Ausgemustert mit fünfzig?

Oft suchen Unternehmen nach jungen Vertriebsmitarbeitern und vergessen dabei, dass ältere Verkäufer Eigenschaften von unschätzbarem Wert mitbringen können. Zum Beispiel ein grosses Beziehungsnetz.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/08

     

Gemunkelt wurde hinter dem Rücken von Hanspeter G. (52 Jahre) schon lange, doch keiner getraute sich, ihn direkt darauf anzusprechen: Aber die Tatsache, dass er schon seit geraumer Zeit nicht mehr der Starverkäufer des Unternehmens war und den Schritt vom Produkte- zum Lösungsverkäufer nie richtig vollzogen hatte, war mittlerweile jedem klar. Wie eine Henne hockte G. auf seinen ihm noch verbliebenen
Kunden und hielt Informationen über seine Accounts bewusst zurück in der Hoffnung, sich so unersetzbar machen zu können. Am Ende kam es wie es kommen musste: Er wurde entlassen. Zwar mit einer anständigen Abfindung und einem sehr positiv formulierten Arbeitszeugnis. Doch das Gefühl, wie ein alter Ackergaul mit 52 Jahren ausgemustert worden zu sein, sass sehr tief bei ihm und war mit keinem Geld der Welt wieder gutzumachen.

Diskriminierend und naiv

Doch es geht nicht allen wie Hanspeter G. Diesem tragischen Einzelschicksal eines älteren Vertriebsmitarbeiters mit einer düsteren Berufsperspektive stehen eine grosse Mehrzahl von hervorragenden älteren Verkaufsmitarbeitern gegenüber, welches unverzichtbar für das Unternehmen sind und auf Grund ihrer langjährigen Verkaufserfahrungen, sowie ihrem hervorragenden Beziehungsnetz so manchen jüngeren Kollegen in den Schatten stellen. Liest man Stelleninserate, bei denen die Alterslimite für einen Lösungsverkäufer auf maximal 45 Jahren angesetzt
ist, so ist dies höchst diskriminierend für all jene, die dieses Alter überschritten haben. Denn diesen Menschen wird die Fähigkeit, verkaufen zu können, von vornherein abgesprochen. Gerade ältere Verkaufsmitarbeiter können aber einer Firma einen
grossen Mehrwert bringen. Hierzu ein paar Gründe:

Ein Mitarbeiter, der 20 oder 30 Jahre im IT-Umfeld gearbeitet hat, bringt in der Regel ein sehr grosses Beziehungsnetz mit. Viele haben im Laufe ihres berufstätigen Lebens ein persönliches Vertrauensverhältnis zu wichtigen Entscheidungsträgern im IT-Markt aufbauen können, von dem natürlich auch ihre Arbeitgeber profitieren.


Während sich ein jüngerer Verkaufsmitarbeiter mit einer Vielzahl von Telefonaten oftmals mühsam durch die Hierarchien eines potentiellen Kunden nach oben arbeiten muss, so können «alte Verkaufshasen» mit einem einzigen Mittagessen mit ihrem Duzkollegen aus alten Tagen sich und ihr Unternehmen bei der Unternehmensspitze einer Firma positionieren. Freundschaften aus Zeiten, wo Daten noch auf Lochkarten gespeichert wurden, verbinden eben ungemein und sind oft mehr wert als jedes rational erklärbare Verkaufsargument.

Im modernen Lösungsverkauf, wo ein wesentlicher Faktor des Erfolges darin besteht, sich bei den Entscheidungsträgern eines Unternehmens richtig zu positionieren, haben es erfahrene und ältere Mitarbeiter tendenziell einfacher, das Vertrauen und die Akzeptanz der Unternehmensleitung zu gewinnen.

Überalterung: Das Thema der Zukunft

Zukunftsforscher aus aller Welt sind sich einig: Die Überalterung der Gesellschaft über fast alle Kontinente hinweg wird eines der herausragenden Themen in diesem Jahrhundert sein. Eine ständig steigende Lebenserwartung sowie die stagnierenden Geburtenraten seit dem «Pillenknick» im Jahre 1964 werden gemäss Schätzung des Bundesamtes für Statistik in der Schweiz unter anderem dazu führen, dass im Jahre 2040 auf einen Rentner noch 2,3 Erwerbstätige kommen. 2003 zählte man pro Rentner immerhin noch 4 Erwerbstätige.

Umdenken ist angesagt

Will man diesen Zahlen Glauben schenken, so ist ein Umdenken sowohl bei Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern notwendig und zwar aus folgenden Gründen:

Unternehmen können in naher Zukunft ihre Stellen nicht mehr nur mit jüngeren Mitarbeitern besetzen, da diese schlicht auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr verfügbar sein werden. Der Mythos, dass jüngere Mitarbeiter generell billiger und leichter führ und belastbar als ältere Mitarbeiter sind, lässt sich nicht nur mit den immer schlechteren Ergebnissen der Pisa-Studie der vergangenen Jahre widerlegen, sondern auch mit der Tatsache, dass gemäss neueren medizinischen Erkenntnissen heute ein 70jähriger im Durchschnitt ebenso fit und belastbar ist wie vor ein paar
Jahrzehnten ein 55jähriger. In Zukunft wird die Durchmischung von Verkaufsteams mit jüngeren und älteren Mitarbeitern immer mehr zunehmen: Wenn gute ältere Mitarbeiter mit guten jüngeren zusammengebracht werden, so kann dies für beide Seiten eine Bereicherung darstellen und für das Unternehmen ein echter Gewinn auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht sein. Die Zeiten, wo langjährige Mitarbeiter mit 60 Jahren oder noch früher in die Frühpensionierung geschickt wurden, um jüngeren Mitarbeitern Platz zu machen, dürften bald vorbei sein, weil Unternehmen mittlerweile zu realisieren beginnen, dass ihnen damit wertvolles Know-how verloren gehen kann.

Reich an Erfahrungen

Aus meiner persönlichen Verkaufserfahrung kann ich bestätigen, dass ich eigentlich am meisten von älteren Vertriebsmitarbeitern gelernt habe: Häufig waren diese Mitarbeiter für mich wichtigere Ansprechpersonen als direkte Vorgesetzte. Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, dass viele ältere Mitarbeiter gerne ihr Wissen an jüngere und engagierte Kollegen weitergeben. Noch heute erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an eine Äusserung eines dieser «Dinosaurier». Der Mann, der in der IT-Branche schon so ziemlich alles verkauft hatte, was sich verkaufen liess, sagte einmal zu mir: «Weisst du, ob du nun eine schöne Powerpoint-Präsentation für den Kunden machst, mit ihm Mittagessen gehst oder ihn zu einem VIP-Event einlädst: Dies alles ist im Grunde genommen völlig egal. Wichtig ist im Verkauf immer nur, was am Ende des Jahres unten rechts für eine Zahl steht!» So derb und schnörkellos er diesen Satz auch formuliert hat: Er hat es genau auf den Punkt gebracht, und dafür bin ich ihm noch heute dankbar.

Sales Manager - Ein Auslaufmodell?

Auf Grund der immer flacher werdenden Hierarchien werden immer weniger Führungskräfte im Verkauf gebraucht. Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, welche alternativen Karrieremöglichkeiten es neben der klassischen Karriere als Verkaufsleiter gibt.

Der Autor

Markus Schefer (Bild, 38), verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland und war bei namhaften Unternehmen wie IBM oder Reuters im Verkauf tätig. Heute ist er selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule beider Basel für das Fach Key Account Management. www.scheferpersonal.ch / markus@scheferpersonal.ch


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