Microsofts Beamten-Flüsterer

Seit letztem Sommer hat Microsoft einen «Behörden-Beauftragten». Er soll Lobbyarbeit in der öffentlichen Verwaltung leisten und wohl auch den Einsatz von Linux in den Behörden verhindern. IT Reseller sprach mit Markus Lengacher (Bild), Director Public Sector, über Microsofts Pläne mit der öffentlichen Hand.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/04

     

IT Reseller: Herr Lengacher, wieso leistet sich Microsoft neuerdings einen eigenen Direktor für den Public-Sektor? Steht Microsoft unter politischem Druck?
Markus Lengacher: Der Hintergrund ist ein anderer. Den Public-Sektor bei Microsoft gibt es weltweit seit 1. Juli 2003. Die Bereiche «Government» und «Education» wurden aus dem Grosskundengeschäft, der sogenannten «Enterprise-Gruppe», herausgebrochen, denn man hat gesehen, dass der Public-Sektor zum restlichen Grosskundenbereich immer weniger passt.
Darum unterliegt beispielsweise das Kaufverhalten in diesem Bereich meist gesetzlichen Bestimmungen wie den WTO/GATT-Auflagen. So benötigen wir von den Entscheidungszyklen her meist eine viel längere Zeit, d.h. die Beschaffungspolitik ist heute sicher ganz anders als in einem rein kommerziellen Umfeld.
Zudem wollen immer mehr Verwaltungen sowie auch Schulen und Fachhochschulen mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und haben vermehrt nach sogenannten «Public Private Partnerships» verlangt.

Wie zum Beispiel in Ihren .Net-Kompetenz-Centern?

Ja, vor 18 Monaten haben wir zusammen mit der Fachhochschule Rapperswil so ein Center eröffnet und im letzten Dezember ein zweites im Tessin. Zwei weitere sind in den nächsten sechs Monaten geplant.
Der Staat wollte von Wirtschaftsfirmen eigentlich bisher immer nur reine Beschaffung. Dabei geht es um Preisdumping, was aber ganz klar nicht unser Ziel ist. Wir wollen den Zugang zur Technologie bieten, aber auch Dienstleistungen bringen.
Derzeit arbeiten wir unter anderem zusammen mit einer öffentlichen Stelle an einem Projekt, Lehrern Supportmöglichkeit in der Form eines Lehrer-Helpdesks zu bieten. Das geschieht im Rahmen der sogenannten «Partners in Learning»-Initiative.
Dafür stehen in diesem Geschäftsjahr weltweit 250 Millionen Dollar zur Verfügung. Auch in der Schweiz werden wir Geld in die Hand nehmen, um Projekte wie die erwähnten Helpdesks zu finanzieren. Unser Beitrag soll bis hin zur Zertifizierungsmöglichkeiten für Lehrer über Technologiekenntnisse schon während des Studiums gehen.

Wie ist es um den Bereich E-Government bestellt?

Was den E-Government-Bereich in der Schweiz betrifft, haben wir im internationalen Vergleich sicher noch einiges Potential. Verschiedenen Studien zufolge, z.B. einer kürzlich von Cap Gemini durchgeführten, sind wir eher eines der Schlusslichter. Meiner Meinung nach wird E-Government durch den Föderalismus nicht unbedingt behindert. Ich denke sogar, er wäre eine Chance, die man nutzen könnte.
Ist E-Government oder die Entscheidung für respektive gegen Microsoft-Produkte in der Verwaltung heute ein politischer Entscheid oder Sache des IT-Verantwortlichen in der Behörde? Schleichen Sie täglich in der Wandelhalle des Nationalrats herum?

(lacht)

Sowohl als auch. Grundsätzlich denke ich, dass das Thema E-Government heute nicht auf der politischen Agenda ist. Sicher waren aber einzelne Komponenten, die E-Government zur Durchsetzung benötigt, wie zum Beispiel die digitale Signatur, sehr wohl schon auf der Agenda.
Für Politiker, die sich nicht täglich mit IT befassen, ist es sicher eine Herausforderung, solche Themen zu kommentieren, darüber zu debattieren und letztlich abzustimmen. Da stellt sich vielleicht auch die Frage, wie stark in dieser Situation ein Unternehmen wie wir einen Beitrag zur Know-how-Förderung leisten kann.

Wie geht das?

Wir informieren über Verbände, aber auch direkt im Parlament. Im Dezember haben wir zum Beispiel ein Zelt neben dem Bundeshaus aufgestellt. Dorthin hanen wir National- und Ständeräte eingeladen, um sie darüber zu informieren, welchen Beitrag IT zur Integration von Behinderten in den Arbeitsplatz leisten kann.
Wir engagieren uns also auf politischer Ebene sowie auf Verbandsebene und arbeiten natürlich ganz klar mit den Entscheidungsträgern in der Verwaltung zusammen.
Kommen wir zum Thema Open Source. Wie hoch ist der Druck der Behörden, auf Linux zu wechseln? Wie sehr steht Microsoft selbst unter Druck? Es heisst, Microsoft habe seine Public-Chefs dazu ermächtigt, die Preise zu senken, um Aufträge der öffentliche Hand zu ergattern, komme, was wolle. Haben Sie auch diese Vollmacht und wie tief dürfen Sie gehen?
Ich denke, die Preisgestaltung im Softwarebereich ist im Vergleich zum Hardwaremarkt, wo man immer noch sagen kann, wir haben diese und diese Produktionskosten usw., immer eine Herausforderung, egal in welchem Segment.
Wir geben unter anderem 6 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung aus, irgendwie muss das Geld ja auch wieder refinanziert werden. Wir haben heute gleich wie im Grosskundengeschäft entsprechende Lizenzmodelle.
Einerseits basiert alles auf dem Volumen und andererseits kommt es darauf an, welche Produkte der Kunde aufs Mal in den Vertrag reinnimmt. Die Spielregeln, respektive Lizenzbestimmungen, sind wie im rein kommerziellen Geschäft. Ich denke auch, die ganze Open Source-Diskussion ist nicht primär eine Frage des Preises.
Sicherlich versuchen Verwalt auch, einen möglichst attraktiven Preis zu bekommen. Vor einem Jahr war das Thema Open Source in den ersten sechs Monaten ziemlich emotional geladen. Die Medien haben Fälle aus dem Ausland aufgegriffen und gefragt, warum das die Schweiz nicht auch macht, wieso sie in dieser Beziehung nicht Vorreiter ist.
Gleichzeitig standen wir vor einer neuen Legislaturperiode und es gab Politiker die gesehen haben, dass sie eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie das Thema in den Medien aufgreifen.

Also ist die Presse Schuld und die Angelegenheit doch politisch?

Seitens der Presse stellen wir fest, dass etwa seit letztem Oktober eine Versachlichung der Angelegenheit stattgefunden hat – weg von den Emotionen hin zum Sachbezug, wie zum Beispiel Vollkostenrechung etc.
Man liest jetzt – und das ist das, was wir seit Jahren predigen – dass die Beschaffung von Lizenzen letztlich nicht mehr als 3 bis 4% ausmacht. Ich habe leider noch keinen Kunden kennen gelernt, der mehr als diese 3 bis 4% seines Informatikbudgets für Lizenzbeschaffungen ausgibt.
Auch in den Diskussionen, die wir heute mit den Verwaltungskunden haben, merken wir, dass sich der Druck seitens der politischen Behörde abgeschwächt hat.
Im September war ich in der Innerschweiz. Da gab es rund 60 Vertreter von Gemeindeverwaltungen, die Open Source thematisieren wollten. Sie hatten sich alle in der Vergangenheit für eine Microsoft-Plattform entschieden, um beispielsweise die Einwohnerkontrolle darauf laufen zu lassen.
Jetzt wollten vermehrt Gemeinderäte wissen, ob Open Source vielleicht doch billiger wäre. Eine nicht qualifizierte Zielgruppe versucht dort also Einfluss auf Informatikbeschaffung zu nehmen. Das ist nicht der richtige Weg.

Entscheiden sollte also der Informatikchef?

Ja. Die Frage heisst nicht, ob es Open Source oder Commercial Software sein soll.
Man sollte vielmehr schauen, welche finanziellen Mittel für die Informatik zur Verfügung stehen, und der Informatikchef sollte die Freiheit haben zu entscheiden, wie diese eingesetzt werden.
Und wenn der Informatikchef in der öffentlichen Verwaltung, genau gleich wie in der Privatwirtschaft, 10% einsparen muss und er das Gefühl hat, er könne das mit einer Microsoft-Plattform, dann sollte er darüber entscheiden und nicht die politische Behörde.

Solange er sich für Microsoft entscheidet.

Sowohl Open Source-Software als auch kommerzielle Software wird sich wandeln und man sollte sich grundsätzlich einmal darüber einigen oder zumindest eine Strategie ausarbeiten, nach welchen Kriterien im öffentlichen Umfeld Software überhaupt evaluiert und beschafft wird.

(Interview: sk)

Markus Lengacher ist seit elf Jahren bei Microsoft Schweiz. Er begann 1993, pünktlich zur Einführung des Volumenlizenzprogramms 1.0, mit zwei weiteren Mitarbeitern den Grosskundenbereich aufzubauen. Lengacher, damals für das Gebiet Bern/Mittelland verantwortlich, knüpfte von Anfang an Kontakte zu Verwaltungen und Universitäten.
Die letzten zweieinhalb Jahre leitete er die Enterprise-Gruppe, die im Juli 03 aufgeteilt wurde, und wurde für die abgespalteten Bereiche «Government» und «Education» zum Director Public Sector ernannt.


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