Staat ist Key Account für Webdienstleister

Namics spielt bei E-Government-Projekten in der ersten Liga. Doch wie viel Potential steckt im Geschäft mit der öffentlichen Hand? Könnte es gar bald erschöpft sein? IT Reseller sprach mit Namics-Partner Claudio Dionisio (Bild).

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/04

     

IT Reseller: Wie schätzen Sie das mögliche Volumen von E-Government-Aufträgen für die Schweizer Webdienstleister ein?
Claudio Dionisio: Zuverlässige Zahlen zur Marktgrösse gibt es keine. Zudem ist die Abgrenzung recht schwierig: Was ist nun ein E-Government- und was ein eher klassisches IT-Projekt. Trotzdem: Nach unserer Einschätzung ist – trotz Sparzwang und einigen nicht erfüllten Erwartungen – das Potential und die Notwendigkeit für Projekte im Verwaltungsumfeld weiterhin gegeben – sowohl auf Bundes- und auf kantonaler Ebene.
Ein dreistelliger Millionenbetrag in den nächsten beiden Jahren zusammen ist eine realistische Schätzung des Projektvolumens. Eine grosse Bedeutung für die Entwicklung von E-Government hat vor allem der Umstand, dass die Behörden immer mehr mit einer Generation von Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert sein werden, die mit dem Computer aufgewachsen ist und auch im Verkehr mit dem Staat nicht mehr auf solche Hilfsmittel verzichten will.
Welche Webdienstleister können davon überhaupt profitieren? Welche Rolle spielt etwa die
Grösse von Namics?
Da die verschiedenen Ämter und Behördenstellen meistens sehr heterogene Architekturen haben, spielen für die Webdienstleister die Technologie-Kompetenzen eine wichtige Rolle. Bei der Verbesserung des Service Public geht es aber auch um andere Kompetenzen, die in klassischen IT-Firmen meist nicht vorhanden sind: So muss eine Firma sattelfest in allen Fragen von Usability und WAI sein, dazu sehr qualitätsorientiert und stark im disziplinierten Projektmanagement. (WAI: Standards, um die Zugänglichkeit von Websites für Behinderte sicherzustellen. Anm. der Redaktion.)
Dies vor allem deshalb, weil im öffentlichen Bereich die Ausschreibungen sehr klar definiert sind und Konventionalstrafen äusserst schmerzhaft wären.
Solche Projekte erfordern von den Webfirmen zudem eine gute Referenzlage im öffentlichen
Bereich, da die Arbeitssituationen bei E-Government-Projekten und die Anforderungen etwa an den Effizienzgewinn in behördlichen Abläufen oft speziell sind. Die Kunden verlangen daher Erfahrung mit E-Government. Da hat es sich für uns gelohnt, dass wir auch zu E-Business-Hype-Zeiten den E-Gov-Sektor nie vernachlässigt haben. Dieser langfristige Aufbau ist wichtig.
Eine gewisse Grösse und Skills-Vielfalt ist ebenfalls gut, da sonst die Palette der nötigen Leistungen nicht abgedeckt werden kann. Ausserdem ist für Kunden der öffentlichen Hand Stabilität und Kontinuität sehr wichtig.
In der Schweiz ist der Grad der Nutzbarkeit behördlicher Dienstleistungen über das Web gemäss einer aktuellen Studie bei 55% angelangt. Wann wird das Potential erschöpft, d.h. die grossen E-Government-Aufträge vergeben sein?
Die Schweiz liegt laut eEurope-Studie (elektronisch verfügbare Dienstleistungen) in Europa gerade mal auf dem 15. Rang. Gegenüber den führenden Ländern wie Schweden haben wir noch sehr viel aufzuholen. Ich würde sogar sagen, dass man in der Schweiz die wirklich interessanten E-Gov-Projekte noch gar nicht richtig angegangen ist.
Das Potential ist also gerade für Anbieter mit guter Referenzbasis sehr gross. Die Schweiz hat noch lange nicht die brachliegenden Potentiale ausgeschöpft. Gerade wenn man wirklich Einsparungen erreichen will, bleibt noch viel zu tun. Wir sind daher auch daran, unsere geographische Präsenz in diesem Umfeld zu verstärken.
Wie gross ist der Anteil der E-Government-Projekte bei Namics zur Zeit und welche Bedeutung hat
das neue Behindertentauglichkeits-Gesetz?
Der Bereich E-Government hat bei uns in den beiden letzten Jahren stark zugenommen. Heute stammen aus ihm gegen 20% der gesamten Namics-Umsatzes, vergleichbar mit den Branchen Consumer Goods, Financial Services und Telekommunikation.
Das seit Beginn dieses Jahres gültige Behindertengleichstellungs-Gesetz spielt für die Projektentwicklung eine eher untergeordnete Rolle, aber es gibt einige Anfragen, etwa für Audits und konkrete Anleitungen. So konnten wir gerade letzte Woche auf Bundesebene für 100 Webverantwortliche einen Ausbildungstag durchführen. Da jedoch viele der Anpassungen für barrierefreie Webauftritte relativ einfach und schnell gemacht werden können, hält sich das Projektvolumen in Grenzen.
Welche Strategie verfolgt Namics im E-Government-Umfeld? Welche Projekt-Eingaben und -Grössen sind für Namics von zentraler, welche von weniger zentraler Bedeutung?
Ein interessanter Bereich, denn einerseits haben die Bürger und Bürgerinnen höhere Ansprüche im Umgang mit dem Staat. Andererseits ist es nun mal eine Tatsache, dass es heute auch auf Behördenseite weniger Mitarbeiter als vor einigen Jahren braucht, um bessere Resultate zu erzielen. Die Technologie hat sich verbessert, dazu weiss man in vielen Verwaltungen heutzutage besser, wo und wie sie effizienter werden können.
Für Namics sind die kreative Neugestaltung der Beziehung des Staates zum Bürger und effizientere Abläufe innerhalb der Verwaltungen ein strategisches Geschäftsfeld. Wir sind, vor allem was Projekte des Bundes und der Kantone, aber auch grössere Projekte von Städten betrifft, sehr präsent. Weniger oft beteiligen wir uns an Ausschreibungen, wo standardisierte Gemeindesites mit nur wenigen Funktionalitäten geplant sind.
(Interview: mh)


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