Wenn Märkte verschmelzen

Die Konvergenz von IT und CE bietet besonders dem Fachhandel ein grosses Zukunftspotential. IT Reseller hat CE- und UE-Händler befragt, wie sie diese Entwicklung im Alltag integrieren und wo sie ihre Chancen sehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/15

     

Die Übergänge von Consumer Electronic zu Informationstechnologie und Telekommunikation gestalten sich immer fliessender. Stand das Kürzel CE früher nur für Radio und TV, so umfasst das Spektrum heute Produkte und Technologien wie beispielsweise Internet, Breitband, mobile Kommunikation, digitale Kameras oder DVD-Geräte. Ein PC wird zur Schaltstelle im Haus und ersetzt traditionelle Produkte der Unterhaltungselektronik. Mit einem Multimedia-PC, der mit einem LC-Display und einem Soundsystem verbunden ist, lassen sich DVDs und Fernsehprogramme anschauen, Musik aus dem Internet herunterladen und abspielen. Das Internet wird nicht nur für E-Mails und Recherchen im Netz genutzt, sondern auch zum Telefonieren mit Voice over IP.

82 Prozent im Trend

Im Zeitalter der Digitalisierung haben sich die Wünsche und Bedürfnisse der Anwender grundlegend geändert. Immer wichtiger sind, neben der Nutzung neuester Technologien, auch der Zugriff auf Informationen, Entertainment und Services, und das jederzeit und überall. Aber je einfacher es für den Anwender wird, desto komplexer wird die Welt für den, der die Lösungen aufbaut, betreut und pflegt.
Die von IT Reseller durchgeführte Umfrage zum Thema «Konvergenz von IT und Consumer Electronic» hat ergeben, dass 82 Prozent der befragten Fachhändler aus dem CE- und UE-Channel sich bereits auf die Verschmelzung der Märkte eingestellt, organisatorische Änderungen bereits vorgenommen haben oder planen und entsprechend auch grosse Wachstumschancen sehen.

Potential Dienstleistungen

Grösstes Entwicklungspotential sehen fast alle befragten Fachhändler im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die wiederum mehr Umsatz einbringen sollen. Doch es scheint, dass viele Händler erst am Umdenken sind und das Dienstleistungsangebot als zusätzliche und vor allem lukrative Einnahmequelle entdecken müssen. «Der Fachhandel muss lernen, die Dienstleistungen zu verrechnen», bringt es Hanspeter Plüss, Geschäftsführer EP Plüss in Safenwil, auf den Punkt. Galt beispielsweise die Konfiguration des Handys als selbstverständlicher und vor allem kostenloser Kundenservice, so wird heute diese Dienstleistung in Rechnung gestellt. Zahlreiche Händler bekräftigen Plüss’ Aussage und haben diese Praktik auch eingeführt, die auf dem Markt bereits gang und gäbe ist.
Das wachsende Angebot an CE- und IT-Produkten ist ein weiterer Aspekt, den die Befragten als positiv bewerten. Denn mit einem grösseren Produktportfolio lässt sich nicht nur mehr Umsatz generieren, sondern auch ein breiteres Kundensegment ansprechen. Für Markus Wolf, Geschäftsführer der Firma W. Albrecht in Niederglatt, liegen die Vorteile eines grösseren Portfolios auf der Hand: «Unsere Kunden sollen für all ihre elektronischen Probleme, wenn möglich, nur einen Ansprechpartner haben.»

Ohne Investitionen geht nichts

Ein grösseres Portfolio verlangt aber auch ein breiteres Fachwissen. Wolf trifft mit seiner Aussage einen wunden Punkt, denn Generalist wird man nicht von heute auf morgen. Es braucht vor allem geschultes Personal. Nicht jedem Fachhändler ist es möglich, vom Vertrieb über die Beratung und Konzeption bis hin zur Installation alles anzubieten. Mehr als 85 Prozent der Händler wollen aber vermehrt in die Ausbildung der Mitarbeiter investieren. Hanspeter Plüss: «Es ist viel aufzuholen. In der IT hat man nur eine Chance, wenn man eigene Erfahrungen hat und neue sammeln kann.» Plüss spricht das fehlende IT-Know-how im CE-Channel an, das die Konvergenz mit sich bringt. Mit Kursbesuchen, im Selbststudium und einem Beziehungsnetz an Spezialisten wollen sich die Händler das fehlende Wissen aneignen. Paul Scheibling, Inhaber der gleichnamigen Firma in St. Gallen: «Es werden sich auf Dauer nur jene UE-Fachhändler auf dem Markt behaupten, welche gewisse IT-Produkte kombiniert mit klassischer UE kompetent anbieten.» Hans Gfeller, Geschäftsführer von Gfeller Radio Television im bernischen Steffisburg, spricht gar davon, dass sich der UE-Fachhändler vom klassischen UE-Händlerkonzept lösen muss, um überleben zu können.

Nicht nur Radio und TV

Dass sich das klassische UE-Händlerangebot im Wandel befindet, beweist nicht zuletzt das Produktportfolio der befragten Händler. Das Sortiment zeigt, dass die Konvergenz zwischen den Produkten der IT und Consumer- und Unterhaltungselektronik längst am Spielen ist. Neben LCD- und HDTV-fähigen TVs (95,5%), DVD/Harddisk-Recording (90,9%), Plasma-TVs (86,4%) finden sich im Angebot der Fachhändler auch Home Theater/Beamer (77,3%), MP3-Player (72,7%), Sound Systeme und Multimedia-PCs (je 68,2%), Foto-/Filmkameras (63,6%) sowie Fotodrucker und Scanner (63,6%). Rund ein Viertel der Befragten bietet auch Satellitenempfangssysteme an – Installation inklusive, versteht sich. Mehr als die Hälfte führt Home-Networking-Produkte im Sortiment, und Windows Media Center sowie DVB-T-Receiver mit je 46% sind ebenfalls Produkte, die sich nicht nur im Angebot finden, sondern deutliche Wachstumsmöglichkeiten versprechen. Mehr als die Hälfte der befragten Händler glaubt, dass von diesen Produkten künftig deutliche Impulse ausgehen werden und überdurchschnittliches Entwicklungspotential besteht. Die Top-20-Liste der vielversprechendsten Produkte (siehe Kasten) wird aber erwartungsgemäss von LCD-TVs mit 63,6% und HDTV-fähigen TVs mit 59,1% angeführt.

Kompetenz versus Preis

Neue Produkte sowie unterschiedliche Standards und Technologien eröffnen den Anbietern zwar neue Chancen, gleichzeitig aber auch das Rennen um den hartumkämpften Markt. Wer wird das Multimedia Center der Zukunft – das sowohl mit IT- als auch CE-Features ausgestattet ist – an den Mann beziehungsweise an die Frau bringen? Trumpft der CE-/ UE-Händler oder kann sich der IT-Channel durchsetzen?
Bei erklärungsbedürftigen CE-Produkten wird sich der UE-Handel vorerst sicher mit Beratungskompetenz und Services profilieren können. Mit Argumenten wie direkter Kundenkontakt, bessere Kundenbetreuung, höheres Fachwissen, qualitativ hochwertigere Produkte, eigenes Ladenlokal mit einer Werkstätte und/oder einem Showroom treten die UE-Händler gegen die IT-Konkurrenz an. Nicht zu unterschätzen ist vor allem die direkte Schnittstelle, die der UE-Handel zum Endkunden pflegt. Die in diesem Segment tätigen Händler sind sich dieser Vorteile sehr bewusst, wissen aber auch, dass Stillstand das Ende bedeutet. «Jeder, der sich nicht weiterentwickelt, wird untergehen», so Oliver Stotz, Geschäftsleiter von Comtec Howag aus Glattbrugg. Markus Wolf setzt auf die Vielfalt und möchte sich nicht festlegen, ob der CE-/UE- oder der IT-Handel die Nase in Zukunft vorne haben wird. «Das Rennen macht der, der beides anbieten kann», meint er.
Gegen die etablierte Konkurrenz des UE-Channels könnte den IT-Händlern die zunehmende IT-Lastigkeit der Geräte als Trumpf in die Hände fallen. Denn unterschiedliche digitale Standards, wachsende Anzahl von Schnittstellen oder das digitale Innenleben der Produkte dürften für IT-Spezialisten kein Problem sein. Ob jetzt IT-Händler CE-Produkte oder CE-/UE-Händler IT-Produkte vertreiben – erfolgreich sein können beide, sofern sie sich überlegen, welches Kundensegment sie letztlich bedienen wollen, welches Sortiment für sie das Richtige ist und wo ihre Sortimentsgrenzen liegen.

Aldi, Lidl, Media Markt & Co.

Während der Fachhandel auf Kompetenz und Lösungen setzt, überbieten sich die Flächenmärkte und Food-Discounter mit ruinösen Preiskämpfen. Mit grossen Ladenlokalen, einem ausladenden Sortiment und günstigen Preisen locken sie scharenweise Schnäppchenjäger an und profitieren von der «Geiz ist geil-Mentalität».
Davon beeindrucken lassen sich die CE-Spezialisten laut der IT-Reseller-Umfrage jedoch nicht sonderlich. Nur gerade 22,7 Prozent sehen in Aldi, Lidl, Media Markt & Co. eine erhebliche Konkurrenz. 54,5 Prozent empfinden die Discounter als mässige Konkurrenz und 22,7 Prozent lassen sich nicht durch den Retail stören. Hanspeter Plüss sieht sogar einen Vorteil in der Konkurrenz: «Die Grossmärkte bringen uns mehr Kundschaft, weil viele überlastet sind mit Installation und Bedienung.» Branchenkollege Paul Scheibling sieht vor allem in der zunehmenden Komplexität einen Nutzen für den Fachhandel. «Die Fläche kämpft nur über den Preis, wir haben die Kompetenz, das heisst, je schwieriger die Fragestellung – vernetztes Wohnen –, desto grösser die Chancen für den Fachhandel.» Monika Meschinski, Geschäftsinhaberin von Radio TV Winter, Basel, sieht das Problem nicht nur beim Billiganbieter selber, sondern auch beim Kunden: «Konsumenten kommen mit einer Preisvorstellung zu uns, die wenigsten sehen aber den besseren Nutzen.» Meschinskis Meinung wird vom Fachhandel weitgehend gestützt. «Kunden machen ihren Kaufentscheid oft nur vom Preis abhängig und interessieren sich nicht für Details wie Qualität oder Funktionalität. Im Nachhinein kommen sie aber und reklamieren über die mangelnde Bildqualität», meint ein Händler, der nicht genannt werden will. Zu schaffen machen dem Fachhandel aber auch die Kunden, die sich Geräte beim Spezialisten von A bis Z erklären lassen, dann das Produkt aber beim Discounter kaufen. Die Mehrheit der Fachhändler ist aber trotz allem überzeugt, dass sich ihre Geschäftsform dank Kompetenz, einem breiten Angebot an Dienstleistungen, hochwertigen Produkten und dem persönlichen Kundenservice gegen die Retailer durchsetzt. «Media-Markt-Gerümpel kann man nicht mehr im Fachhandel verkaufen, Hochwertiges und Dienste schon», bemerkt ein ebenfalls anonym bleibender Händler.

Positiver Geschäftsverlauf

Die CE-/UE-Händler geben sich selbstbewusst und zuversichtlich, was ihre Zukunft und die eigene Positionierung auf dem Markt angeht. Kein Wunder, sind doch 82 Prozent der Händler mit dem heutigen Geschäftsverlauf im Vergleich zu den Vorjahren zufrieden. Im CE-Bereich, wo im Vergleich mit den IT-Produkten noch gutes Geld mit Margen gemacht werden kann, sind Umsatzzuwächse gemäss der IT-Reseller-Umfrage von mehr als 15 Prozent keine Seltenheit. Dass die Margen aber bereits am Zusammenbrechen sind, zeigt, dass für die gleiche Marge grössere Stückzahlen verkauft werden müssen und auch der Arbeitsaufwand nicht weniger wird. Von nichts kommt nichts – auch im CE-Channel nicht.

Ein Blick in die Zukunft

Die Ablösung der alten analogen durch digitale Produkte hat eine Vielzahl neuer Geräte hervorgebracht. Laut einer Marktanalyse der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und des deutschen Branchenverbandes Bitkom werden Flachbild-TVs, DVD-Recorder, MP3-Player, digitale Camcorder und Kameras die Renner im Weihnachtsgeschäft 2005 sein. Den grössten Boom erhoffen sich die Schweizer Fachhändler beim Zukunftsfernsehen High-Definition. Die sogenannten HDTV-tauglichen Geräte stehen an oberster Stelle bei den möglichen Absatzrennern des diesjährigen Weihnachtsgeschäfts. LCD- und Plasma-TVs, Flachbildschirme jeder Art, DVD-Recorder, Home-Theater-Systeme, aber auch UMTS- und Fotohandys sollen ebenfalls für volle Weihnachtskassen sorgen. Der Boom in der Unterhaltungselektronik hat erst richtig begonnen, und ein Ende ist nicht abzusehen. (pbr)

Entwicklungspotential

LCD-TVs 63,6%
HDTV-fähige TVs 59,1%
Home-Networking 54,5%
Windows Media Center 54,5%
Plasma-TVs 45,5%
DVD/HD-Recording 40,9%
Home Theater/Beamer 36,4%
Multimedia-PCs 31,8%
Speichermedien 27,3%
MP3-Player 18,2%
Handys 18,2%
DVB-T-Receiver 18,2%
Sound-Systeme 13,6%
Consumer-Notebooks 13,6%
Smartphones 13,6%
Streaming Media Solutions 13,6%
Mobile Video 9,1%
Foto-/Filmkameras 4,5%
Fotodrucker/Scanner 4,5%
PDAs 4,5%
Andere 4,5%
n=121 Quelle: IT Reseller


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