Auch wenn die Schweiz keinen Meeresstrand hat: Das Thema «Offshore»-Entwicklung bewegt in letzter Zeit die Gemüter. Wo die einen grosse – und überlebensnotwendige – Sparmöglichkeiten wittern, befürchten andere die Abwanderung vieler Jobs oder sogar das Ende einer einheimischen Softwareindustrie.
Die Offshore-Idee an sich ist nicht neu. Die Pläne, Entwicklungsarbeiten in Billiglohnländer auszulagern haben aber heute eine höhere Verbreitung und oft wesentlich grössere Dimensionen als je zuvor. Mehrere Faktoren zusammen nähren den neuen Offshore-Boom, der wichtigste ist die serbelnde Konjunktur, die den Zwang zu Kosteneinsparungen drastisch erhöht.
Grundsätzlich kann man zwei Varianten des Offshore-Modells unterscheiden. Entweder werden Projekte an eigenständige Firmen vor Ort vergeben oder Softwarehäuser gründen Entwicklungszentren in Drittländern. Eine Schweizer Firma, die dieses zweite Modell erfolgreich praktiziert, ist Sunbay Software.
Kostenfaktoren
Sunbay wurde 1983 als Einmannfirma gegründet, um Schulungssoftware zu entwickeln. 1996 fasste man den Entschluss, «Offshore» zu gehen. Sunbay hatte Projekte an der Hand, musste aber feststellen, so Urs Gassmann, Sunbays Head of Business Development, dass man hierzulande die nötigen Entwickler nicht finden konnte oder sich nicht hätte leisten können.
Die Wahl der Ukraine lag nahe, da der Firmengründer Andre Wattenhofer dort gute Kontakte zu Entwicklern hatte. Diese kümmerten sich zusammen mit Schweizer Mitarbeitern vor Ort um den Aufbau eines ersten Entwicklungszentrums in Simferopol auf der Krim.
Die niedrigeren Löhne in einem Land wie der Ukraine sind eine Seite der Medaille. Dem stehen aber auch Zusatzkosten gegenüber. Ein wichtiger Kostenfaktor, erklärt Gassmann, ist zum Beispiel der hohe Zeitaufwand für ein qualitativ hochstehendes Schnittstellen-Management.
Schoggi gegen Wodka
Zwischen den Sunbay-Niederlassungen herrscht ausserdem ein reger Personenverkehr.
Die Ukrainer bringen im allgemeinen Wodka mit, die Schweizer, so Gassmann, müssen «massenhaft Schokolade» in die Ukraine mitschleppen, die dann dort in eigentlichen «Schoggiparties» konsumiert wird. Was hier lustig tönt, hat einen ernsthaften Hintergrund: Gute Kommunikation ist für erfolgreiche Zusammenarbeit unabdingbar.
Im Falle der Offshore-Entwicklung müssen nicht nur «Techies», Leute an der Verkaufsfront und Kunden, sondern auch Mitarbeitende mit verschiedenen kulturellen Hintergründen ein «Common Understanding» entwickeln. Das erfordert strukturierte Beziehungsarbeit – Arbeit die sich ganz konkret auf der Kostenseite niederschlägt. Sunbay führt zu diesem Zweck unter anderem jedes Jahr Workshops durch, um die Kommunikation zu trainieren.
Die genannten Probleme, erklärt Gassmann, sind eigentlich ganz normal, jeder Softwareentwickler kennt sie. Aber wenn man offshore entwickelt, fallen sie wesentlich stärker ins Gewicht.
Gassmann ist darum auch eher skeptisch über die Zahlen zum Einsparungspotential durch Offshore-Entwicklung, die teilweise herumgereicht werden: 30 bis 70% (je nach Projekt) findet er unrealistisch. Aber Potential ist natürlich vorhanden - sonst würde es Sunbay ja nicht machen. Gassmann siedelt die realen Einsparungsmöglichkeiten zwischen 20 und 30% an. (hjm)
Sunbay Software
Sunbay entwickelt kundenspezifische Softwarelösungen und neuerdings auch Software-Produkte im Offshore-Modell. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt etwas über 100 Mitarbeitende, 20 davon am Hauptsitz in Rüschlikon, den grössten Teil in seinen Entwicklungszentren in der Ukraine. Sunbay besitzt ausserdem noch kleinere Niederlassungen in den USA und Australien.
Sunbay erhielt im letzten Dezember den unter dem Patronat der Europäischen Union stehenden «Europe 500» Award, der für «dynamisches Wachstum und den damit verbundenen Beitrag zum europäischen Wirtschaftswachstum» verliehen wird.
VARs für Netsnapper gesucht
Kürzlich hat Sunbay Software sein erstes Software-Produkt zur Marktreife gebracht. Mit Netsnapper werden externe und mobile Mitarbeiter an ein Firmennetzwerk angebunden. Das Produkt kann nach Angaben von Sunbay alle möglichen Übertragungsnetze nutzen, z.B. GSM, GPRS, UMTS und öffentliche W-LANS («Hotspots»), sowie Festnetzverbindungen wie ISDN, ADSL, LAN oder Breitband-Kabel.
Netsnapper wählt entweder die schnellste oder die günstigste gerade mögliche Verbindungsart und wechselt sie automatisch. Zusätzlich werden die Daten. komprimiert und verschlüsselt. Sunbay sucht für den Vertrieb von Netsnapper weltweit Partner, insbesondere Service Provider und Systemintegratoren. Weitere Infos auf www.sunbay.ch.