Sunrise kämpft gegen Pearsoft-Gründer Neuweiler

Sunrise will unter der Kurznummer 1899 einen Telefon-Auskunftsdienst betreiben und liegt nun im Streit um die passende Internetadresse 1899.ch

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/01

     

Daniel Neuweiler (Bild), der frühere Boss von Pearsoft.ch, legt sich schon wieder mit einem grossen Telekommunikations-Unternehmen an: Zwischen dem umtriebigen Geschäftsmann und Sunrise ist ein Rechtsstreit um den Domain-Namen 1899.ch entbrannt.
Hintergrund der Auseinandersetzung bildet die Liberalisierung auf dem Markt für Auskunftsdienste. Ab dem Jahr 2007 erhält das altehrwürdige «Hundertelfi» Konkurrenz. Vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) wurden im Frühling 2001 Kurznummern für Telefon-Auskunftsdienste versteigert. Die Ex-Firma von Daniel Neuweiler, Pearsoft, beteiligte sich an der Auktion und erhielt eine Kurznummer zugeteilt.
Neuweiler, ein alter Internet-Hase, sicherte sich im Vorfeld der Auktion alle ausgeschriebenen Kurznummern als Internt-Domains bei der Switch. So verfügt er heute über eine eindrückliche Sammlung von einem guten Dutzend Nummern-Domains, worunter sich auch 1899.ch befindet. Das Problem mit dieser Nummer: Sie wurde Sunrise für den Betrieb einer Telefon-Auskunft zugeteilt, und die Telco-Firma ist alles andere als erfreut, nicht im Besitz der dazugehörigen Internet-Adresse zu sein. Sunrise-Anwalt Christoph Willi von der Kanzlei Naegeli&Streichenberg hat deshalb jetzt zum juristischen Vorschlaghammer gegriffen und Neuweiler vor den Friedensrichter zitiert.

Ein «Grosskunde» von Sunrise

Neuweiler ist über das Vorgehen von Sunrise schockiert. Auf der Website 1899.ch macht er seinem Ärger jetzt Luft. Was ihn am meisten nervt: Mit seiner Firma DNS-NET, dem Nachfolger der im September 2001 in den Konkurs geschlitterten Pearsoft, ist er Grosskunde von Sunrise: «Man hätte mich ja mindestens einmal persönlich kontaktieren und um diese Domain anfragen können, bevor man mit den Anwälten ins Haus fällt», so Neuweiler entrüstet gegenüber IT Reseller. Doch offenbar pflege die Rechtsabteilung von Sunrise vor der Einleitung von juristischen Schritten keinen Kontakt mit den Account Managern im eigenen Haus.

Rechtlich unklare Lage

Unklar ist auch die Rechtslage. Kann Sunrise wirklich ein Recht auf den Domain-Namen 1899.ch behaupten? Klar ist, dass beim Institut für Geistiges Eigentum noch keine Wort-, Bild- oder kombinierte Marke im Zusammenhang mit dem Auskunftsdienst registriert ist.
In der Tat macht der Sunrise-Anwalt aber auch nicht geltend, dass Sunrise markenrechtliche Ansprüche am Domain-Namen habe. In einem Gesuch um vorsorgliche Massnahmen, das IT Reseller vorliegt, zeigt sich vielmehr, dass Willi allein das Bundesgesetz über unlauteren Wettbewerb beizieht und Neuweiler zudem des Domain-Name-Grabbings bezichtigt. Ein solches Sammeln von Domain-Namen gilt in der Schweiz nämlich seit einem Grundsatzurteil des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der Domain Berneroberland.ch als widerrechtlich.
Neuweiler habe die Domains ohne ein objektiv schutzwürdiges Interesse und erkennbar zu Lasten Dritter ­registriert. Sunrise werde deshalb dar­an gehindert, ihren Auskunftsdienst unter diesem Domain-Namen im Internet zu bewerben.
Rechtlich könnte Neuweiler zum Verhängnis werden, dass auf sämtlichen von ihm registrierten Kurznummern-Domains keine Angebote zu finden sind. Wäre dies nämlich der Fall und würde er alle diese Domains seit Jahren für beliebige Dinge benutzen, dann dürfte es für Sunrise fast unmöglich sein, ihm den Domain­Namen 1899.ch streitig zu machen.
Auch die Swisscom interessiert sich für einen Domain-Namen, der im Besitz von Neuweiler ist: In diesem Fall geht es um 1811.ch. Unter der Nummer 1811 wird Swisscom nämlich ab dem Jahr 2007 den Nachfolger der Nummer 111 betreiben. «Wir befinden uns mit dem heutigen Eigner in Kontakt, um diese Domain zu erhalten», sagt Swisscom-Sprecher Christian Neuhaus. Offenbar setzt man beim Ex-Monopolisten auf Kommunikation statt auf juristische Keulen. Auch die Domain-Namen 111.ch und 111.com sind seit vielen Jahren von anderen Anbietern registriert. Im Hinblick auf die Ablösung dieser Nummer im Jahr 2007 habe man sich aber nicht dafür eingesetzt, diese Namen zu erhalten, so Neuhaus.

Sunrise gibt sich zugeknöpft

Die Presseabteilung von Sunrise gibt sich zugeknöpft: «Zu ihren Fragen können wir keine Stellung nehmen, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt», teilt Muriel Mathis mit.
Von aussen entsteht der Eindruck, dass Sunrise es bis anhin schlicht und ergreifend versäumt hat, sich um die Domain 1899.ch zu kümmern, und jetzt unter Zeitdruck ein juristisches Vorgehen wählen muss. Diesen Vorwuf will Mathis nicht stehen lassen: «Der Wettbewerb im Bereich der Verzeichnisdienste entsteht erst. Solange die Ex-Monopolistin die Nummer 111 noch brauchen darf, drängte sich eine intensive Bewerbung von Sunrise Info und 1899 nicht auf», so Mathis zu IT Reseller. Das mag stimmen – doch erklärt es noch nicht, warum Sunrise Neuweiler nicht schon vor Jahren einfach einmal um die Domain angefragt hat.


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