Wenn Tatung bis heute von sich reden machte, dann höchstens in IT- und CE-Herstellerkreisen. Denn bis Mitte 2004 konzentrierte sich das taiwanische Unternehmen ausschliesslich auf Fremdaufträge von Firmen wie HP,
Fujitsu Siemens,
Intel und
IBM sowie
Philips,
JVC,
Sharp, Akai und Hitachi. Eine Liste, die sich wie das «Who is Who» der Branche liest und sich noch beliebig mit grossen Brands erweitern lässt. Für all diese Firmen produziert der Konzern im Auftrag alles, was das IT- und CE-Herz begehrt. Vom LCD-TV über Mediaplayer bis hin zu PCs und Server ist alles mit dabei.
Dass die Taiwaner so gut im Geschäft sind erstaunt kaum, denn das «No-Name-Unternehmen» kann auf 87 Jahre Erfahrung und ein dementsprechendes Know-how zurückgreifen. Ausserdem verfügt Tatung über 17 Fabriken in 12 Ländern und einen Mitarbeiterbestand von 35’000 – davon 750 Ingenieure. Dazu kommen eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Taiwan und den USA. Eine beachtliche Grösse, wenn man bedenkt, dass dieser Konzern bis anhin eher im Hintergrund für andere grosse Namen tätig war.
Bescheidene Mittel
Wie das Unternehmen anlässlich einer Pressekonferenz verlauten liess, soll sich das jetzt ändern. Der Name Tatung soll zum Brand aufgebaut und so zur Konkurrenz von vielen Partnern werden, für die Tatung produziert. Diesen Schritt zu wagen und eventuell damit rechnen zu müssen, dass bisherige Partner abspringen könnten, scheint logisch. Denn im Bereich Original Equipment Manufacturer (OEM) wird der Margendruck ständig grösser. «Da OEM heutzutage nicht mehr so interessant ist und immer weniger Geld bringt, müssen wir auf alternative Standbeine setzen», sagt Tatung-Country-Manager Martin Böttner (Bild), der für den Aufbau der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) verantwortlich ist.
Für den Markteinstieg stehen Böttner allerdings nur bescheidene Mittel zur Verfügung. Denn obwohl der Konzern 2004 weltweit einen Umsatz von acht Milliarden Dollar erwirtschaftete, kann die Region DACH nicht mit teuren Werbeaktionen klotzen, wie Böttner bestätigt: «Erst müssen wir verkaufen, und was davon übrig bleibt, kann ins Marketing investiert werden», so die klare Direktive aus Taiwan. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, sich mit bescheidenen Mitteln neben der bestehenden Konkurrenz zu etablieren. Böttner versucht dieses Ziel über das Preis-Leistungs-Verhältnis zu erreichen.
Ambitiöse Ziele für 2006
Ausserdem sollen sich die angebotenen Geräte auch deutlich von denen der Mitstreiter abheben, wie Sandra Widmer, Pressesprecherin von Tatung Deutschland, bestätigt: «Unsere Geräte unterscheiden sich in wichtigen Details von den anderen. Beispielsweise kann unser Portable Media Center mit TV-Auflösung direkt vom Fernsehgerät aufnehmen und wiedergeben. Andere Geräte haben weder TV-Auflösung noch können sie aufnehmen.» Und da soll es noch einiges mehr geben.
Um im Schweizer Markt erfolgreich einsteigen zu können, wählte Böttner den verhältnismässig kleinen Lachener Distributor Portacomp als exklusiven Vertriebspartner. Entsprechend wurden auch für Erik Unterhuber, Chef von
Portacomp, klare Ziele gesetzt. Während in der DACH-Region für 2006 das ambitiöse Ziel von zirka 70 Millionen Euro erreicht werden soll, müssen in der Schweiz davon drei bis fünf Prozent oder zwischen drei und dreieinhalb Millionen erwirtschaftet werden. Ambitiöse Ziele deshalb, weil der erwartete DACH-Umsatz für 2005 gerade mal bei zehn Millionen Euro liegt.
Ob die Umsatzsteigerung um 700 Prozent innerhalb eines Jahres gelingt, ohne über ein üppiges Marketingkonto zu verfügen, darüber richten nicht zuletzt die Kunden. Und das nur dann, wenn es Tatung gelingt, dem Kunden plausibel zu machen, dass der «No Name» eben kein «No Name» ist, sondern ein alter Hase in der Herstellung von Informations- und Unterhaltungselektronik. Zudem dürfte ja sicher schon der eine oder andere Kunde ein Gerät Zuhause stehen haben, welches von Tatung im Auftrag eines namhaften Brands gefertigt wurde. Denn wo eine Topmarke drauf steht, kann auch Tatung drin stecken.
Mit CE-Produkten an den Start
Die Produktpalette, mit der Tatung den Markteinstieg anstrebt, liegt vorerst im Bereich Consumer Electronics. MP3-Player, Portable Media Center, LCDs und einem Smartphone, welches Ende 2005/Anfang 2006 den europäischen Markt erobern soll. Genauso sieht die Planung für die LCD-TVs aus. Verfügbar sind bei
Portacomp ab sofort die Portable Audio- und Videogeräte. Portacomp-Chef Erik Unterhuber plant keine umfangreichen Marketingmassnahmen: «Um den Verkauf anzukurbeln, wollen wir in erster Linie bestehende Kunden anschreiben», wie Unterhuber an der Pressekonferenz bekannt gibt. (sm)