Viel Ware auf den grauen Märkten

HP und andere Hersteller haben zwar die Kontrollen rund um Special Bids und grosse Deals verschärft. Doch ein Augenschein von IT Reseller zeigt, dass vor allem aus Asien noch Unmengen graue Waren ins Land kommen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/02

     

Vor zwei Jahren hat HP die End User Verification (EUV) eingeführt. Damit will der Hersteller bei grösseren Deals und bei Lieferungen zu Spezialkonditionen überprüfen, an welchen Kunden die Ware tatsächlich geliefert wird. Hintergrund dafür bildete der während vieler Jahre im früheren Compaq-Channel exzessiv betriebene Missbrauch von «Special Bids» durch diverse Reseller. Doch auch wenn HP inzwischen ein scharfes Augenmerk auf die Geschäfte der Partner wirft, scheint dies auf die Verfügbarkeit der Produkte auf den internationalen Graumärkten keinen grossen Einfluss zu haben. Im Gegenteil.

Ein Insider packt aus

Gegenüber IT Reseller packt jetzt ein Schweizer Händler und Graumarkt-Insider aus: «Vor einigen Jahren waren es Schweizer Partner, die zu Special-Bid-Preisen zu viel eingekauft und die Broker beliefert haben. Über diese sind die Waren ins Ausland verschoben worden», erzählt er. Dann kam die Einführung der EUV durch HP: «Das brachte aber nicht viel. Heute läuft es einfach umgekehrt: Grosse Warenmengen aus Special-Bid-Geschäften kommen aus Deutschland, England oder jüngst vor allem aus den asiatischen Boom-Märkten über die Broker zurück in die Schweiz», so unser Informant. Das einzige, was sich wirklich verändert habe, seien die Lieferzeiten: «Die sind jetzt natürlich länger, weil die Ware aus dem Ausland kommt.» Allerdings gebe es in jedem Land noch Händler, die zuviel oder auf Lager einkaufen würden, so der Insider zu IT Reseller. Deshalb würden die Quellen der Broker auch nicht versiegen.

HP-Produkte in grossen Zahlen

Ein Blick in einige der vielen Offerten, die unserem Insider von seinen Brokern in den letzten Wochen unterbreitet wurden, bestätigt diese Aussagen. Einen HP-Server, den wir auf der Distributoren-Plattform Concerto zu einem Händlereinkaufspreis von 4100 Franken finden, offeriert der Broker für 3500 Franken. Eine Festplatte für ein HP-Speicherrack und einen normalen Einkaufspreis von 580 Franken will er uns für 480 Franken verkaufen. Keine Frage: Diese Ware kommt nicht aus der Schweiz. Sie stammt offenbar aus grossen Deals zu Special-Bid-Konditionen oder aus den Überbeständen eines Distributors oder eines Resellers, dem HP das Lager bis unter die Decke vollgestopft hat. Diese Broker oder IT-Beschaffungsspezialisten, wie sie sich auch nennen haben Hochkonjunktur.

Carepacks bis 30 Prozent günstiger

Auch das Problem mit der Garantie, das die Hersteller der günstigen Brokerware immer wieder andichten, gehört der Vergangenheit an: «Beim Broker sind auch HP Carepacks zu bekommen, und zwar rund 30 Prozent günstiger als bei HP Schweiz», erzählt unser Insider. Carepacks sind Garantie-Verlängerungen oder -Verbesserungen. Sie beinhalten etwa eine schnelle Reaktionszeit oder On-Site-Support für eine bestimmte Anzahl Jahre. Der Trick: Carepacks aus dem Ausland lassen sich in der Schweiz online anmelden, da HP deren Herkunft offenbar nicht registriert. Wer also bei einem Broker ein Carepack aus dem Ausland kauft, kann dieses problemlos in der Schweiz anmelden und bekommt hier den entsprechenden Service. Konkret heisst das, dass Techniker von HP Schweiz wohl öfter einmal ausrücken, um einen in Asien gekauften Server basierend auf einer ebenfalls nicht im Inland gekauften Garantie zu reparieren. War­um kauft unser Insider bei den Brokern ein? «Warum soll ich mich mit 5 bis 10 Prozent Marge zufrieden geben, wenn ich auch 20 oder mehr haben kann?», fragt er lachend zurück.

HP: «Wir tun alles gegen den Graumarkt.»

Keine Frage: Die weltweiten Graumärk­te für Computerprodukte und Computerperipherie boomen. Vor allem Festplatten, Memory-Module, SAN-Arrays, Server-Switches, Controllers, Netzteile oder Tape-Drives sind in rauhen Mengen vorhanden. Dass die Einführung der EUV durch HP nicht viel gebracht hat, diese Meinung vertritt auch Andreas Kleeb, CEO von RedIT: «Dass man die Finger drauf hat, ist in Ordnung, schliesslich sind Special Bids ja für einen speziellen Kunden bestimmt. Doch was die Broker-Kanäle angeht, hat sich nicht viel verändert. Die Ware ist nach wie vor verfügbar. Dies rührt daher, dass immer noch Bids gewährt oder zu hohe Lagerbestände in den Markt hinausgeworfen werden», sagt er zu IT Reseller.
Eine andere Meinung vertritt natürlich Beat Welte, Head of Public Affairs von HP Schweiz. Er will den Vorwurf der Untätigkeit so nicht gelten lassen: «Wir machen sehr viel in Richtung EUV. HP hat überhaupt kein Interesse daran, dass eine Graumarkt-Situation besteht und tut global mit einem dedizierten Team sehr viel, um den Graumarkt zu bekämpfen. Auch HP Schweiz als gewinnorientierte Landesorganisation hat kein Interesse, dass Graumarkt-Importe aus dubiosen Quellen ins Land kommen – das geht ja von unserem Geschäft ab», sagt er zu IT Reseller. Nach dem Verkauf der Ware werde bei HP über die Seriennummer stichprobenartig kontrolliert, ob Produkte, die über Spezial konditionen bestellt wurden, an den richtigen Kunden geliefert wurden. Partner, welche sich nicht an die entsprechenden Second-Tier-Verträge mit HP halten würden, müssten mit Massnahmen rechnen, die vom Entzug der Spezialkonditionen bis hin zu gerichtlichen Schritten reichten.

HP beschwichtigt

Bei HP Schweiz wird die Verfügbarkeit von HP-Waren auf den Graumärkten allerdings konservativer eingeschätzt, als der Augenschein von IT Reseller bei den Brokern vermuten lässt: «Punktuell und produktspezifisch betrifft das Thema auch HP», so Welte beschwichtigend. Zudem betont er, dass Country Manager Urs Fischer seit seinem Amtsantritt sehr viel unternommen habe, um das Problem im Inland zu bekämpfen: «In den letzten zwei Jahren hat sich die Situation deutlich verbessert», sagt Welte. Was auf den Graumärkten erstandene Carepacks angeht, für die in der Schweiz eine Serviceleistung erbracht wird, hält Welte fest, dass HP diese Dienstleistungen in den meisten Fällen selber erbringen und über eine weltweite Datenbank nachvollziehen könne, woher Produkte und Komponenten stammten: «Inwiefern und ob aber Partner von HP-Dienstleistungen für Graumarkt-Produkte erbringen, entzieht sich unserer Kenntnis», ergänzt er.

Nicht alle Hersteller gleich betroffen

Ein Blick in die Lagerbestandslisten der Broker aus der Schweiz und dem übrigen Europa zeigt auch, dass nicht alle Hersteller vom Graumarkt-Problem gleich stark betroffen sind. Produkte von HP und IBM hingegen scheinen überall gut verfügbar zu sein. IBM Schweiz äussert sich wie gewöhnlich sehr zurückhaltend zu dem Thema: «IBM führt regelmässig Stichproben bei ihren Partnern durch, um so entsprechende Graumarkt-Verkäufe zu unterbinden. Mehr können wir dazu nicht sagen», schreibt Sprecherin Susan Orozco.
Waren von anderen Herstellern wie beispielsweise Fujitsu-Siemens suchte IT Reseller bei den Brokern indes vergeblich: «Vom Graumarkt-Phänomen sind am ehesten noch Produkte wie Festplatten oder Speichermodule betroffen, bei denen es keine länderspezifische Lokalisierung gibt», weiss Jörg Hartmann, Senior Director Marketing und Business Development von Fujitsu-Siemens im deutschen Bad Homburg. Für sein Unternehmen stelle sich das Problem vor allem im Serverbereich weniger, da ein Grossteil der Systeme im Built-to-order-Verfahren gefertigt und komplett konfiguriert aus der Fabrik an den Reseller oder Endkunden geliefert werde. «Der Missbrauch von Spezialkonditionen für andere Kunden wird von uns massiv bekämpft. Im Einzelfall kann es schon mal passieren, dass ein Händler dadurch seinen Status verliert», sagt Hartmann weiter. Mit dem hauseigenen SAP-System sei man zudem in der Lage, genau zu eruieren, woher welche Produkte kommen. Dank einer Seriennummer könne jederzeit festgestellt werden, aus welchem Auftrag ein Produkt stammt. «Auch geben wir keine Spezialkonditionen, ohne genau zu wissen, wohin die Ware geht. Auf diesen Punkt werden die Partner in Gesprächen auch immer wieder aufmerksam gemacht», ergänzt Hartmann.

Echt von Falsch unterscheiden

Auch Cisco hat entsprechende Massnahmen ergriffen, wie Chris Dedicoat, Senior Vice President European Market, am Rande der Cisco-Expo in Interlaken gegenüber IT Reseller ausführte: «Wir haben technisch die Fähigkeit, ein echtes von einem nachgemachten Produkt zu unterscheiden und eindeutig zu identifizieren», so Dedicoat. Zudem verfüge Cisco über spezielle Software und wisse immer genau, wohin welche Produkte zu welchen Konditionen geliefert würden: «Die Fähigkeit, unser Distributionswesen und die Lieferungen an unsere Channel-Partner zu überwachen, ist ausserordentlich wichtig für die Bekämpfung des Graumarktes», so Dedicoat. Zudem lasse man die Partner immer wieder in aller Deutlichkeit wissen, dass sogenannte Grauware keine Service-Unterstützung erhalte. Auf Europa-Ebene befasst sich offenbar eine eigene Abteilung von Cisco mit dem Graumarkt-Problem und seinen Konsequenzen. (bor)


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