, die beinahe einen ganzen Flieger der Air Berlin belegte – Nein, die Swiss hatte nicht genügend Plätze frei.

Viele neue Produkte

Den Teilnehmern kündigte CEO Scott McNealy an seiner Keynote in der mit den erwarteten Seitenhieben gegen Microsoft, IBM, HP und Dell gespickten Präsentation über zwanzig Neuheiten im Hard- und Softwarebereich an.
Neben der erwähnten Linux-Desktop-Lösung JDS sind dies – immer unter dem Motto «billiger als Dell» – u.a. neue x86-Blade Server (z.B. Sun Fire B100x, eine erste Frucht der Kooperation mit AMD, verwendet Sun doch hier den Mobile Athlon XP 1800-Prozessor), neue Netra 240 Server (Low-Cost-Server für die Telekommunikationsbranche), ein 64-Bit-Server mit Ultra SPARC IIIi-Prozessor, eine neue Sun Blade 2500 Workstation, eine neue Grid-Lösung (Sun Fire Visual) sowie Grafikbeschleuniger-Karten und Boards.

Unklare Verwendung des Java-Labels

Die neu analog zur Java Enterprise Solution angebotene Linux-Desktop-Lösung «Java Desktop System» (bisher unter dem Codenamen Mad Hatter) kann entweder direkt bei Sun oder über den iForce-Partnerkanal bezogen werden und kostet 100 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr. In einer Einführungsaktion wird JDS für 50 Dollar angeboten und für Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern ist das Paket sogar gratis erhältlich.
Mit dem Outsourcer EDS hat Sun vereinbart, gemeinsam Tools und Prozesse für JDS zu entwickeln. EDS wird diese zusammen mit Supportdienstleistungen anbieten und will Migrationsroutinen entwickeln, um den Umstieg von anderen Betriebssystemen her zu erleichtern.
Sun zielt selbstverständlich auf Konkurrent Microsoft und will sich einen Teil des Lizenz-Kuchens abschneiden, der laut Marktforschern vor allem im öffentlichen Sektor im Client-Bereich bis 2007 von heute 3,4 auf 10,4 Millionen Lizenzen ansteigen soll. Schliesslich ist geplant, dass JDS und auch JES (Java Enterprise Solution) bald auf AMDs Opteron laufen. Ob allerdings die Wahl des Java-Labels für die Verwendung von Linux-Lösungen (inklusive aller Sun-Softwareangebote) ein geschickter Marketing-Zug ist, lässt sich bezweifeln. Wer versteht schon, was ein Java-Desktop ist?

Geld verdienen mit Java?

Man kann höchstens mutmassen, dass die Wahl von Java im Namen von Linux-Bundles den Anleger an der Börse davon überzeugen soll, dass Java tatsächlich verkauft wird. Sun-Reseller werden es ihren Kunden erklären müssen. Sie nämlich sollen, wenn sie schon nichts oder wenig an den Lizenzen verdienen, von Service- und Supportgeschäften profitieren. Um JDS volumenmässig schnell zu pushen, sucht das Unternehmen deshalb weitere Händler.
Ein Sun-Delegierter sagte an einer Break-out-Session in Berlin, es werde immer wieder behauptet, Sun habe mit Java nie Geld verdient. Dies stimme nicht, denn bei allen Produkten, die Sun verkaufe, sei Java «drin». Auch wenn Sun sich niemals dazu wird durchringen können, einen Slogan wie «Java inside» einzuführen, so ist doch klar geworden: Die unter dem Java-Label laufenden Software-Pakete sollen dazu dienen, Sun-Server im Lowend- und Midrange-Bereich und Workstations zu pushen. Denn gratis gibt’s die Software nur, wenn man die «Kisten» gleich mitkauft. (mh)


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